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genannt, verbindet das Auto einfach über eine sogenannte OBD-Schnittstelle mit einem Computer, wobei OBD für On-Board-Diagnose steht, und bekommt so die relevante Fehlermeldung, die ernsthaft Fahrzeugdiagnose heißt, angezeigt. Sie ahnen schon: Michaels Vergleich zwischen Arzt und Kfz-Mechaniker hinkt. Unser Körper ist kein Ding, so wie ein Auto. Er verfügt weder über eine Computerschnittstelle zum Auslesen aktueller Fehlfunktionen noch sind die Körper von zwei Leuten wirklich völlig gleich. Und auch auf die Gefahr hin, dass mir Auto-Enthusiasten widersprechen, bin ich überzeugt, dass millionenfach produzierte identische Fahrzeuge weder eine Seele noch ein Bewusstsein haben. Ein Umstand, der die Körperwahrnehmung und damit die Ausprägung der Beschwerden bei uns Menschen hingegen maßgeblich beeinflusst.

      Da Ihrer Ärztin naturgemäß keine vergleichbaren technischen Hilfen zur Verfügung stehen wie einem Kfz-Mechatroniker, ist sie umso mehr auf Ihre Mitarbeit angewiesen. Sie wird nur dann erfolgreich sein und die Beschwerden lindern oder beheben können, wenn sie sich auf Sie einlässt, offen, aufmerksam und ermutigend ist, und es ihr so gelingt, Ihre Mitwirkung am Heilungsprozess zu fördern. Sie wünscht sich Ihre Mitarbeit. Dieser Gedanke würde dem Chef der Autowerkstatt eher nicht kommen. Je besser Ihre Ärztin es versteht, Ihnen dieses Angebot zu unterbreiten, desto mehr werden Sie wahrscheinlich gewillt sein beizusteuern. Aus meiner Sicht ist es gut, ja notwendig, dass Sie sich auf diese Zusammenarbeit einlassen. Allein bekommt Ihre Ärztin das in der Regel nicht hin. Deshalb braucht sie auch eine gute Selbstbeobachtung auf Ihrer Seite. Damit meine ich nicht, sich ständig zu analysieren und verängstigt hinter jedem Pickel eine beginnende Katastrophe zu vermuten. Gemeint ist damit, Veränderungen, die sich im Inneren oder äußerlich sichtbar abspielen, auch wahrzunehmen.

      In der nicht alltäglichen Begegnung zwischen Patient und Arzt bedeutet Ernstnehmen für mich als Fachmann, Sie nicht auf aktuelle Beschwerden oder eine Krankheit zu reduzieren. Sie geben mir ja einen Vertrauensvorschuss. Wohl weil ich Medizin studiert und, hoffentlich, ausreichend Fachwissen und Erfahrung habe, um die Ursache Ihres aktuellen Problems zu erkennen und eine Lösung zu finden. Inmitten modernster Formen der Bildgebung, schnellerer Laboranalysen und immer gezielter fahndender genetischer Tests bleibt die Erfahrung das zentrale Element. Nicht alles ist schwarz oder weiß im medizinischen Alltag, es gibt viele Grautöne. Durch dieses Grau gelangt man sicherer mit ein bisschen Erfahrung, so wie man die Piste im Skiurlaub beim zweiten oder dritten Mal schon besser herunterkommt. An einem strahlenden Wintermorgen gleiten Sie fast wie von selbst bis ins Tal. Ist die Bahn am nächsten Tag vereist oder voller Nebelschwaden, wird es schwieriger und Sie sind froh, dass Sie die Hügel und Kurven schon kennen.

      Patienten suchen Ärzte oft wegen ähnlicher Symptome auf, aber mal haben sie Vorerkrankungen und mal nicht, mal nehmen sie Tabletten und mal nicht. Sie sind alle verschieden und sie sind alle einzigartig. Ich muss bereit sein, mich jedes Mal neu einzustellen und ganz von vorne anzufangen. Da leitet die Erfahrung meine Handlungen. Denn was ich schon einmal gehört, gesehen, getastet habe, das kann ich wiedererkennen und mich an die Schritte erinnern, die zum Erfolg geführt haben. Ganz grundsätzlich erwarten Sie von mir medizinische Kompetenz und gute Diagnosefähigkeiten. Das schließt auch ein, dass ich weiß, wann meine Grenzen erreicht sind und ich Sie lieber weiter überweise, am besten gezielt in einem gut abgestimmten Netzwerk von Kolleginnen und Kollegen.

      Ich mag das Schild „Bitte nicht stören“ an meiner Sprechzimmertür. Eine zusätzliche Hürde, damit andere Patienten, Pfleger oder, besonders gern, Kollegen nach kurzem Klopfen nicht plötzlich mitten in Ihrer Intimsphäre landen. Neben nicht durchgestellten Anrufen und einem datenschutztauglichen Empfangsbereich gelingt es so, das von Ihnen exklusiv gewährte Recht zu wahren, welches mir Einblicke in Ihr körperliches und seelisches Innenleben erlaubt. Auch wenn Sie ohne dieses Zugeständnis im ärztlichen Sprechzimmer nicht auskommen werden, so ist es für mich dennoch ein Privileg. Das weiß ich. Und damit sollte ich besser verantwortlich umgehen. Sie als ganzheitliche Persönlichkeit wahrzunehmen erscheint mir da ein guter erster Schritt.

