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begann zu rasen. Und irgendwo läuft ein Mörder rum.

      Sophie saß mit den anderen Kursteilnehmern im Bistro. Bis auf Biene und Bärchen waren alle da. Während sie auf Olli und Ben warteten, jammerten sie über ihren Muskelkater. Die Berliner hatten wieder eine ordentliche Fahne. Sie mussten noch das eine oder andere Bier vernichtet haben. Indie und Wolf konzentrierten sich auf ihr Müsli. Hier kam als Mörder niemand in Frage, da war Sophie sich sicher. Clara betrat das Bistro. Ohne einen Gruß schritt sie durch die Gaststube und setzte sich an einen Tisch in der Ecke. Sophie beobachtete sie unauffällig. Clara wirkte nervös und schlecht gelaunt. Ihre Hände zitterten leicht, als sie sich eine Zigarette anzündete. Mürrisch blies sie den Rauch aus und blickte sich herablassend um. Eigentlich ist sie ziemlich hübsch, dachte Sophie. Aber ihre arrogante Mimik ließ sie unsympathisch wirken. Sie musste irgendwie dahinterkommen, was für eine Frau Clara wirklich war. Sie war die härteste Konkurrentin von Sarah gewesen, doch würde sie wirklich so weit gehen? Außerdem passte eine Konkurrenzgeschichte nicht zum ersten Mord. Und da war ja noch die Sache mit dem Sex. Clara winkte Hanjo zu. Er griff sich die Kaffeekanne und ging zu ihr. Beide unterhielten sich kurz, doch es war nichts zu verstehen. Sophie konnte nicht mal ihre Gesichter sehen. Hanjos Rücken verdeckte Clara. Nach ein paar Minuten kam Hanjo mit der Kanne zu ihrer Gruppe und füllte die Tassen auf.

      »Die Jungs kommen gleich. Tut mir leid, dass ihr warten müsst. Der Kaffee geht aufs Haus.« Hanjo machte kehrt und Pelle hängte sich sofort an seine Fersen.

      »Pelle!« Ihr Hund sah sie unschuldig an.

      »Ach, lass ihn doch!« Hanjo grinste. »Ich gebe ihm auch nur ein klitzekleines Stückchen.«

      Sophie lachte und gab ihren Segen. Schließlich hatte Pelle auch Urlaub. Die Berliner grölten plötzlich los. Olli und Ben kamen durch die Tür.

      »Hey, wir sind die Kaputten, die sich rechtzeitig aufgerafft haben, trotz des Muskelkaters!«, rief Zecke lachend. Die Jungs aus Berlin machten eine Vier-Mann-La-Ola.

      »Schön locker bleiben!« Ben lächelte in die Runde. »Wir haben euch schon mal die Kites an den Strand geschleppt, damit wir wieder etwas Zeit reinholen. Na, wegen gestern. Ihr solltet uns dankbar sein!«

      Olli nickte bestätigend. Wirklich zwei süße Kerlchen, stellte Sophie erneut fest. Wie viele Frauen wickelten die in einer Saison wohl so um den Finger?

      »Jedenfalls seid ihr ja jetzt fit, oder? Hanjos Kaffee ist die reinste Medizin!« Ben klopfte auf den Tisch. »Los! Rein in die Anzüge! Wir sind gleich bei euch.«

      Mit lautem Möbelrücken standen alle auf. Pelle kam sofort aus der Küche gerannt. Hanjo folgte ihm. »Da seid ihr ja endlich. Hab mir fast schon Sorgen gemacht.«

      »Wir haben schon mal alles vorbereitet. Schließlich sind wir in Verzug und wir wollen doch heute noch möglichst viele auf dem Brett stehen sehen. Wir bringen dir die Truppe zum Mittagessen zurück. Und zwar sehr hungrig!«

      »Ach, Junge!« Hanjo wandte sich an Olli. »Die Zeitung liegt in der Küche.« Olli sah ihn merkwürdig an. »Na, die Sonntagszeitung. Die wolltest du doch unbedingt haben.«

      Sophie wurde aufmerksam. Sie erinnerte sich, dass in dem dünnen Blättchen eigentlich nur der Artikel über die ertrunkenen Frauen interessant gewesen war. Der Rest der Zeitung bestand vor allem aus Anzeigen.

      »Was ist denn mit der Zeitung?«, fragte sie Olli lächelnd. Er zuckte mit den Schultern. »Nichts Besonderes. Ich steh auf Kreuzworträtsel!«

      Sophie nickte und folgte der Gruppe. Kreuzworträtsel? Oder wollte er gerne was fürs Erinnerungsalbum?

