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das Sicherheitsventil nach dieser Richtung geöffnet und funktioniert es richtig, so ist alles in Ordnung; schließt man das Ventil jedoch, wie ich es zuzeiten getan habe, so tritt alsbald eine innere Umwandlung und damit ein Zustand ein, der, durch das Prisma unseres unnatürlichen Lebens hindurchschreitend, als Verliebtheit vom reinsten Wasser und selbst als Platonismus in Erscheinung tritt. Und so verliebte auch ich mich, wie sich alle verlieben. Alles war da: das Entzücken, die Rührung, die Poesie. In Wirklichkeit jedoch war diese meine Liebe einerseits ein Produkt der Tätigkeit Mamas und der Schneiderinnen, andererseits ein Ergebnis der von mir verschlungenen überschüssigen Nahrung bei untätiger Lebensweise. Wären nicht die Bootsfahrten, die Taillen der Schneiderinnen usw. gewesen, hätte die junge Dame ein Hauskleid von schlechtem Schnitt getragen, hätte ich, wie jeder Mensch in normalen Lebensverhältnissen, so viel Nahrung zu mir genommen, als ich zur Verrichtung meines täglichen Arbeitspensums bedurfte, und wäre das Sicherheitsventil bei mir geöffnet gewesen, statt daß ich es um jene Zeit gerade aus irgendeinem Grunde geschlossen hatte, dann hätte ich mich nicht verliebt, und es wäre nichts geschehen.

      8

      So aber klappte alles ausgezeichnet: meine Stimmung, das schicke Kleid, die Kahnfahrt – alles war nach Wunsch ausgefallen. Zwanzigmal war der Versuch mißlungen, diesmal jedoch gelang er ganz glatt. Ich saß drin, wie in einem Fuchseisen. Ich scherze nicht. Die Ehen werden ja jetzt genau so angelegt wie die Fuchseisen. Nichts natürlicher auch: das Mädchen ist herangereift, also muß es einen Mann haben. Die Sache erscheint sehr einfach, wenn das Mädchen keine Missgeburt ist und es an heiratslustigen Männern nicht fehlt. Früher, in der alten Zeit, erledigten die Eltern die ganze Angelegenheit: war das Mädchen herangewachsen, so suchten sie ihm einen Mann.

      So war und so ist es bei der ganzen Menschheit Brauch: bei den Chinesen, den Indern, Mohammedanern, bei uns im Volke – beim gesamten Menschengeschlecht, mindestens bei neunundneunzig Hundertsteln, ist das der Fall. Nur das eine Hundertstel oder noch weniger von uns Wüstlingen hat gefunden, das sei nicht das Richtige, und hat sich etwas Neues ausgedacht. Und worin besteht nun dieses Neue? Es besteht darin, daß die Mädchen dasitzen und die Männer wie auf dem Markte auf und ab gehn und wählen. Die Mädchen aber warten und denken, ohne daß sie es auszusprechen wagen: ›Ach, mein Lieber, nimm mich!‹ – ›Nein, nein – mich!‹ – ›Nicht jene dort, sondern mich; sieh doch, was für Schultern ich habe und was sonst noch alles!‹ – Und wir Männer gehen auf und ab und mustern sie und sind höchst zufrieden. ›Wir wissen Bescheid,‹ sagen die Herren der Schöpfung, ›wir fallen nicht so leicht herein!‹ Und wie sie so prüfend auf und ab schreiten und sich freuen, daß alles für sie so nett hergerichtet ist – schwapp, sitzt schon einer, der sich nicht genug vorgesehen hat, in dem Eisen fest.«

      »Wie soll es denn nun gehalten werden?« sagte ich. »Soll vielleicht die Frau den Antrag machen?«

      »Das weiß ich wirklich nicht; aber wenn schon Gleichheit herrschen soll, dann soll auch vollständige Gleichheit herrschen. Wenn man die alte Methode der Ehestiftung erniedrigend findet, so ist diese Methode noch tausendmal schlimmer. Dort sind die Rechte und Aussichten gleich, hier ist die Frau die Sklavin auf dem Markte oder die Lockspeise im Eisen. ›In die Gesellschaft‹ soll das Töchterchen eingeführt werden. Man sage der Frau Mama oder dem Fräulein selbst einmal die Wahrheit, daß es ihnen nur darum zu tun sei, einen Mann einzufangen: o Gott, wie beleidigt werden sie sein! Und dabei haben sie wirklich nichts anderes im Sinn und befassen sich mit nichts anderem. Und ganz besonders empörend ist, daß zuweilen ganz junge, unschuldige arme Mädelchen sich mit diesen Dingen befassen, und zwar nicht offen und ehrlich, sondern auf höchst listige Weise. ›Ach, die Entstehung der Arten, wie interessant!‹ – ›Ach, Lili interessiert sich so sehr für Malerei!‹ – ›Werden Sie die Ausstellung besuchen? Wie lehrreich!‹ – ›Und die Troikafahrten? … und die Theatervorstellungen? … und die Sinfoniekonzerte?‹ – ›Ach, wie wundervoll! Meine Lili ist ganz hin, wenn sie Musik hört. Wie kommt es, daß Sie keinen Geschmack daran finden? Sind Sie ein Freund von Bootsfahrten? …‹ So geht es in einem fort – in Wirklichkeit aber haben sie nur den einen Gedanken: ›Oh, greif doch zu! Nimm mich!‹ – ›Nimm! meine Lili!‹ – ›Nein, mich! – So versuch es doch wenigstens! …‹ O welche Gemeinheit, welche Verlogenheit!« schloss er, trank seinen letzten Schluck Tee aus und machte sich daran, die Tassen und das sonstige Geschirr wegzuräumen.

