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recht.«

      Charlotte bemerkte, wie ihr Onkel bei der Erwähnung seines bürgerlichen Namens die Lippen zusammenpresste. Sie wusste von den Hinweisen, dass er tatsächlich von Alexander von Humboldt abstammte, doch bis jetzt war der Anspruch keinesfalls bewiesen. Ein Thema, über das man besser schwieg.

      »Ich habe eine Einladung für Sie.« Die Messingknöpfe mit dem kaiserlichen Reichsadler blinkten in der Morgensonne. »Wenn Sie den Erhalt bitte hier bestätigen würden.« Er reichte dem Forscher ein amtlich aussehendes Dokument nebst Stift. Humboldt setzte sein Zeichen unter das Papier und nahm den Brief in Empfang.

      »Und hier noch ein Brief an Fräulein Charlotte Riethmüller. Sind Sie das?«

      »Ja.« Charlotte nahm das Kuvert entgegen. »Muss ich auch irgendetwas unterschreiben?«

      »Nein danke, nicht nötig.«

      Humboldt griff in die Tasche und drückte dem Eilboten ein paar Pfennige in die Hand.

      »Oh, vielen Dank.« Der Mann verbeugte sich. »Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag. Besinnliche Weihnachtstage.« Mit diesen Worten schwang er sich auf sein Pferd und galoppierte zurück.

      Humboldt machte kehrt und ging zurück ins Haus. Durch die offene Tür der Schreibstube konnte Charlotte die neugierigen Gesichter der Straßenkinder erkennen.

      »Was ist es?«, drängte Charlotte. »Wer schreibt uns?«

      »Uns?« Der Forscher warf ihr einen ironischen Blick zu. »Soweit ich lesen kann, steht nur mein Name auf dem Brief.«

      Charlotte ließ nicht locker. »Aber er stammt von der Universität, das erkenne ich an dem Siegel. Also gilt er höchstwahrscheinlich uns allen.«

      »Meinst du?« Er zog humorvoll eine Braue in die Höhe.

      Seit er dem Universitätsbetrieb aus Protest den Rücken gekehrt hatte, war hier in seinem Haus eine Art private Forschungsgemeinschaft entstanden. Ein Institut zur Aufklärung und Lösung ungewöhnlicher, um nicht zu sagen unmöglicher Fälle. Den ersten Fall hatten sie gelöst, als sie in Peru ein bisher unbekanntes Volk mit mechanischen Fluggeräten entdeckt hatten, einen zweiten, als sie das Mittelmeer von einer Gefahr in Form riesenhafter Maschinenwesen befreit hatten. Beide Fälle hatten in der Presse hohe Wellen geschlagen. Wenn ihnen die Universität also eine Einladung schickte, dann vermutlich nur deshalb, weil die Kunde von ihren Taten den Weg bis in die oberste Etage gefunden hatte und die Herren Dekane es sich nicht länger leisten konnten, sie zu ignorieren.

      »Jetzt komm schon«, drängelte Charlotte. »Mach ihn auf.«

      Humboldt marschierte in sein Arbeitszimmer, nahm einen Brieföffner zur Hand und schlitzte den Umschlag auf. Er zog den Brief aus wertvollem Büttenpapier heraus und faltete ihn auf. Die Stirn tief in Falten gelegt, überflog er den Inhalt. Plötzlich hellte sich seine Miene auf. »Bellheim!«, rief er aus. »Das darf doch nicht wahr sein.«

      »Wer?«

      »Richard Bellheim. Einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Völkerkunde. Wir haben eine Zeit lang zusammen studiert. Ein fabelhafter Kerl. Ich habe ihn seit einer Ewigkeit nicht gesehen.«

      »Was ist geschehen?«

      »Ich war viel unterwegs, wie du weißt, und er ebenso. Als Afrikaspezialist war er vermutlich längere Zeit auf Expedition. Das ist aber nicht seine Handschrift. Vermutlich handelt es sich um eine offizielle Einladung.« Er drehte den Brief um. »Ah, hier haben wir es ja. Zwei Jahre Sahara und Sahelzone.« Er pfiff durch die Zähne. »Ganz schön lange Zeit.«

      »Und was steht in der Einladung?«

      »Wie es aussieht, hält er einen Sondervortrag in drei Tagen. Man hat uns zwei Eintrittskarten beigelegt.«

      Charlotte schaute in den Umschlag und, tatsächlich, da waren sie. Wunderschön gedruckt und mit goldenem Rand. »Ich habe sie. Was steht noch in dem Brief?«

      Humboldt rückte seine Brille zurecht. Sein fröhlicher Ausdruck wurde zusehends ernster.

