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Читать онлайн.Während unserer Arbeit jährte sich das Ereignis schon zum 40. Mal und aus diesem Anlass organisierte die Sektion Literatur der Akademie der Künste der DDR im Herbst 1987 eine Veranstaltung, die noch lebende Zeitzeugen und Interessierte zusammenführte, während Beiträge einiger Teilnehmer verlesen wurden. Damit wuchs das öffentliche Interesse an der Sache, mich erreichte die Anfrage eines Westberliner Kollegen, der das Material einsehen wollte. Natürlich gab ich ihm die Gelegenheit, was ihn überraschte, denn es gab die verbreitete Vorstellung, dass es sich bei dem Protokoll um ein Geheimdokument handelte. Im Sommer 1989 vermittelte ich auch Ruth Rehmann die Einsichtnahme in das inzwischen wieder im Archiv des Schriftstellerverbandes liegende Urmanuskript. Sie schrieb darüber ihren schönen Roman „Unterwegs in fremden Träumen“, in dem sie das Lesen der Reden, die Erinnerungen an eigenes Erleben in der Nachkriegszeit und die Wendeereignisse des Jahres 1989/90 erzählerisch in Beziehung setzt.
Als eine wichtige Erfahrung sind mir die Gespräche in Erinnerung geblieben, die ich mit den noch lebenden Akteuren von damals führen konnte. Die meisten von ihnen gehörten seinerzeit zu den jungen Autoren. Annemarie Auer, Ernst Rudolf Greulich, Elfriede Brüning, berichteten, wie sie sich im Kreise der Gestandenen gefühlt hatten. Von ihnen erfuhr ich über die Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Schriftsteller, die sich unter der Ägide von Peter Kast gegründet hatte und hörte, in welchem Verhältnis sie zum SDA, dem gesamtberliner Schutzverband Deutscher Autoren stand. Klaus Gysi, Stefan Hermlin, Wolfgang Harich waren damals schon als Redner aufgetreten. Alle erinnerten sich an den Auftritt von Melvin Lasky als an einen auffälligen Eklat. Von Ernst Rudolf Greulich erfuhr ich, dass die Einladung an Walter Kolbenhoff und Alfred Andersch, der auf der Einladungsliste gestanden hatte, aber nicht anwesend war, auf seine Anregung zurückging. Kolbenhoff, der dabei war, widmete dem Ereignis in seiner Autobiografie später viel Raum. Am intensivsten war der Eindruck des Gesprächs mit Wolfgang Harich, das in Fortsetzungen stattfand. Er stand der Idee, das Protokoll zu veröffentlichen, ausgesprochen ablehnend gegenüber, weil er die Zeit für Bemühungen um die Einheit Deutschlands für abgelaufen hielt. Ich erfuhr, dass er aufgrund seiner Verurteilung und Haft, die er 1956-1964 wegen politischer Kontaktaufnahme zur SPD erleiden musste, seinen politischen Standpunkt vollkommen gewechselt hatte und alle Bemühungen für die Einheit Deutschland als Schnee von gestern ansah. Abgrenzung und Konsolidierung des sozialistischen Systems in der DDR war für ihn das Gebot der Stunde, alles andere hielt er für verhängnisvolle Illusionen. Aber abgesehen davon, geriet er ins Erzählen, gab Zeitcharakteristisches preis, berichtete über Zeitgenossen und über die eigene Rolle als junger Kritiker und polemischer Geist. Auch die brieflichen Auskünfte von Axel Eggebrecht, Walter Kolbenhoff u. a. gaben zusätzliche Informationen, alles Verwertbare, das von allgemeinerem Interesse war, haben wir in Anmerkungen oder in der Einleitung untergebracht. Inzwischen hatten wir uns längst zur sachlich informierenden Form durchgerungen. Als das Material 1991 endlich komplett war, befand sich der Aufbau-Verlag in Umstrukturierung. Der neue Eigentümer konnte sich nicht zur Produktion des absehbar kostspieligen Bandes entschließen. Auch die Einholung von Lizenzrechten erschien ihm zu kompliziert. Nun gingen wir in der westlichen Verlagslandschaft auf die Suche nach einem neuen Verleger. Wir fanden verschiedentlich Interesse, aber bis zu einer Veröffentlichung kam es bei den Kontakten nicht. Das Buch würde zu teuer, hieß es immer wieder. Wir waren erleichtert, als der Aufbau-Verlag das 50. Jubiläum des Kongresses dann doch zum Anlass für die Veröffentlichung der Materialien nahm, die eine große publizistische Aufmerksamkeit fanden. Auf einer Konferenz am Germanistischen Institut der Berliner Humboldt-Universität fanden sich Wissenschaftler und Zeitzeugen zum Gespräch zusammen. Das Deutsche Theater, eine der Tagungsstätten von damals, veranstaltete eine Matinee.
