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      Kathrin Hubli

      Kunstprojekt (Mumin-)Buch

      Tove Janssons prozessuale Ästhetik und materielle Transmission

      Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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      Kathrin Hubli

      Universität Zürich

      Deutsches Seminar

      Abteilung für Nordische Philologie

      Schönberggasse 9

      CH-8001 Zürich

       https://orcid.org/0000-0001-6639-7790

      Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Herbstsemester 2016 auf Antrag der Promotionskommission (Prof. Dr. Klaus Müller-Wille (hauptverantwortliche Betreuungsperson) und Prof. Dr. Ingrid Tomkowiak) als Dissertation angenommen.

      DOI 10.2357/9783772056550 BNPh 62 (2019)

      © 2019 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

      Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

      www.francke.de[email protected]

      Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

      ePub-ISBN 978-3-7720-0092-8

Cover

      Danke/Tack!

      Die Arbeit an meiner Dissertation ermöglichte mir, mein Interesse für das Gebiet der Kinder- und Jugendliteratur wissenschaftlich zu vertiefen, viele spannende Menschen zu treffen und an inspirierende Orte zu reisen. Dafür bin ich unendlich dankbar.

      Dem Betreuer und der Betreuerin der Arbeit, Prof. Dr. Klaus Müller-Wille und Prof. Dr. Ingrid Tomkowiak, verdanke ich jede erdenkliche Unterstützung und viele spannende Diskussionen, die meine Dissertation positiv beeinflussten. Jede Phase dieser Arbeit wurde intensiv und professionell betreut. Die Abteilung für Nordische Philologie der Universität Zürich bot mir während der ganzen Zeit ein unterstützendes und inspirierendes Arbeitsumfeld. Für die Förderung des Forschungsprojekts und die grosszügige Unterstützung der Publikation der Dissertation möchte ich mich beim Schweizerischen Nationalfond und bei der Schweizerischen Gesellschaft für Skandinavische Studien bedanken.

      Meiner Familie danke ich für die emotionale Unterstützung, nicht nur während der Arbeit an der Dissertation, sondern auch in den vielen Jahren davor, als dieses Ziel noch in weiter Ferne schien. Meinem Partner gebührt ebenfalls Dank für ganz viel Rückenwind und Motivation.

      Zürich, Mai 2019 Kathrin Hubli

      1. Tove Janssons Spiel mit der Materialität

      Abb. 1:

      Illustrierte Seite aus Hur gick det sen.

      Die Figuren in Tove Janssons Bilderbuch Hur gick det sen? rennen oder hüpfen in schwindelerregendem Tempo durch das Buch, sodass einem dessen Materialität ins Auge springt. Abbildung 1 zeigt den Querschnitt eines Baumstamms, umrahmt von einem Himmel in dramatischem Purpur, von Blitzen durchzogen. Der Baum, so ist dank des Querschnitts zu erkennen, ist das Zuhause der Hattifnattar. Um dies überdeutlich zu machen, prangert am Baumstamm ein weisses Schild mit der Aufschrift: „Hattifnattarnas hus i genomskärning“ „Das Haus der Hattifnattar im Querschnitt“.1 Wie in einer Geisterbahn bietet sich dem Betrachter ein Einblick in einen engen Raum voller furchteinflössender Gestalten. Zahlreiche Hattifnattar, bekanntlich elektrisch aufgeladen, sitzen dicht gedrängt in dem engen Raum. Eine grössere Gruppe befindet sich auf der linken Seite. Rechts sitzen drei Hattifnattar auf Stühlen in einer Runde beisammen, auf ihrem Schoss jeweils eine Tasse. Sie scheinen die Lampe, die über ihnen hängt und den Innenraum hell erleuchtet, mit Strom zu speisen. Mumintrollets und Mymlans Weg führt sie mitten durch diesen bedrohlichen Ort. Die beiden sind auf der rechten Seite zu sehen, wie sie dem Haus der Hattifnattar voller Panik entfliehen. Danach scheinen die beiden ebenfalls elektrisiert, was in der Darstellung bei den Konturen der Figuren deutlich wird, die in Zickzackform gemalt sind. Dadurch vibrieren sie förmlich.

