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„brachte alle Fragen zum Schweigen“.

      Doch das Wissen, mit dem Kathrin den Wald erlebt, ist nicht ihre einzige Quelle, die ihre Sicht auf die Natur prägt. Ihr Vater, dem der Wald später ein Bein zertrümmern wird, hatte für sie die Botschaft des Waldes in einen einzigen Satz zusammengefasst: „Im Wald geht nichts und niemand verloren.“

      Kathrins Erleben der Natur ist nicht eindimensional instrumentell wie das der Unterleutener, die Natur lediglich als nutzbaren Rohstoff ansehen. In Kathrins vielschichtigem Erleben der Natur durchdringen sich Beobachtung („wer beobachtete / wer sah“), biologisches Wissen („Stoffwechsel“), philosophisch abstrakte Reflexion („Sinn / Tod / Sein / Ursache“), existenzielle Deutung („Ihr gefiel die Vorstellung“) und persönliche Geschichte und Deutung („Du musst vor nichts Angst haben, meine Kleine“) gegenseitig.

      Wenn Juli Zehs Beschreibung von Kathrins Naturzugang einer existenziell sinnstiftenden Haltung zutreffend ist, dann lässt sich ein solches Erleben von Natur offenbar nur als ein vielschichtiges und mehrdimensionales Geschehen beschreiben. Den „Wald zu lesen“ oder, allgemeiner formuliert, die Natur zu lesen, so dass sie spricht und Bedeutung gewinnt, ist offenbar ein vielschichtiges und mehrdimensionales Geschehen, bei dem unterschiedliche Tätigkeiten (Sehen, Wissen, Deuten), die wiederum in verschiedenen Disziplinen wurzeln, ineinanderfließen. Erst das Mehrdimensionale scheint sich zu einem sinnvollen Gesamteindruck und Ausdruck zusammenzufügen. Zum besseren Verständnis wird es also hilfreich sein, die einzelnen Zugänge nacheinander genauer anzuschauen.

       Praxis: Landschaften hören

       „Wenn der Mensch durch die Natur schreitet, sollte er von Musik begleitet sein. Sie gibt der Landschaft ein eigenes Gepräge, denn durch die Musik erscheint sie als ein feineres Element, wie sehr klare Morgenluft im Herbst. Musik weht mich durch die klaren, sommerheißen Täler an …“ 14

      Sich an einen Ort in der Natur begeben oder durch die Natur gehen und der Musik der Landschaft, der Bäume, des Bachs und der Wolken lauschen.

      6.Schweigende Natur

      Zunächst aber vom Wald ans Meer. Brigitte Kronauer schildert eine misslungene und enttäuschende Begegnung mit der Natur folgendermaßen: „Ich war damals, nach sehr arbeitsreichen Monaten, in den sommerlichen Ferien mit dem Schiff zu einem rund zweiwöchigen Aufenthalt auf der Insel Rhodos angekommen … So ausgestattet mit prächtigen Wasseranblicken, Meeresmythologie, obendrein versorgt mit privatem Glück, traf ich auf der Insel ein, in der Erwartung, die Euphorie durch stetige, ungestörte Himmel-, Horizont- und Wellenbetrachtung noch steigern zu können, vis-à-vis mit der magischen und existentiellen Wucht des Meeres an sich … Ich jedenfalls setzte mich sogleich dem Meer in der Mittagshitze gegenüber und starrte es an, zu jeder Herzenserhebung bereit. Und was passierte? Es starrte blöde zurück. Es starrte zwei Wochen lang mit einem Briefkastengesicht, stets schön blau am Tage, schulmäßig unter Sternbildern in der Nacht, völlig nichtssagend zurück und ließ sich nicht erweichen zu einem letzten Schimmer der alten, mythischen Kraft, die es immer für mich besessen hatte. Ich sah ins Leere …“15

      Die „Herzenserhebung“ bleibt hier aus. Wie kommt es, dass das Meer der Schriftstellerin nur sein stummes „Briefkastengesicht“ zeigt? Woran liegt es, dass die Götter nicht erscheinen? Allein die Schönheit der Szenerie reicht nicht aus. Die Kenntnis der griechischen Göttersagen auch nicht. Resonanzerfahrungen in der Natur und das Ergriffenwerden von Atmosphären sind unverfügbar, sie entziehen sich menschlicher Machbarkeit. Für solche Erfahrungen lässt sich kein Ticket lösen. Der Funke springt nicht im dafür vorgesehenen Zeitfenster über. Wie viel länger hätte die junge Frau dort sitzen müssen, um die mythische Kraft des Meeres zu spüren?

      Diese Enttäuschung erinnert daran, dass im Begegnungsraum Natur die erhoffte Begegnung ausbleiben kann. Auch der sinnsuchende Zugriff auf die Natur ist ein instrumenteller und könnte eben deshalb die erhoffte Begegnung (womit eigentlich?) verhindern. Um zwischen den Zeilen des Buches der Natur zu lesen, braucht es mehr als die Fähigkeit, Buchstaben zu lesen. Erst im Zwischenraum ereignen sich Begegnung und Präsenz. Doch dazu später mehr.

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