      Sie nicht auf Symptome zu reduzieren erfordert von meiner Seite erst einmal, Sie ein wenig kennenzulernen. Dabei sind Sie mir mit der schon beschriebenen Vorbereitung auf den Besuch im Sprechzimmer eine große Hilfe. Da wir so leichter ins Gespräch kommen, brauche ich mich nicht nur auf meine Beobachtungen zu verlassen. Letztlich muss ich, ob durch Fragen oder Blicke, nicht nur das eigentliche Problem erfassen, sondern versuchen herauszufinden und zu verstehen, wie sehr Sie sich von den Beschwerden oder der Erkrankung eingeschränkt und betroffen fühlen und welche Ressourcen Sie zur Verfügung haben, um mit der neuen Situation umzugehen. Das ist für den Heilungsprozess wichtig.

      Letztes Jahr im Sommer versuchte ich unserem Rasensprenger auszuweichen, weil ich trotz der Hitze nun mal nicht nass werden wollte. Mein Spurtversuch endete damit, dass ich auf der Nase lag und mir dabei irgendwie das Knie verdreht habe. Die Dusche war dann natürlich inklusive. Nichts Schlimmes dachte ich, aber beim Gehen hatte ich Schmerzen, und sie hörten nicht auf. Nach einiger Überwindung bin ich dann doch zum Arzt gehumpelt – das tue ich nämlich selbst auch nicht gern – und habe das Knie untersuchen lassen. „Das vordere Kreuzband ist gezerrt, nichts Schlimmes“, bekam ich zu hören. Hätte der Kollege mich besser gekannt oder sich die Zeit für ein kleines Gespräch über den Kniebefund hinaus genommen, hätte er erfahren, dass ich Marathonläufer bin und daher die notwendige Ruhigstellung des betroffenen Beines für mich ziemlich einschneidend war. Die verordnete Orthese auch zu tragen und mich in Geduld zu üben, ist mir wirklich schwergefallen. Mit dem Wissen über meine Freude am Sport hätte er mir noch mal ins Gewissen reden und meine Mitarbeit fördern können. Nach wenigen Wochen war zwar alles vergessen und ich konnte wieder rennen gehen. Es handelte sich ja auch nur um eine kleine Verletzung, die wieder vollständig in Ordnung kommen würde. Das war mir klar. Doch aufmerksam wahrgenommen fühlte ich mich von dem Sportarzt nicht. Natürlich hätte ich ihm von meinem sportlichen Ehrgeiz auch erzählen können, aber er schien an nichts anderem als dem Knie interessiert zu sein.

      Gründlich untersucht wurde mein Knie immerhin. Das ist der Vorteil der Sportmediziner, Orthopäden oder der Ärzte für Physikalische Medizin: Kurze, knackige Beschreibung der Beschwerden, dann wird untersucht und therapiert. In der Neurologie oder beim Internisten sieht es da ganz anders aus. Ein ausführliches Gespräch zur Krankengeschichte ist die Basis. Ansonsten bräuchte ich dieses Buch auch gar nicht zu schreiben. Auf eine Untersuchung sollten Sie dennoch nicht verzichten. Lutz Wesel, der selbst Arzt ist, berichtet von einer Patientin, die im Rahmen eines grippalen Infektes Ohrenschmerzen entwickelte. Eine typische, banale Begleiterscheinung, die mit ein paar Nasen- und Ohrentropfen schnell behoben ist. Beim Blick ins Ohr zeigt sich regelhaft ein feuerrotes, entzündetes Trommelfell, auf das die Schmerzen zurückzuführen sind. Bei seinem Blick ins Ohr, der schon fast überflüssig anmutete, weil alles so typisch erschien, zeigte sich überraschenderweise ein ganz normales Trommelfell. Das passte nicht zusammen. Er fragte nach und erfuhr, dass die Patientin kürzlich ein Zahnimplantat im Oberkiefer der betreffenden Seite erhalten hatte. Die bei der Untersuchung der Mundhöhle gefundenen Eiterstippchen führten zur Diagnose eines infizierten Implantates. Ohne den Blick ins Ohr wäre die Infektion wohl verschleppt worden, mit gravierenden Folgen für die Patientin.

      Eine Bänderzerrung oder ein entzündetes Trommelfell sind mit Erkrankungen, die aufgrund ihrer Schwere eine Neuausrichtung des Lebens erfordern, nicht zu vergleichen. Für Patienten, die immer wieder zum Arzt gehen müssen, ob nun für eine Kontrolle und erst recht bei einer Therapie, erscheint es mir ungleich wichtiger, dass die Ärztin oder der Arzt sie als Persönlichkeit und nicht als Herzschwäche oder Gelenkrheuma, um zwei Beispiele zu nennen, wahrnimmt. Diese Wahrnehmung muss für Sie als Patient oder Patientin sichtbar und hörbar sein. Das ist für jeden klinisch tätigen Arzt möglich, sicher auch für einen Herzchirurgen, der oft nur wenig Zeit auf der Station und im Gespräch mit seinen Patienten verbringen kann. Im Fall von Albert war die Situation auch deswegen so unwürdig, weil seine Bedenken, Fragen und Gefühle einfach als unwichtig abgetan wurden.

      Zugegeben, nicht jede Ärztin ist ein Kommunikationsgenie und nicht jeder Arzt glaubt an die Bedeutung empathischen Handelns. Da gibt es zum Teil große Unterschiede, aber eine emotionale und kommunikative Grundausstattung darf man von jedem Arzt erwarten. In der Praxis spielt die entsprechende Fachdisziplin auch eine Rolle. Sitze ich als Anästhesist hauptsächlich im Operationsaal und lerne Sie ansonsten nur kurz zur Aufklärung über die

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