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– wer meldet sich freiwillig? Oder soll ich…?“

      Da musste ich nicht lange überlegen. „Ich mache es.“

      Ich konnte hören, wie Drake lautstark die Luft einsog. „Ausgerechnet du?“ fragte er und grinste hämisch dabei. „Denkst du wirklich, dass du die richtige Person für diesen Job bist? Ich meine ja nur…Nicht, dass du die Auserwählte gleich umbringst, so gereizt wie du heute bist.“

      „Drake! Was hatten wir vorhin gesagt?“ Marcus drängte sich erneut zwischen uns, doch anstatt auf Drakes Stichelei einzugehen, drehte ich mich wortlos um und verließ den Raum.

      Kapitel 2: Ellie

      Der Dauerregen der letzten Tage hatte anscheinend eine Pause eingelegt, und ich genoss die wärmenden Sonnenstrahlen, die die ganze Gegend in ein geheimnisvolles, fast mystisches Licht tauchten.

      Staunend ließ ich im Vorbeifahren den Blick an dem alten, schottischen Schloss hochwandern, das nun für eine Weile mein Zuhause sein sollte. Es schien viel größer zu sein, als die Verwalterin es mir beschrieben hatte. Ich zählte fünf Stockwerke und vier kleine Türmchen, die sich in den blauen, nahezu wolkenfreien Himmel erhoben. Die mächtigen Mauern des Schlosses waren an der Wetterseite mit Moos überzogen und an der Fassade rankte Efeu empor.

      Das war also Greyborough Castle. Ich parkte meinen Wagen auf dem Besucherparkplatz, nahm meine Handtasche und stieg aus.

      Schnell zückte ich mein Smartphone und machte ein Bild von dem imposanten Gemäuer mit den grasbewachsenen Hügeln im Hintergrund. Stolz begutachtete ich das Ergebnis auf dem Display und war sehr zufrieden. Man hätte das Foto auch durchaus als Vorlage für eine Postkarte nutzen können, wie ich fand. Ich schickte die Aufnahme direkt an meine Freundin und einige Sekunden später klingelte bereits mein Telefon.

      „Was für ein tolles Schloss! Und auch die Gegend ist wirklich traumhaft“, hörte ich Claire sagen, „da werde ich ja richtig neidisch. Ich glaube, ich muss dich sehr bald mal besuchen kommen!“ Sie lachte.

      Claire war anfangs nicht gerade begeistert gewesen, als ich ihr meine Entscheidung mitgeteilt hatte, nach Schottland zu ziehen, aber letztendlich hatte sie verstanden, dass ich Abstand brauchte, um die Trennung von meinem Freund zu verarbeiten.

      Die Zeit nach dem Ende unserer Beziehung war sehr schlimm für mich gewesen. Ich hatte geheult und mich mit Selbstzweifeln gequält. Schließlich hatte ich das Angebot meiner besten Freundin Claire angenommen und war zu ihr gezogen. Ohne sie hätte ich die Monate danach wahrscheinlich nicht überlebt.

      Irgendwann war mir dann aber klargeworden, dass es nichts brachte, sich jeden Abend in den Schlaf zu heulen. Einfach so weiterzumachen wie bisher, das war auch keine Lösung. Ich musste weg, um einen klaren Kopf zu kriegen und mein Leben wieder in den Griff zu bekommen.

      Also begann ich, im Internet nach Stellenanzeigen zu suchen, und prompt fand ich eine interessante Annonce aus Schottland.

      „Zuverlässige Bibliothekarin für ein Schloss in Schottland gesucht. Abgeschlossenes Studium im Bereich Kunsthistorie erforderlich. Sehr guter Verdienst. Bitte bewerben Sie sich mit Bild und Referenzen.“

      Schottland? Als Kind war ich dort oft mit Mum und Dad in Urlaub gewesen, zuletzt vor etwa zwanzig Jahren, kurz bevor meine Eltern bei dem tragischen Autounfall ums Leben gekommen waren.

      Ich teilte die Liebe meiner Eltern zu diesem tollen Land mit seinen vielen Schlössern und der unglaublich schönen Landschaft. Etliche Sagen und mystische Erzählungen hatten hier ihren Ursprung, und ich mochte diese alten Geschichten sehr.

      Schottland? Warum nicht! Also hatte ich mich beworben und auch gleich von der Verwalterin des Schlosses eine Antwort bekommen. Da sie sowieso gerade beruflich in der Gegend gewesen war, hatte sie mir angeboten, für das Vorstellungsgespräch zu mir nach London zu kommen. Danach war alles ganz schnell gegangen. Nach zwei Tagen hatte ich bereits den Vertrag im Briefkasten vorgefunden und diesen unterzeichnet.

