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in der Lage, mit meinem eigenen Körper zurechtzukommen. Dabei waren seit der ersten Diagnose erst zwei Jahre vergangen.

      Dann geschah etwas, das mein Leben veränderte. Im Jahr 2002 stellte meine Neurologin fest, dass mein Zustand sich allmählich verschlechterte und verwies mich auf die Internetseite des Gynäkologen und promovierten Philosophen Dr. Ashton Embry (www.direct-ms.org; nur in englischer Sprache). Der Sohn von Dr. Embry war an MS erkrankt und sein Zustand besserte sich nach einer Ernährungsumstellung so eindrucksvoll, dass Dr. Embry sich für die Erforschung der Verbindung zwischen Ernährung und Multipler Sklerose einsetzte. Davon hatte ich bislang nichts gehört – oder es war zumindest das erste Mal, dass mich das Konzept aufhorchen ließ. Obwohl es ein wenig nach „Alternativbehandlung“ klang (und als Schulmedizinerin hatte ich nicht viel Vertrauen in etwas, das ich als Außenseitermedizin betrachtete), doch der Vorschlag kam schließlich von meiner Neurologin, also nahm ich das Ganze ernst. Ich beschloss, der Sache nachzugehen.

      Dr. Embrys Internetseite quoll über von wissenschaftlichen Literaturangaben, die ich nach und nach zu lesen begann. Die Artikel stammten aus seriösen wissenschaftlichen Zeitschriften und waren von Wissenschaftlern angesehener medizinischer Fakultäten verfasst. Das war keine pseudowissenschaftliche „Außenseitermedizin“, sondern seriöse Forschung. Und das Ganze war anspruchsvoll. Vieles spielte sich in Bereichen ab, die außerhalb meiner Fachkompetenz lagen, oder beruhte auf Grundlagenforschung, die nicht zu meiner Ausbildung gehört hatte. Ich hatte Mühe, all das aufzunehmen, und die mit MS einhergehenden Konzentrationsstörungen waren nicht gerade hilfreich. Es gab so viele neue Informationen – wie kam es, dass ich davon überhaupt nichts wusste? Nach intensivem Lesen stellte ich fest, dass Dr. Embry einer großen Sache auf der Spur zu sein schien. Wenn die Ernährung tatsächlich eine wichtige Auswirkung auf MS hätte? Nach all den Jahren, in denen ich meine Gesundheit den Ärzten überlassen hatte und es mir trotzdem fortlaufend schlechter ging, faszinierte mich dieser Gedanke. Ich könnte über meine Ernährung selbst bestimmen. Es schien fast zu einfach und zu gut, um wahr zu sein. Ich musste mehr darüber in Erfahrung bringen.

      Auf Dr. Embrys Internetseite las ich zum ersten Mal von Dr. Loren Cordain. Er brachte veränderte menschliche Ernährungsgewohnheiten mit der Entwicklung von Zivilisationskrankheiten in Verbindung. Er hatte eine Reihe von Artikeln veröffentlicht und kurz zuvor ein populärwissenschaftliches Buch herausgebracht: Die Paleo-Ernährung (Deutscher Trainer Verlag 2013), das wesentlich leichter zu lesen war als die technisch-wissenschaftlichen Arbeiten.1 Ich begann Informationen schneller aufzunehmen: Molekulare Mimikry, Barrierestörungen der Darmschleimhaut, Lektin, Immunmodulation (von all diesen Dingen wird später noch die Rede sein). Ich begann zu verstehen, worauf Dr. Embry und Dr. Cordain mit ihren Theorien hinaus wollten. Ich begann zu überlegen, dass die Nahrung einen eher größeren als kleineren Einfluss auf die Funktionsfähigkeit unseres Körpers ausüben könnte.

      Ganz besonders interessierte mich der Gedanke, dass der Konsum von übermäßig vielen Kohlenhydraten und Zucker in unserer modernen Ernährung zu überhöhten Insulinwerten und chronischen Entzündungen führt. Der Hinweis, dass die ursprüngliche Ernährung des Menschen möglicherweise eine Besserung meiner MS herbeiführen könnte, war verlockend, aber die Umstellung auf diese Ernährungsweise würde eine erhebliche Veränderung für mich bedeuten. Ich war seit meiner Studienzeit Vegetarierin und liebte Bohnen und Reis. Ich liebte es, Brot zu backen. Könnte ich Getreide, Milchprodukte und Hülsenfrüchte, meine gegenwärtigen Grundnahrungsmittel, tatsächlich einfach weglassen?

      Aber der Wunsch, meine Krankheit zum Stillstand bringen, überwog. Ich wollte weiterhin laufen, arbeiten und mit meinen Kindern spielen. Ich beschloss, es zu versuchen. Fleisch stand wieder auf dem Speiseplan, und ich gab dafür die jetzt verbotenen Nahrungsmittel auf, die ich so liebte. Zuerst verursachte mir der Geruch von Fleisch Übelkeit. Ich ließ es langsam angehen und verwendete nur kleine Mengen in Suppen. Mit der Zeit wurde es leichter.

