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Tatort Ostsee. Harald Jacobsen
Читать онлайн.Название Tatort Ostsee
Год выпуска 0
isbn 9783734994883
Автор произведения Harald Jacobsen
Жанр Триллеры
Издательство Автор
»Das war total bescheuert!«, sagte Sophie. Ben sah sie merkwürdig an.
»Was denn?«, fragte Olli neugierig. Beide drehten sich erschrocken um.
Sophie fing sich zuerst. »Ach, gar nichts! Ich war ein bisschen nachlässig. Mein, ähm, mein Kite war nicht genügend gesichert und jetzt hat Ben mir noch mal den Marsch geblasen. Und ich gelobe hiermit feierlich Besserung!«
»Sehr brav!«, lachte Olli. Der Cognac tat seine Wirkung. Er fühlte sich lockerer. »Ben, die Schüler warten sicher irgendwo auf uns und das Equipment muss auch noch abgebaut und verstaut werden. Vielleicht sollten wir eine Kiste Bier ausgeben und die Leute auf morgen vertrösten.«
Ben nickte. »Gute Idee! Lass uns für heute Schluss machen.«
Sophie rief ihren Hund zu sich. »Die anderen warten auf dem Deich. Soll ich ihnen verraten, dass ihr einen ausgeben wollt?«
Olli nickte. »Ja, tu das! Und fangt doch schon mal an, die Luft aus den Kites zu lassen und die Knoten zu lösen.«
»Zu Befehl!« Sophie machte kehrt und joggte mit Pelle davon.
»Seit wann hältst du Standpauken? Sie ist Anfängerin und hat das heute klasse gemacht!«
Ben nickte. »Das mit den Bullen hat mich wahrscheinlich irgendwie aus der Bahn geworfen. Ich werde mich gleich bei ihr entschuldigen.«
»Ja, tu das. Sie ist wirklich richtig nett. Apropos Bullen … Hast du was von mir und Sarah erzählt?«
»Was meinst du?« Ben sah ihn entsetzt an.
»Du weißt schon. Dass wir mehr oder weniger zusammen waren.«
»Versteh ich dich gerade richtig? Du hast nichts davon erzählt? Sag mal Olli, bist du eigentlich bescheuert? Spätestens Clara wird ihnen das mit Genuss aufs Brot schmieren. Warum hast du das verschwiegen? Mann! Du bringst dich selbst in Schwierigkeiten!«
Clara! Die hatte er total vergessen. Olli bemühte sich, die aufkommende Panik zu unterdrücken. »Ich bin ein Idiot!«, antwortete er so gelassen wie möglich. »Ich war so durcheinander und rede noch mal mit den Bullen. Und nun lass uns die Kiste holen und zum Strand gehen. Unsere Truppe hat sich ein Bier verdient und wir können auch eins vertragen.«
Olli fühlte sich grauenhaft. Zumindest hatte Ben der Polizei nichts gesagt. Und das Problem mit Clara würde er auch irgendwie lösen.
Sophie lief zurück zu den anderen. Bevor sie zu Wort kam, maulte Bienchen los. »Frisst dein Hund immer so langsam?«
»Wir haben noch ein bisschen Ball gespielt!«
Bienchen sah sie verständnislos an und drehte sich zu Bärchen. »Hast du das gehört? Hier läuft ein Killer frei herum und sie spielt Ball!«
Bärchen grunzte. Sophie setzte ihr Modelgesicht auf. »Bärchen scheint sich für deine Paranoia nicht besonders zu interessieren, oder? Na egal. Leute! Was passiert ist, ist schrecklich! Aber Olli und Ben können schließlich nichts dafür. Die beiden werden in fünf Minuten mit einer Kiste kaltem Bier hier sein.« Die Berliner johlten und Bärchen klatschte begeistert. »Vielleicht fällt uns gemeinsam ja noch was ein«, gab sie zu bedenken. »Wir sollen schon mal damit anfangen, die Ausrüstung abzubauen.«
Alle sprangen auf, klopften sich den Sand ab und machten sich ans Werk. Als Ben und Olli auftauchten, waren sie fast fertig. Gemeinsam brachten sie das Equipment zu den Schuppen. Eine halbe Stunde später hielt jeder ein kaltes Bier in der Hand.
