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      Behutsam streckte ich meine Hand erneut nach ihr aus und streichelte ihr samtweiches, glänzendes Fell an Kopf und Rücken. Es schien ihr zu gefallen, denn wie zum Dank begann sie an meinem Finger zu lecken und verursachte bei mir ein angenehmes Kitzeln und Kribbeln. Ganz und gar versunken in meiner eigenen Welt erschrak ich ein wenig, als ich plötzlich wieder die Stimme des Alten hinter mir vernahm.

      »Ah, ich sehe, ihr mögt euch«, verkündete er mit einem Grinsen. Ich drehte meinen Kopf zu ihm und musste gar nichts mehr sagen, denn mein Lächeln verriet mehr als tausend Worte.

      »Das ist eine kleine Bengalkatze«, fuhr er fort. »Sie gehört wohl zu einer der hübschesten Zuchtkatzen, die die Ursprünglichkeit einer Wildkatze mit dem sanften und anhänglichen Wesen einer Hauskatze in sich vereinen.«

      Da konnte ich ihm nur zustimmen. So wild und gefährlich sie doch schien, so verschmust war sie auch – einfach die perfekte Mischung. »Diese Rasse, die es erst seit etwa 30 Jahren gibt, zeichnet sich durch das getupfte, leopardenähnlich Fell aus.«

      »Etwas ganz Besonderes also …«, murmelte ich in Gedanken.

      Meine Mutter sprach schließlich die Frage aus, die auch ich mir bereits gestellt hatte.

      »Wow, so eine besondere Rasse. Die ist sicher nicht zu verkaufen, oder?«

      Obwohl Mr. Charles noch nicht geantwortet hatte, verabschiedete ich mich bereits von dem Gedanken, die Kleine mit nach Hause zu nehmen und ich wurde unweigerlich traurig. So war ich umso erstaunter, als der Züchter erklärte:

      »Sie haben Recht, es ist ein ganz besonderes Tier und liegt mir sehr am Herzen. Trotzdem möchte ich sie ihnen gerne gegen einen kleinen Aufpreis für meine mühsame Erziehung überlassen.«

      Überrascht blickte ich zu ihm auf. Habe ich richtig gehört? Als ich das nette Lächeln des Züchters sah, füllte sich mein Herz mit Freude und ich war einfach nur glücklich. Auf die Frage, ob ich sie denn auch haben wollte, antwortete ich ohne Nachzudenken mit einem »Liebend gerne!« Ich musste mir die anderen Katzen gar nicht mehr ansehen, so sicher war ich mir. Dieses Tier hatte einfach das gewisse Etwas.

      »Schön, dann müssen sie sich nur noch einen Namen für die Kleine ausdenken. Das wollte ich dem zukünftigen Besitzer vorbehalten.«

      Vor mir hatte sich das gefleckte Fellknäul auf den Bauch gelegt, die Vorderpfoten parallel nach vorne ausgestreckt und den Hals aufrecht in die Höhe gestreckt. Sie sah aus wie eine Sphinx aus dem alten Ägypten, so majestätisch wie Cleopatra.

       Meine Cleopatra.

      KAPITEL 5 – LAUF UM DEIN LEBEN

       Samstagmorgen – wie sehr ich ihn liebe.

      Der Wecker auf meinem Nachttisch zeigte bereits 12:50 Uhr. Dennoch machte ich keine Anstalten, mein warmes Bett zu verlassen. Ich hatte mir die Bettdecke bis zur Nasenspitze gezogen und ließ mich von den seitlich einfallenden Lichtstrahlen wärmen.

      Am Ende des Bettes hatte sich Cleopatra zu einem Fellknäul zusammengerollt und schien ebenfalls die Wärme der Sonne zu genießen. Meine Eltern waren das ganze Wochenende über verreist – es war also so still im ganzen Haus, dass ich mühelos die kleinen Atemzüge meiner Katze hören konnte.

      Ich wäre wahrscheinlich wieder eingeschlafen, hätte nicht plötzlich das Telefon geklingelt und mich aus meinen Tagträumen gerissen. Schnell sprang ich auf, sprintete die Treppe hinunter und nahm den Hörer ab. Wer mich um diese Zeit anrufen würde, hätte ich mir eigentlich bereits denken können: meine Mutter wollte sich erkundigen, ob bei mir auch alles in Ordnung war.

      Nachdem ich ihr versichert hatte, dass es mir bestens ging, konnte ich endlich auflegen und zurück in mein Zimmer schlurfen. Ich war wirklich kein guter Frühaufsteher. Auf halbem Weg die Treppe hoch kam mir Cleopatra entgegen. Sie musste von dem Klingeln des Telefons aufgeschreckt sein und hatte jetzt bestimmt großen Hunger. Vorsichtig nahm ich sie auf den Arm, ging mit ihr in die Küche, füllte ihren Napf auf und schob mir einen Toast in den Toaster.