      Der Abschied von London war mir letztendlich doch recht leichtgefallen. Ich hatte nur noch eine einzige lebende Verwandte, und das war meine Tante Louisa, die massiv an Alzheimer litt und seit einigen Monaten in einem Pflegeheim untergebracht war. Sie bekam schon lange nicht mehr mit, was um sie herum passierte, und sie hatte auch vergessen, wer ich war. Also gab es nur noch eine einzige Person, die mich wirklich vermisste, und das war Claire. Sie hatte mir in den schweren Zeiten, die hinter mir lagen, sehr geholfen, und das würde ich ihr niemals vergessen.

      Ich sah auf meine Uhr und erschrak. „Es ist schon spät, Claire, ich muss jetzt Schluss machen. Ich rufe vielleicht später nochmal an.“

      „Wehe, wenn nicht! Du musst mir unbedingt alles erzählen! Viel Glück, Ellie.“

      Nachdem ich aufgelegt hatte, beobachtete ich eine Minute lang das bunte Treiben vor dem Eingang. Es war zwar erst Mittag, aber dennoch drängten bereits die Besucher in Scharen an die Kasse. Ich checkte nochmal kurz mein Spiegelbild in der Autoscheibe, um dann entschlossen auf das eiserne Tor zuzuschreiten.

      Die Schlange vorm Eingang war zum Glück nicht ganz so lange, wie ich gedacht hatte. Während ich wartete, sah ich mich um und betrachtete die Gemälde an den Wänden.

      Ich war nervös. Meine Finger spielten mit dem Anhänger meiner Kette, dem einzigen Schmuckstück, das ich von meiner Mutter geerbt hatte. Das kühle Metall zu berühren, beruhigte mich und gab mir das Gefühl, dass sie in irgendeiner Form bei mir war.

      „Miss Mulgrew, sind Sie das?“ Ich drehte mich um und erblickte die Verwalterin des Anwesens. Sie war sehr hübsch und hatte leuchtend rote Haare, die sofort ins Auge stachen. Ich fragte mich, ob sie diese gefärbt hatte oder ob sie von Natur aus so waren, wobei ich mir das fast nicht vorstellen konnte. Dieser Farbton war einfach zu unnatürlich.

      Wir schüttelten uns die Hände. „Schön, Sie wiederzusehen! Kommen Sie, wir gehen ein wenig zur Seite, damit die anderen Besucher an die Kasse können. Sie müssen sich doch nicht anstellen“, erklärte sie mir.

      „Oh... Ich wollte nicht unhöflich sein und drängeln“, erwiderte ich wahrheitsgemäß.

      „Beim nächsten Mal können Sie einfach durchgehen oder den Seiteneingang benutzen. Den zeige ich Ihnen später.“ Die Verwalterin sah auf die kleine Digital-Uhr, die über der Kasse angebracht war.

      „Die nächste Führung beginnt in zwei Minuten. Ich würde vorschlagen, dass Sie diese gleich mitmachen. Das ist eine gute Gelegenheit für Sie, um sich ein wenig im Schloss umzusehen und etwas über seine Geschichte zu erfahren. Anschließend werde ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen.“

      Ich nickte. „Gerne, vielen Dank! Ich bin schon sehr gespannt.“

      „Gut, dann sage ich Miss Sully Bescheid, sie macht die nächste Führung. Kommen Sie doch am besten gleich mit.“

      Sie lief an den wartenden Menschen vorbei und schritt zielstrebig auf eine dunkelhaarige Frau zu, die mich sehr freundlich ansah.

      „Miss Sully, das ist Miss Mulgrew, die neue Bibliothekarin aus London. Sie wird Sie während der Führung begleiten, und ich werde sie dann später wieder hier abholen.“

      Die junge Frau nickte. „Klar, kein Problem.“ Die Rothaarige lächelte mir nochmals zu und verschwand dann im hinteren Bereich der Eingangshalle.

      Meine neue Kollegin reichte mir die Hand. „Herzlich willkommen im Team! Mein Name ist Paula. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn wir uns duzen?“

      „Nein, natürlich nicht! Ich bin Ellie. Sehr angenehm“, stellte ich mich vor.

      Paula bewegte sich in Richtung Kasse. „Wollen wir, Ellie? Ich bin schon gespannt, wie dir Greyborough Castle gefallen wird. Ich habe mich jedenfalls gleich vom ersten Moment an hier wohl gefühlt.“

      „Das glaube ich dir sofort“, gab ich zur Antwort, „es muss aufregend sein, in so einer Umgebung zu arbeiten.“

      Schon als Kind hatte ich stets davon

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