      Ich setzte Hoffnung in diese Umstellung, doch trotz des Wechsels zur sogenannten Paläo-Ernährung verschlechterte sich mein Zustand weiter. Ich konnte mit meinen Kindern nicht im Garten Fußball spielen, ohne hinzufallen. Ich konnte mit den Wölflingen, dem Pfadfinder-Nachwuchs, keine langen Wanderungen machen. Dann wurde es sogar immer schwerer, mit Jackie kurze Spaziergänge zu unternehmen. Die Müdigkeit wurde zu einem immer größeren Problem. Ich war enttäuscht, zeitweise verzweifelt und die Tränen flossen bei jeder unpassenden Gelegenheit. Doch mein Entschluss stand fest. In einigen Einträgen auf Dr. Embrys Seite war von fünf Jahren die Rede, bis sich eine Erholung einstellte. Mir wurde klar, dass ich kein Wunder über Nacht erwarten konnte, also blieb ich bei den Umstellungen. Selbst wenn es nur zu einem langsamen Fortschritt kommen würde, so war es doch etwas, das ich selbst tun konnte, und das gab mir Kraft.

      Unterdessen stellte ich meine Planung um, um das Laufen zu vermeiden. Mein Arzt sagte, es sei Zeit für einen Elektrorollstuhl, änderte aber seine Meinung und schlug wegen der zunehmenden Müdigkeit einen Rollstuhl mit verstellbarer Rückenlehne vor. Außerdem empfahl er einen Therapieversuch mit einem Chemotherapeutikum (Mitoxantron®). Als keine Besserung eintrat, stellte ich auf ein neues, hochwirksames Immunsuppressivum um (Tysabri®); doch noch bevor die dritte Injektion anstand, wurde es aus dem Handel genommen, da es zu Todesfällen durch Aktivierung eines latenten Virus im Gehirn gekommen war. Danach sollte ich auf Empfehlung meines Arztes ein Immunsuppressivum einnehmen, das auch in der Transplantationsmedizin verwendet wurde (CellCept®). Es verursachte häufige Mundgeschwüre und meine Haut nahm einen gräulichen Ton an. Ich begann jeden Tag mit Müdigkeit und jede Nacht nagte die Verzweiflung an mir, wenn ich ihm Bett lag. Jackie, Zach und Zebby waren meine Rettungsleine. Dann nahm Jackie mich in den Arm und sagte, wir würden all das gemeinsam durchstehen. Wir sprachen oft über die Kinder und darüber, wie sie unsere Art, mit dem Geschehen umzugehen, verarbeiteten. Ihnen zuliebe wollte ich nicht, dass sie meine Entmutigung und meine Müdigkeit sahen.

      Obwohl ich mich lange gegen einen Rollstuhl mit verstellbarer Rückenlehne gewehrt hatte, war es tatsächlich eine Befreiung, als er endlich zum Einsatz kam. Ich konnte draußen sein und mit meiner Familie spazieren gehen (oder besser gesagt: spazieren rollen), wenn wir im Park oder in der Nachbarschaft unterwegs waren. Mein Leben wurde dadurch wirklich leichter. Allerdings schwächte diese Lagerung auch meine Rückenmuskeln, und je mehr sie atrophierten, desto mehr Zeit verbrachte ich im Bett. Ich sprach nicht oft darüber, aber ich hielt es für wahrscheinlich, dass ich letztendlich bettlägerig werden würde. Bei der Arbeit am Schreibtisch zu sitzen, strengte mich an. Dann entdeckte ich eine Art „Null-Schwerkraft-Stuhl“, der wie Stühle der NASA gestaltet war, die während der Raumflüge benutzt wurden. Wenn ich mich ganz nach hinten lehnte, lagen meine Knie oberhalb der Nase, und die Schwerkraft hielt mich im Stuhl. Ich hatte einen für mein Dienstzimmer und einen weiteren für zu Hause. Das half zwar sehr gegen die Müdigkeit, doch so wollte ich mein Leben nicht verbringen. Ich konnte einfach nicht akzeptieren, dass meine Zukunft so aussehen sollte.

       Das Leben wieder in die eigene Hand nehmen

      Dieser Rollstuhl, zu dem ich mich überreden ließ, löste etwas in mir aus. Mir wurde klar, dass die Schulmedizin dem, was mit mir geschah, wahrscheinlich keinen Einhalt gebieten konnte. Ich hoffte immer noch, dass die Paläo-Ernährung etwas bewirken würde, aber bisher hatte sich nicht viel verändert. Ich beschloss, mich wieder der medizinischen Fachliteratur zuzuwenden. Ich wollte wissen, ob es noch etwas gab, einen anderen Weg, etwas, das die Ärzte übersehen hatten. Ich hatte schließlich akzeptiert, dass eine Genesung nicht möglich war, aber vielleicht konnte ich den Krankheitsprozess verlangsamen. Ich wollte nicht mehr, dass die Ärzte über mich bestimmten und sich trotz aller Bemühungen nicht der kleinste Erfolg einstellte. Ich musste selbst mehr mitdenken. Ich schwor mir, jeden Weg zu erforschen, zu studieren und auszuschöpfen, für den Fall, dass es noch irgendeine andere Antwort für mich gab, etwas, das die unvermeidliche Bettlägerigkeit ein wenig hinauszögern würde.

      Ich begann damit, alles über die neuesten klinischen Arzneimittelstudien zu lesen, doch dann wurde mir klar, dass es dabei um Medikamente ging, zu denen ich gar keinen Zugang hatte. Diese Art von Wissen wäre also nur rein theoretisch. Also begann ich, über den Tellerrand zu schauen. Ich wusste, wie Wissenschaft

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