      In Gedanken schaute ich dem kleinen Wesen einige Minuten beim Fressen zu und ging dann ins Wohnzimmer, riss die Tür auf und ließ mich von den Sonnenstrahlen und der duftenden Luft verzaubern. Endlich war die unerträgliche Sommerhitze nicht mehr da. Die drückende Heißluft war erfrischender Herbstluft gewichen und die Sonnenstrahlen kitzelten sanft auf meiner Haut. Ich stand einen langen Moment einfach nur so da, atmete die Frische ein und lauschte dem Zwitschern der Vögel. Ich würde mich wirklich schneller an das Landleben gewöhnen als ich gedachte hatte.

      Erst als ich die Augen wieder öffnete, erkannte ich mit Schrecken, dass Cleopatra an mir vorbei geschlichen war und sich bereits in der Wiese des Gartens tollte. Eigentlich war ja nichts dabei – sie war ja keine Hauskatze – aber der Züchter hatte uns extra darauf hingewiesen, dass es wichtig wäre, sie erst mal nicht aus dem Haus zu lassen, damit sie sich an die Umgebung gewöhnen konnte.

      Schnell lief ich auf sie zu, um sie auf den Arm zu nehmen, doch das wendige Tier schaffte es, sich aus meinem Griff zu befreien und verschwand noch tiefer im Garten. Unsicher blickte ich mich um.

       Was soll ich tun? Sie hat noch kein Vertrauen zu mir aufgebaut, sie kommt nicht, wenn ich ihren Namen rufe.

      Immer weiter folgte ich ihr durch den Garten und vergaß dabei völlig, dass ich weder Schuhe noch richtige Klamotten trug, sondern barfuß im Schlafanzug durch die Wiese schlich. Gut, dass es weit und breit keine Nachbarn gab und keine Gefahr drohte, gesehen zu werden. Mit welchen Tricks ich es auch versuchte, die Kleine wollte einfach nicht auf mich hören und schien Gefallen an der neuentdeckten Freiheit gefunden zu haben. Sie sprang über kleine Äste, rollte sich durch das Gras und schnupperte an jeder Blume, die ihren Weg kreuzte. Niedlich war der Anblick schon, doch die Angst wollte mich einfach nicht verlassen.

      Am Rande unseres Grundstücks schlängelte sich ein kleiner Bach durch die Wiese. Immer näher tapste Cleopatra darauf zu und ich konnte sie nicht aufhalten. Niemals hätte ich gedacht, dass mir dieser Gedanke an diesem Wochenende kommen würde, doch in diesem Moment wünschte ich mir wirklich, dass meine Eltern zu Hause wären.

      Verzweiflung machte sich breit, als das kleine Fellknäul nun direkt auf den Bach zulief und mit leichten Schritten von Stein zu Stein sprang, um das Gewässer zu überqueren.

       Sind Katzen nicht wasserscheu?

      Sie schien der Libelle zu folgen, die etwa einen Meter über ihr in den Wald schwirrte und ganz zu vergessen, dass Katzen eigentlich kein Wasser mögen. Unsicher, was ich tun sollte, lief ich so schnell mich meine Beine trugen ins Haus zurück und holte ein Stück Wurst als Köder. Wieder im Garten angekommen, war von Cleopatra weit und breit nichts mehr zu sehen. Unweigerlich stiegen mir Tränen der Angst in die Augen. Angst, sie nach so kurzer Zeit bereits wieder zu verlieren.

      Etwas ungeschickt versuchte ich die Eleganz des Tiers zu imitieren und von Stein zu Stein ebenfalls über den Bach zu gelangen. Einmal trat ich daneben und landete bis zu den Knien im Wasser, doch das hinderte mich nicht daran, mit meiner Suche fortzufahren. Auf der anderen Seite angekommen, musste ich mir erst mal einen Weg durch die vielen Dornen und Brennnesseln bahnen, wobei ich immer wieder so laut ich konnte »Cleopatra« rief und ab und zu ein Stück Wurst verteilte, um eine Spur zurück zum Haus zu legen.

      Es war wirklich dumm gewesen zu denken, das Bächlein würde ausreichen, um ungebetene Gäste von dem Grundstück fern zu halten und um Haustiere am Ausbruch zu hindern. Es war ein Leichtes, das Gewässer zu überqueren, wenn man nicht gerade wasserscheu war. Nach etwa fünf Minuten hatte ich die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben, doch ich brachte es trotzdem nicht übers Herz, die Kleine einfach sich selbst zu überlassen und zum Haus zurückzukehren.

      Zum ersten Mal seit dem Umzug dachte ich plötzlich an Julien, meinen Ex-Freund. Mit ihm an meiner Seite wäre das Ganze nur halb so schlimm gewesen. Der Gedanke erschreckte mich, denn ich hatte gedacht, dass ich ihn bereits völlig aus meinem Herzen verdrängt hatte. Anscheinend war dem nicht so. Es fiel mir schwer, in dieser

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