      Ben stupste Olli kumpelhaft in die Seite. »Wieder so ein geiles Wetter! Wenn der Wind so bleibt, könnten wir heute Abend noch mal raus.« Olli reagierte nicht. Mit gesenktem Blick schlurfte er neben ihm her. »Olli?«

      »Was? Ich hab nicht zugehört. Ich bin noch ziemlich von der Rolle. Ich meine, sie ist tot! Endgültig weg!«

      Ben sah ihn mitfühlend an. Er überlegte eine Sekunde, dann fragte er. »Bist du … einfach nur erschüttert, dass sie tot ist, oder …« Er blieb stehen und sah dem Kumpel direkt ins Gesicht. »Hast du sie wirklich so sehr geliebt?« Ollis schmerzverzerrter Blick sprach Bände. »Glaubst du wirklich, ihr hättet auf Dauer zusammengepasst? Ihr wart so … verschieden. Nicht, dass ich Sarah wirklich gut kannte, aber es fällt mir schwer zu glauben, dass ihr mal zusammen alt werden wolltet.«

      »Ich hatte gerade damit angefangen, mir genau das zu wünschen.« Olli kicherte nervös. »Und sie hatte wohl gerade damit aufgehört. Wenn sie es überhaupt jemals ernst gemeint hatte.«

      Ben fühlte sich elend. Sarah hatte es nie und nimmer so ernst gemeint wie Olli, das wusste er genau. Alles, was er im Moment tun konnte, war seinen Kumpel abzulenken. Wie sollte gerade er ihm wirklich helfen können? »Na, los!«, sagte er deshalb aufmunternd. »Wir machen heute einen Spitzenjob, und du versuchst, in den nächsten Stunden nicht mehr an Sarah zu denken.«

      »Ist wahrscheinlich ne gute Idee. Voller Arbeitseinsatz als Ablenkung!«

      Ben und Olli waren bei ihren Gruppen angekommen. Alle Schüler waren umgezogen und sahen sie erwartungsvoll an. Ben übernahm das Kommando. »Alles wie gestern! Nehmt euch zu zweit einen Kite vor. Versucht, den Schirm im Team aufzubauen. Wir checken dann alles mit euch zusammen noch mal. Die Fortgeschrittenen holen sich bitte vorher noch ein Board. Sie liegen an der Hütte. Alles klar?«

      Die Schüler nickten und nahmen sich das Equipment vor. Nur die hübsche Sophie lief etwas orientierungslos herum. Wahrscheinlich wartete sie auf Olli. An ihr sah der alte Neoprenanzug aus wie Haute Couture. Ihr Gang machte den schmalen Strand zu einem Laufsteg. Ben fragte sich, ob sie tatsächlich mal gemodelt hatte. Er schloss den Rückenreißverschluss seines Anzugs und trottete zu den Fortgeschrittenen. Wie Olli kontrollierte er die Knoten an den Kites und predigte immer wieder die einzuhaltenden Sicherheitsmaßnahmen herunter. Ben ertappte sich dabei, dass sein Blick immer wieder zur Anfängergruppe schweifte und er nach Sophie suchte. Vielleicht sollte er einfach einmal mutig sein und sie fragen, ob sie mit ihm essen gehen wollte. Er hätte gerne die Gruppen getauscht. Olli hatte im Moment sowieso kein Auge für Frauen. Diese Sophie entsprach aber auf jeden Fall Ollis Beuteschema. Und seinem definitiv auch, gestand er sich ein. Er wollte sich nie wieder in eine Frau verlieben, die ihn an Thailand erinnern würde. Wie lange würde Sophie wohl noch auf der langweiligen Ostseeinsel bleiben?

      Sophie baute ihr Equipment gewissenhaft zusammen. Sie checkte jeden Knoten und jede Leine dreimal, bevor sie Olli zuwinkte.

      »Schon fertig?«

      Sophie nickte stolz.

      »Na, dann lass mal sehen!«

      Während er ihren Kiteschirm kontrollierte, studierte sie heimlich sein Gesicht. Olli war wirklich attraktiv. Mit Sicherheit interessierten sich nicht weniger Frauen für ihn als für Ben. Hatte er seine Freundin umgebracht?

      »Und? Was glaubst du?«

      Sie sah ihn erschrocken an. Er konnte unmöglich Gedanken lesen. Hatte sie etwa laut ausgesprochen?

      »Was ist?« Olli war verwirrt. »Hey! Hast du einen Geist gesehen? Ich wollte nur wissen, ob du glaubst, dass du alles richtig aufgebaut hast!«

      Sophie nickte erleichtert. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich selbst. »Ich bin alles noch dreimal durchgegangen.«

      »Ist auch alles perfekt! Los dann!«

      Er half ihr, den Schirm im Wasser zu starten. Sophie ließ ihn in kleinen Achten am Himmel kreisen. Sie fühlte sich sicher. Der Wind war gleichmäßig. Olli erklärte ihr ein letztes Mal, was sie beim Bodydragging zu beachten hatte. Sophie atmete noch einmal tief durch und lenkte den Kite dann in einem weiten Bogen in die Powerzone. Die ungeheure Kraft zog sie nach vorne. Sie schoss auf dem Bauch durch das Wasser. Sophie ließ den Drachen nicht aus den Augen. Sie zog ihn wieder nach unten und gleich wieder hoch, um ihm neue Kraft zu geben. Nach 100 Metern ließ Sophie den Schirm abstürzen. Sie hatte Angst, sich zu weit von den anderen zu entfernen.

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