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manifestieren sich letztlich in entsprechenden Abschlüssen, die wiederum Berufs- und Lebenschancen zuweisen. Da der Markt segmentiert und zudem noch hierarchisch gegliedert ist, erklärt sich auch die Selektionsfunktion. Begehrte Bildungstitel und Bildungszertifikate würden ihren Wert verlieren, würden sie ohne Unterschied an alle vergeben werden. Gleichzeitig gilt das meritokratische Prinzip, wodurch am Ende alle das Gefühl haben, dass sie den Platz einnehmen, den sie verdienen. Hinzu kommt, dass Schule nicht nur nach Leistung funktioniert, das hat der PISA-Ländervergleich hinreichend gezeigt, sondern auch nach anderen Gesichtspunkten, welche durchaus zu Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten führen. Dies soll verdeutlichen, dass sich jede Form des „Schulbashings“ oder „Lehrerbashings“ verbietet; solche pauschalen Zuschreibungen gehen an der Realität vorbei. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass die Lehrerinnen und Lehrer die widersprüchlichen Anforderungen deutlich spüren und sich zu ihnen verhalten müssen. So hat beispielsweise die Erwartung, hohe Leistungen aller Schülerinnen und Schüler zu generieren, eine Fokussierung auf Stoffvermittlung zur Folge – zulasten des Erziehungsauftrags, den die Schule ja auch hat. Die Erwartung, möglichst alle zum Erfolg zu führen, impliziert, dass die individuelle Förderung nur in geringem Umfange realisiert werden kann. Insgesamt sind die schulischen Steuerungsformen und Steuerungsinstrumente heute so ausgerichtet, dass sie vor allem die Leistung in den Blick nehmen, und nach Maßgabe der aktuellen Diskussionen sind diese Leistungen vor allem in den naturwissenschaftlich-mathematisch-technischen, den so genannten MINT-Fächern zu erbringen und selbstverständlich in der Verkehrssprache Deutsch. Eine auf den einzelnen Schüler oder die einzelne Schülerin bezogene Individualförderung ist da nur schwer möglich.

      Die Interkulturelle Pädagogik

      Der Bereich der Pädagogik, der am meisten mit den Fragen der Integration von zugewanderten Menschen befasst ist, ist die Interkulturelle Pädagogik, die in den achtziger Jahren das Erbe der in Misskredit geratenen Ausländerpädagogik angetreten hat. An die Stelle der vielkritisierten Defizit-Diagnosen trat der Differenzbegriff; nicht mehr Assimilation oder Rückkehr, sondern Toleranz und Vielfalt sollten Pädagogik orientieren. Gleichzeitig gibt es seit Jahren eine lebhafte Auseinandersetzung um die Bezeichnung Interkulturelle Pädagogik, weil, kurz gesagt, die Kulturalisierung oder kulturelle Überformung einer im Kern gesellschaftlich und politisch zu adressierenden Frage befürchtet wird. Der Vorwurf lautet, dass soziale Ungleichheiten als kulturelle Differenzen verhandelt und damit verharmlost werden. Diese Kritik wurde meiner Erinnerung nach in einem Themenschwerpunkt der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 1998 auf einen ersten Punkt gebracht und dauert seitdem an. Die Lösungen, die seither diskutiert werden, gehen in Richtung allgemeiner Differenzpädagogik, Migrationspädagogik, Antirassistische Pädagogik oder Intersektionalität, um nur einige wichtige Ansätze zu nennen. Gleichzeitig ist aber auch die Auseinandersetzung mit ‚Kultur‘, etwa durch die Cultural Studies, weiterentwickelt und sind verstärkt postkoloniale Impulse aufgenommen worden. Schließlich sollte noch erwähnt werden, dass im Unterschied zur englischen Bezeichnung Intercultural Education, wobei intercultural etwas ungebräuchlicher ist als multicultural, im Deutschen mindestens drei unterschiedliche Bedeutungen von education unterschieden werden: Erziehung, Bildung und Pädagogik, die sich alle drei in education verdichten.

      Obwohl die Interkulturelle Pädagogik nicht nur auf den schulischen Kontext bezogen ist, ist Schule doch ihr zentrales Handlungsfeld, weil in der Schule Zugehörigkeiten verhandelt werden und zwar historisch und systematisch mit Blick auf das nationale Kollektiv. Paul Mecheril hat diesen Komplex als „ethno-natio-kulturell“ (2002) bezeichnet und damit gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass „Kultur“ auch Ethnie und Nation umschließt. Interkulturelle Pädagogik transportiert mithin Vorstellungen unterschiedlicher gesellschaftlicher Normen und Werte und unterstellt nicht selten, dass sich diese in die Subjekte einschreiben und sie maßgeblich prägen; dass sie sozusagen somatisch werden. Diese Vorstellung spielt in der Praxis noch immer eine große Rolle, wenn sie in der theoretischen Diskussion auch weitgehend als überwunden gilt, denn ein solcher Determinismus widerspricht einer zentralen These von ‚Bildung‘, der zufolge es um das Verhältnis von Ich und Welt geht und dies wiederum bedeutet, dass Bildung befähigt, sich zur Welt zu verhalten und damit auch zu unterschiedlichen Werte- und Normensystemen, die eben nicht einfach übernommen, sondern reflektiert und angepasst werden. Die Interkulturelle Pädagogik trägt das schwierige Erbe naturalisierter nationaler Imaginationen und folgt im Kern einer „Kugel-“ oder „Sphärenlogik“ (vgl. dazu auch die „Sphärentrilogie“ von Peter Sloterdijk 2004).