»Tut mit leid, dass der Nachmittag anders gelaufen ist als geplant«, entschuldigte sich Ben. »Wir können euch nur anbieten, den Kurs morgen früh fortzusetzen. Wenn jemand aufgrund der Umstände nicht weitermachen möchte, kriegt er natürlich die Kohle für heute zurück.«
Sophie hatte einen Kloß im Magen. Warum hatte sie Ben nach Sarah gefragt? Sie hatte sich aufgeführt wie eine schlechte Privatdetektivin. Vielleicht hatte er Sarah in der Nacht noch gesehen, aber was hieß das schon? Sie hatte es gründlich vermasselt. Ihr war schleierhaft, wie sie Ben gegenübertreten sollte, falls er überhaupt noch mit ihr reden würde. Deprimiert zündete sie sich eine Zigarette an und schloss die Augen. Die Sonne schien ihr tröstend auf das Gesicht. Sie war eine dumme, neugierige Gans. Warum genoss sie nicht einfach ihre Ferien? Es würde sie von Felix ablenken. Niemand wollte, dass sie hier rumschnüffelte. Nicht mal die Polizei! Erst, als Pelle seine kalte Nase an ihre Wange stupste, öffnete sie ihre Augen wieder. »Zisch ab!«
»Wie du meinst.«
Sophie blinzelte gegen die Sonne. Ben grinste sie an.
»Ich habe Pelle gemeint.«
»Na, da bin ich aber froh!« Er ließ sich in den Sand fallen.
»Ich hatte schon Angst, dass du wegen meines dummen Spruches sauer bist«, sagte Sophie.
Ben nickte ernst. »Ehrlich gesagt verstehe ich wirklich nicht, was das sollte. Aber dass du dumme Witze machst, nehme ich dir nicht ab!«
Sophie fühlte sich ertappt.
»Was sollte das? Glaubst du, ich könnte möglicherweise ab und zu mal eine Frau ertränken? Wie ist deine Theorie? Ist es dem Spinner Ben vielleicht ein bisschen zu langweilig auf Fehmarn? Nach seinem aufregenden Leben auf Phuket?«
»Ben, ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Es tut mir ehrlich leid und ich würde alles tun, es ungeschehen zu machen.«
»Alles? Gut zu wissen! Jetzt aber mal im Ernst. Die Bullen glauben, dass Sarah nicht nachts bei einem Unfall in der Ostsee ertrunken ist. Aber was dann? Warum sollte jemand Sarah ermorden?«
Sophie schüttelte seufzend den Kopf. Das war die entscheidende Frage. Warum Sarah?
18
Hanjo schloss die Bistrotür ab und hängte das ›Geschlossen‹-Schild auf. Ihm reichte es für heute. Die Polizei hatte den ganzen Nachmittag seine Küche blockiert und das dreckige Geschirr stand noch auf den Tischen. Er musste die ganze Schweinerei dringend in Ordnung bringen. Aber vorher würde er sich einen Schluck gönnen. Er schenkte sich einen Rum ein und betrachtete die Flasche fast liebevoll. Sein Treibstoff! Was hätte er die letzten Wochen wohl ohne seine Medizin gemacht? Hanjo kippte den Schnaps mit einem Schluck runter. Sein Hals brannte angenehm und sein Magen wurde warm. Er schüttelte den Kopf. Sie suchten einen Mörder, das hatte dieser Kommissar doch gemeint. Auf Fehmarn! Wäre die Sache nicht so ernst, hätte er gelacht. Hier starb man, weil man alt oder krank war. Sicher gab es auch Unfälle. Es waren schon Bauern vom Mähdrescher gefallen oder Fischer vom Kutter. Einige hatten sich totgesoffen und ein paar Menschen waren auch ertrunken. Und nun hatte die Polizei ihn befragt. Ob ihm irgendetwas ungewöhnlich vorgekommen sei in den letzten Tagen. Er hatte ihnen versichert, rein gar nichts mitbekommen zu haben. Schließlich machte er die ganze Arbeit im Moment allein und sah nichts anderes als sein Bistro. Abends fiel er todmüde ins Bett. Hanjo atmete tief durch und klatschte in die Hände. An die Arbeit, munterte er sich auf und machte sich ans Werk. Nach einer halben Stunde war das Bistro wieder in dem Zustand, den Freya abgesegnet hätte. Er musste sich dringend um den Garten, ihr Paradies, kümmern. Die Abendsonne ließ die Farben der Bucht intensiv aufleuchten. Freya hatte diese Stimmung geliebt, aber sie hatten viel zu selten die Zeit gehabt, im Garten zu sitzen und einfach nur ein Glas Wein zu trinken. Hanjo holte Harke und Eimer aus dem Schuppen. Wie besessen rupfte er das Unkraut aus und schnitt die verblühten Rosen ab. Er brauchte fast eine Stunde, bis er den kleinen Garten wieder auf Vordermann gebracht hatte.
»Sind die Rosen in diesem Jahr nicht besonders schön?«, fragte er laut. Erschrocken zuckte er zusammen. Er würde keine Antwort bekommen. Er war allein. Sie würde ihn nicht auf die Wange küssen und glücklich zustimmen. Sie würden auch keinen Wein zusammen trinken und gemeinsam den Tag ausklingen lassen. Was immer sein Leben ihn auch hatte ertragen lassen, ohne sie war es kaum noch auszuhalten. Jetzt platzten die alten Wunden wieder auf. Zumindest hatte er ihr in den letzten Stunden beistehen können. Freya war in seinen Armen eingeschlafen.