      9

      Sie kennen doch«, begann er wieder, während er Tee und Zucker in die Reisetasche legte, »das Weiberregiment, unter dem die Welt leidet? Alles das hat darin seinen Ursprung.«

      »Weiberregiment? Was verstehen Sie darunter?« sagte ich. »Das rechtliche Übergewicht, samt allen Privilegien, ist doch auf Seiten der Männer!«

      »Ja, ja, das eben ist es«, unterbrach er mich. »Das, was ich Ihnen sagen will, erklärt eben die auffallende Erscheinung, daß die Frau auf der einen Seite, wie mit Recht behauptet wird, bis zur tiefsten Stufe der Erniedrigung unterdrückt ist, auf der andern Seite dagegen herrscht. Genau so wie das Volk der Juden. Wie diese durch ihre Geldherrschaft sich für ihre Bedrückung revanchieren, so auch die Frauen. ›Ah, ihr wollt, wir sollen uns nur mit dem Handel befassen? Gut, so wollen wir nur Händler sein und euch auf diese Weise unterjochen!‹ sagen die Juden. – ›Ah, ihr wollt, wir sollen nur ein Gegenstand der Sinnenlust sein? Gut, so wollen wir, als Gegenstand der Sinnenlust, euch zu unsern Sklaven machen!‹ sagen die Frauen. Nicht darin besteht die Rechtlosigkeit der Frau, daß sie nicht wählen und kein Richteramt bekleiden darf. Dies schmälert ihre rechtliche Stellung nicht. Wohl aber darf sie das Recht beanspruchen, im Geschlechtsverkehr dem Manne gleichgestellt zu sein, nach eigenem Wunsche mit ihm zu verkehren oder ihn zu meiden und nach eigenem Wunsche sich den Mann zu wählen, nicht aber vom Manne gewählt zu werden. Vielleicht meinen Sie, dies sei unsittlich. – Wohlan: dann soll auch der Mann dieses Recht nicht besitzen. Heute ist die Frau dieses Rechtes beraubt, welches dem Manne zusteht. – Und um sich für die Entziehung dieses Rechtes schadlos zu halten, wirkt sie auf die Sinnlichkeit des Mannes ein und unterjocht ihn durch Sinnlichkeit in einer Weise, daß er nur formell der Wählende ist; in Wirklichkeit jedoch wählt sie. Hat sie sich einmal dieser Sinnlichkeitssphäre bemächtigt, so mißbraucht sie gar bald ihre Macht und gewinnt damit eine furchtbare Gewalt über Menschen.«

      »Worin äußert sich denn diese außerordentliche Macht?« fragte ich.

      »Worin die Macht sich äußert? Überall, in allem. Besuchen Sie nur in der ersten besten Großstadt die Verkaufsläden. Millionenwerte stecken in ihnen; unschätzbar ist die Summe menschlicher Arbeitskraft, die auf die Herstellung der feilgehaltenen Waren verwandt ist. Sehen Sie einmal zu, ob in neun Zehnteln dieser Läden überhaupt etwas zum Gebrauch der Männer zu haben ist. Aller Luxus des Lebens ist ein Bedürfnis der Frauen und wird von ihnen gefördert.

      Gehen Sie die Fabriken durch, eine wie die andere. Ein ganz beträchtlicher Teil von ihnen verfertigt überflüssigen Schmuck, Equipagen, Möbel, Nippsachen für die Frauen. Millionen Menschen, Generationen von Sklaven gehen in der Tretmühlenarbeit der Fabriken zugrunde, nur um den Launen der Frauen zu frönen. Wie absolute Kaiserinnen halten die Frauen neun Zehntel des Menschengeschlechts in Sklavenfron und schwerer Arbeit fest. Und alles nur darum, weil man sie unterdrückt und der Gleichberechtigung mit den Männern beraubt hat. Sie rächen sich nun dadurch, daß sie auf unsere Sinnlichkeit einzuwirken und uns in ihren Netzen zu fangen suchen. Ja, darum allein geschieht das alles. Die Frauen haben sich selbst in ein Werkzeug umgewandelt, mittels dessen sie auf die Sinnlichkeit des Mannes derart einwirken, daß er mit einer Frau nicht mehr ruhig und harmlos verkehren kann. Sowie der Mann sich der Frau nur nähert, verfällt er ihrem betäubenden Einfluss und verliert seinen klaren Verstand. Auch früher schon hatte ich ein peinliches, beängstigendes Gefühl, wenn ich eine aufgeputzte Dame im Ballkostüm sah, jetzt aber ist mir das geradezu entsetzlich, ich sehe förmlich eine Gefahr darin, die die Menschen bedroht, ja etwas Gesetzwidriges, und ich möchte den nächsten Polizisten anrufen, daß er mir Hilfe leiste gegen die Gefahr, möchte ihn auffordern, den gefährlichen Gegenstand fortzuschaffen und unschädlich zu machen.

      Ja, Sie lachen darüber!« schrie

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