      Der postmoderne Differenzdiskurs, der für die Entwicklung der Interkulturellen Pädagogik in Deutschland eine nicht unwichtige Rolle spielte, führte oft zu verkürzten Interpretationen von „Differenz“ gerade nicht im Sinne von Deleuze und Guattari oder Derrida. Stattdessen wurde sie zur Stabilisierung des Kugelmodells herangezogen, das unterstellt, dass (National-)Kulturen als abgeschlossene, um nicht zu sagen „abgedichtete“ (hier lassen sich zwei Wortbedeutungen von „Dichtung“ erkennen) Einheiten vorgestellt werden, die sich klar und eindeutig voneinander differenzieren lassen. Es ist daher auch kein Wunder, dass die Unterscheidung von „eigen“ und „fremd“ im Sinne von „anders(artig)“ einen zentralen Topos in den interkulturellen Pädagogikdiskursen markiert, in der Theorie und in der Praxis. Historisch hat Marianne Krüger-Potratz (2005) für Deutschland gezeigt, dass die Sprachenpolitik bereits im neunzehnten Jahrhundert ein wichtiges Thema war. Welche Rechte hatten die Minderheiten, die Sorben und die Dänen, welche die polnischen Migranten, die ins Ruhrgebiet eingewandert waren? In der Zeit der Nachkriegsarbeitsmigration war die Integration der entlarvenderweise so bezeichneten „Gastarbeiter“ und „Gastarbeiterkinder“ bei gleichzeitiger „Rückkehroption“ Thema (der Ausdruck ‚Fremdarbeiter‘ stand auch zur Diskussion, wurde dann wegen seiner nationalsozialistisch belasteten Geschichte aufgegeben). Hier wurde zuerst diskutiert, ob die „Gastarbeiterkinder“ überhaupt der Schulpflicht unterliegen – ähnlich wie dies bei geflüchteten Kindern heute teilweise noch immer der Fall ist. All dies zeigt, dass in pädagogischen Feldern gesellschaftliche Kämpfe ausgetragen werden, dass dieses Ringen um Definitionen keineswegs trivial, sondern symptomatisch für die stakes ist, für das, was auf dem Spiel steht, für den Einsatz im Bourdieu’schen Sinne. Der Differenzbegriff, stärker als der Defizitbegriff, den er in der Interkulturellen Pädagogik ablöst, aber eigentlich eher überlagert, eignet sich hervorragend, um Grenzziehungen und Abgrenzungen vorzunehmen und damit die „Anderen“ auf eine bestimmte Position festlegen. Und wenn man es genau bedenkt, ist der Begriff „Kinder mit Migrationshintergrund“ nur unwesentlich besser als „Gastarbeiterkind“, weil auch hier ein Somatischwerden der Differenz, eine fast leiblich zu nennende Einschreibung zum Ausdruck gebracht wird, die als permanenter Marker bestehen bleibt. Differenzbildungen und Othering-Prozesse bilden einen engeren Zusammenhang, als es der offiziellen Konzeption der Interkulturellen Pädagogik lieb ist, die sich mit Differenz nicht nur vom Defizitbegriff der „Ausländerpädagogik“ absetzen will, sondern auch die überkommenen Assimilationsan- und -zumutungen abwehren möchte, aber gleichzeitig oft nicht vermeiden kann, dass die Furcht vor Assimilation die zugewanderten Menschen dauerhaft in Distanz zur Aufnahmegesellschaft bringt.

      Ich begrüße vor diesem Hintergrund sehr, dass die Kolleginnen Dorothee Kimmich und Ingrid Hotz-Davies den Ähnlichkeitsgedanken stark machen und damit die entweder / oder-, ja / nein-Dichotomie des (trivialen) Differenzbegriffs irritieren zugunsten eines mehr oder weniger, also einer feineren Abbildung von Graden der Unterschiedlichkeit. Auf jeden Fall geht es darum zu illustrieren, dass unsere Begriffe nicht unschuldig sind; sie prägen unsere Wahrnehmungsmuster und Denkweisen. Deshalb ist es wichtig, die Begriffswahl zu reflektieren. Noch eine letzte Bemerkung in diesem Zusammenhang: Ähnliches wie das, was sich zu „Gastarbeiterkind“ oder „Schüler mit Migrationshintergrund“ anmerken lässt, gilt auch für den ebenfalls sehr umstrittenen Begriff des „Flüchtlings“. Im Unterschied zum englischen refugee, bei dem sehr viel stärker der Akzent auf refuge, also Zuflucht liegt, und refugee also anders als escapee beinhaltet, dass hier das Zufluchtgewähren, der sichere Ort, in den Blick genommen wird, ist der Begriff des Flüchtlings gleich aus mehreren Gründen, die beispielsweise im Bremer Sprachblog www.sprachlog.de/2012/12/01/fluechtlinge-und-gefluechtete/

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