Seitenblicke auf Kollegen
Außerordentlich hartnäckig erscheinen mir lieb gewordene Illusionen. Solchen Eindruck gewinne ich aus der Lektüre vieler Darstellungen, denen ich in den Jahren seit 1990 begegnet bin, und in denen Intellektuelle, honorige Leute, Kulturschaffende, Historiker, Literaturwissenschaftler, manchmal Kollegen von mir, durchblicken lassen, wie sie auf die Politik und die Politiker der DDR Einfluss nahmen oder nehmen wollten und wie sie von denen daran gehindert und zurückgewiesen wurden. Die Nachzeichnung solch vergeblicher Bemühungen und unfruchtbarer Kämpfe ist sicherlich notwendig und nützlich. Dabei ist es interessant, aus welcher unterschiedlichen Perspektive die eigene Rolle wahrgenommen wird. Die Selbsttäuschung geht so weit, dass der Eindruck erweckt wird, die Rolle von Intellektuellen und die eigene dabei könne mit Objektivität dargestellt werden. Sicherlich ein verständlicher Wunsch, gegen den die Tatsache spricht, dass es bisher niemandem gelungen ist, die eigene Rolle angemessen zu durchschauen. Es würde mir genügen, die eigenen Intentionen im Gang des Ganzen dargestellt zu finden und dabei auf die Bereitschaft zu stoßen, eigenen Illusionen und Irrtümern nachzugehen. Bei keinem der mir zugänglichen Bilanzen stieß ich auf eine gründliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst-, Politik- bzw. Wissenschaftsverständnis, von dem man sich leiten ließ, während man sich als Mitgestalter der DDR-Gesellschaft sah. Auch unterbleibt meist ein kritisches Bilanzieren des Parteiverständnisses, dem man sich lebenslang verpflichtet fühlte.
Parteibindung marxistischer Intellektueller hatte natürlich ihre berechtigten historischen Anlässe und Gründe, resultierte aus den sozialen und antifaschistischen Kämpfen der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert, die die kommunistische Bewegung maßgeblich mittrug. Welche Hypotheken dabei mit dem Stalinismus verbunden waren, ist inzwischen ausführlich nachgearbeitet. Die DDR kam aus diesem Schatten niemals wirklich heraus. Dennoch eröffnete sie mit ihrer Gründung den aus dem Exil zurückkehrenden Intellektuellen, Künstlern und Schriftstellern wie Hanns Eisler, Paul Dessau, Bertolt Brecht, Johannes R. Becher, Erich Weinert, Friedrich Wolf, Anna Seghers, Arnold Zweig, Erich Arendt, Stefan Hermlin, Kuba, Jeanne und Kurt Stern, Stefan Heym u.v.a. ein Feld künstlerischer, literarischer und politischer Wirkungsmöglichkeiten. Schon am Schicksal von Ernst Bloch, Hans Mayer und auf andere Weise auch von Stefan Heym in der DDR, taten sich die Grenzen kritischer Mitsprache auf, die sich bei jüngeren Autoren wie Günter Kunert, Rainer und Sarah Kirsch, Erich Loest, Manfred Bieler zeigten, später dann auch an Restriktionen gegen Christa Wolf, Franz Fühmann, Volker Braun und im letzten Jahrzehnt schließlich daran, dass eine Vielzahl talentierter Autoren in den Westen ging, wie Klaus Schlesinger, Jurek Becker, Klaus Poche u.v.a.. Sie sahen keine Möglichkeit zu produktiver Beziehung mehr, waren der Einschränkungen, Ausschlüsse und anderweitiger Behinderungen überdrüssig.
Das spannungsreich dialektische Verhältnis von Literatur und Politik, wie es sich für die DDR darstellt, scheint mir noch immer ein Desiderat, die Analyse der differenzierten konkreten Erfahrungen steht noch aus; die nach 1990 üblich gewordene Unterscheidung von Dissident und Staatsschriftsteller erweist sich als grobe Simplifikation. Bei ihnen, wie den Intellektuellen in der DDR überhaupt, gab es sehr verschiedene Vorstellungen von Politik,