      Querschnittsbilder, so schreibt Elina Druker, wurzeln historisch in der wissenschaftlichen Forschung, wo sie als pädagogische Hilfsmittel dienen.2 Mit ihrer Hilfe werden Sachverhalte veranschaulicht, die nicht direkt sichtbar sind. Im Bilderbuch attestiert Druker ihnen folgende Funktionen: „Genomskärningsbilden i bilderboken har två skilda men angränsande funktioner. Den avslöjar inre, osynliga konstruktioner och visar hur större kroppar eller objekt konstrueras.“3 „Das Querschnittsbild im Bilderbuch hat zwei verschiedene, aber aneinander angrenzende Funktionen. Es offenbart innere, unsichtbare Konstruktionen und zeigt, wie grössere Körper oder Objekte konstruiert sind.“ Abbildung 1 zeigt gar in mehrfacher Hinsicht einen Schnitt: Der (Quer-)Schnitt des Baums ist eine Illusion, während sich mit den Löchern in den Seiten, dem wohl auffälligsten Gestaltungsmittel von Hur gick det sen?, tatsächliche Schnitte im Papier finden. Somit offenbart das Querschnittsbild ebenfalls in mehrfacher Hinsicht normalerweise Verhülltes, wie dies, wie eben erläutert, die Tradition der Querschnittsbilder vorsieht. Neben dem Sichtbarmachen weist Juliane Vogel im folgenden Zitat noch auf einen weiteren Aspekt hin, der das Schneiden beinhaltet. Das Schneiden steht für eine Auseinandersetzung mit dem Gegenstand und für eine Demonstration einer Kontrolle über denselben:

      Wenn statt des Fleisches Papier oder Zelluloid unter das Messer gerät, dann scheinen jene fundamentalen Probleme gelöst, der sich die moderne Geschichte des Schreibens in der Auseinandersetzung mit ihren Objekten zu stellen hatte. Diese lässt sich als eine Geschichte jener Bemühungen lesen, vor allem den Körper durch das Schneiden zu beherrschen […].4

      Durch den Querschnitt des Baums wird im Inneren des Buchs ein weiterer Innenraum offenbar. Dieser ist wie ein Theaterraum gestaltet, mit den Hattifnattar als Zuschauer. Mymlan und Mumintrollet, die Schauspieler, sind dem Theater bereits wieder entflohen. Das Heim der Hattifnattar verfügt als Theater gar über einen gekennzeichneten Eingang (schw. ingång) und Ausgang (schw. utgång). Ferner ist der Boden farblich hervorgehoben, was dessen Eindruck als Bühne stärkt. Mit der überdimensional grossen Lampe ist schliesslich gar eine Theaterbeleuchtung gegeben. Durch diesen (Quer-)Schnitt wird der Inhalt des Buchs bewusst als Fiktion entblösst. Das Material des Baums, Holz, hat diesbezüglich zusätzliche Symbolkraft, ist es doch gleichzeitig auch das Material, aus dem das Buch im weitesten Sinne besteht. Schnitte sind ausserdem in Form von Löchern präsent, die sich auf beiden Seiten der Doppelseiten befinden. Der Eingang und der Ausgang sind tatsächlich durchlässig, perforiert. Mymlan und Mumintrollet preschen durch die Perforationen von Seite zu Seite. Die Perforationen eröffnen einen Weg durch das Buch, welcher in besonderem Masse dessen Dreidimensionalität betont und so ebenfalls die Gegenständlichkeit des Buchmediums. Links neben dem Haus der Hattifnattar schlägt ein Blitz in einen weiteren Baum ein, bringt so das Material sinnbildlich zum Bersten. Somit veranschaulicht das Bild eine Selbstthematisierung der Materialität des Buchs, von Literatur und Buchgestaltung als Kunstform, welche der Konzeption des gesamten Buchs zugrunde liegt. So zeigt Abbildung 1 keineswegs das einzige Querschnittsbild im Buch. Ein weiteres Beispiel ist die Darstellung des Inneren eines Staubsaugers. Besagte Selbstthematisierung wird jedoch im Bild auf die Spitze getrieben, das eine Figur (Verleger, Theaterdirektor oder Regisseur) mit einer Schere zeigt, die, so suggeriert das Bild, dafür eingesetzt wird, um die erwähnten Löcher in das Buch zu schneiden.5

      Das

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