      »Was denn? Spann mich nicht so auf die Folter.«

      »Wie es aussieht, wird auch der Kaiser da sein. Hier steht, es wird ein Empfang mit allerhöchsten militärischen Ehren. Nur der Hofstaat und besondere Würdenträger werden geladen sein.« Mit Bedauern in seinem Gesicht ließ er den Brief sinken. »Schade. Ich wäre gern hingegangen.«

      »Wie meinst du das?«

      Humboldt schenkte ihr ein trauriges Lächeln. »Weißt du das wirklich nicht? Deutschland liefert sich seit einigen Jahren einen Wettlauf um die besten Kolonien. Der afrikanische Kontinent wird dabei zwischen den Imperialmächten aufgeteilt, als wäre er eine Geburtstagstorte. Es geht zu wie auf einem Basar. Jeder nimmt sich einfach, was er kriegen kann, ohne die Einheimischen um Erlaubnis zu fragen. Ein trauriges Kapitel der deutschen Geschichte, aber natürlich von hohem nationalen Interesse.« Er stieß die Worte aus, als hätten sie einen unangenehmen Beigeschmack. »Wenn Bellheim in Anwesenheit des Kaisers über Nordafrika redet, dann wird es vermutlich um die Möglichkeit neuer Kolonien gehen.« Er faltete das Papier und steckte es weg. »Tut mir leid, kein Interesse. Ich werde zusehen, dass ich mich im neuen Jahr mit ihm treffe. Unter vier Augen und in ungezwungener Atmosphäre.«

      »Aber der Kaiser …« Charlotte blickte ihren Onkel mit großen Augen an. »Ich habe Wilhelm noch nie aus der Nähe gesehen.«

      »Das wird dir auch an diesem Abend kaum gelingen«, erwiderte der Forscher. »Vermutlich wird er von einer ganzen Armee von Sicherheitsbeamten abgeschirmt. Abgesehen davon: So imposant ist er auch wieder nicht.«

      »Das ist doch egal. Stell dir all die interessanten Leute vor. Die schmucken Anzüge und Uniformen und die rauschenden Kostüme. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Bitte, lass uns hingehen. Bitte, bitte.«

      Humboldt verdrehte die Augen. »Tu mir das nicht an. Ich verabscheue solche Veranstaltungen. Nichts gegen einen guten Vortrag, aber diese Veranstaltung riecht nach Staatsempfang. Da wird gedienert, gebuckelt, gekrochen und geschleimt. Jeder wird zusehen, dass er möglichst nah an Wilhelm und seine Gattin herankommt. Das hat nichts mit Forschung zu tun. Eher mit Politik, und Politik ist ein schmutziges Geschäft.«

      »Komm schon, bitte.« Charlotte ließ nicht locker. »Immerhin hat er an dich gedacht. Steht sonst noch etwas in der Einladung?«

      »Warte mal …« Humboldt drehte den Brief um. »Hier ist eine Notiz, aber wie es aussieht in einer anderen Schrift. Sie stammt von … ach, verdammt.« Er hielt die Karte ins Licht und schob seine Brille hoch. »Ich muss dringend mal zum Optiker. Kannst du das lesen?«

      Charlotte nahm den Brief. »Hier steht ein Name. Gertrud Bellheim. Seine Frau?«

      »Möglich, aber ich kenne sie nicht. Er muss geheiratet haben, als ich fort war. Was schreibt sie?«

      »Sehr geehrter Herr von Humboldt, im Namen meines Mannes möchte ich Sie und Ihre Begleitung ganz herzlich zum Vortrag am 27. 12. um 20 : 00 Uhr in den Großen Hörsaal der Friedrich-Wilhelm-Universität einladen. Ich weiß, dass Sie sich nahegestanden haben und dass es ihm viel bedeuten würde, Sie an diesem Abend persönlich zu sehen. Bitte tun Sie mir den Gefallen und reden Sie ein paar Worte mit ihm. Dafür wäre ich Ihnen überaus dankbar. Hochachtungsvoll, Gertrud Bellheim«

      Humboldt nahm ihr den Brief aus der Hand und überflog die Zeilen noch einmal. »Seltsam«, murmelte er.

      »Was meinst du?«

      »Warum schreibt er nicht selbst? Und warum tue ich ihr einen Gefallen, wenn ich ein paar Worte mit ihm rede? Das klingt, als würde sie sich Sorgen machen.«

      Charlotte nickte. »Du hast vollkommen recht. Es klingt tatsächlich sehr seltsam. Ich finde, du solltest der Sache auf den Grund gehen. Das wird dir allerdings nur gelingen, wenn du dort erscheinst. Und ich mit dir.« Sie schenkte ihrem Onkel ein verführerisches Lächeln.

      Der Forscher zog eine Braue in die Höhe. »Sagst du das, weil es dich wirklich interessiert oder weil du zu dem Empfang willst?«

      Er

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