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Der Sicherheitsdienst könnte Alarm schlagen.

      ,Improvisiere‘, hatte ihr die Stimme geraten und Rose improvisierte. Sie hatte die Sackkarre aus dem Hausmeisterfundus mit Reinigungsutensilien und Putzlappen beladen. Das kompakte Paket ruhte unter dem aufgetürmten Kram. Rose zog die Karre mit einem sichtbaren Hinken über den Asphalt. Einer flüchtigen Überprüfung würde die Tarnung standhalten.

      Die Cargo Maschine wartete im Regen wie ein riesiges Insekt. Rose hatte den Technikern, die das Flugzeug gewartet hatten, zugenickt. Die Männer vertrieben ihre Müdigkeit mit einem Kartenspiel. Die Halle war grell beleuchtet. Jedes Geräusch klang hohl und verursachte ein Echo. Kaum jemand nahm Notiz von der müde dahin schlurfenden Putzkraft. Sie war auf dem Gelände, also gehörte sie dazu. Rose war zusammen mit Gwendolyn, einer Asylbewerberin aus Gabun eingeteilt. Asylbewerber hatten keine Arbeitserlaubnis. Das wusste auch die Reinigungsfirma. Frauen wie Gwendolyn waren erpressbar und arbeiteten für einen Hungerlohn, ohne sich zu beschweren. Gwendolyn war dankbar, dass Rose ihre Schicht mit übernahm. Gerade gewartete Maschinen waren immer sauber und man konnte mit ein paar Handgriffen den Eindruck erwecken, man habe geschuftet wie ein Sklave. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen.

      Gwendolyn würde jetzt neben ihrem kleinen Jungen schlafen und trotzdem Geld verdienen, weil Rose, die gutherzige Rose ihr gesagt hatte, sie solle einfach zu Hause bleiben und sich um ihren Jungen kümmern.

      Rose wusste, dass sie den Aufseher der Putzkolonne nicht antreffen würde. Zu schlechtes Wetter, um im Freien auszuharren und zu leckerer Gin im Aufenthaltsraum der Servicekräfte. Rose hatte mit Ben telefoniert, nachdem sie auf dem Gelände war. Ben war ein großmäuliger Tunichtgut, der jede Gelegenheit nutzte, um nicht arbeiten zu müssen. Er hatte nach dem Anruf die Transportluke des Flugzeugs geöffnet und für Rose offenstehen lassen. Sollte sich die Putze bei dem Sauwetter den Tod holen. Dieses Frauenzimmer musste nicht überwacht werden. Was sollte sie schon Schlimmes anstellen. Einen terroristischen Anschlag ausführen? Lächerlich. Ben gestikulierte in Richtung seines Glases und nahm noch einen Doppelten.

      Rose schloss die Transportluke, die ihr riesiges Maul mit einem metallischen Mahlen zuklappte. Rose horchte in die Stille. Sie war allein.

      Die 747-8 F Triebwerke von General Electric waren durch einen Wartungstunnel zu erreichen. Rose hatte die komplexen Verkabelungspläne der Maschine genau studiert und wusste, wo sie ansetzen musste. ,Es ist wichtig, dass alles funktioniert‘, hatte ihr die Stimme eingeschärft und Rose setzte alles daran, keinen Fehler zu machen. Nach dem Auftrennen der Verpackung hatte sie die notwendigen Tests mit dem Impulsgeber durchgeführt. Die hoch energetische Ladung war einsatzbereit. Rose verstand sehr genau, wie sie das Gerät in die seitliche Bordwand unter der Verkleidung einsetzen musste. Sie studierte noch einmal prüfend die Anweisungen, die sie im Paket vorgefunden hatte. Eine LED-Anzeige zeigte eine Abfolge roter Punkte, die in rascher Folge aufleuchteten, bis sie grün zeigten. Eine Schrift erschien auf einem Display: ,Active‘. Rose wischte sich über die Stirn. Sie würde noch ein paar Kabelklemmen setzen und dann die Innenwand wieder einsetzen.

      ,Überprüfe alles noch einmal und verlasse dann den Flughafen‘, hatte die Stimme gesagt.

      „Kofferraum“ hatte Fred am Rolltor geblafft und dabei nicht komisch gewirkt. „Was habt ihr da laufen? Zigaretten, Gold oder was?“ „Ich habe mit dem Fernglas gesehen, dass du etwas ins Flugzeug hineingeschmuggelt hast. Für wie blöd hältst du mich eigentlich?“ Rose überlegte fieberhaft. „Wie willst du das gut machen? Was willst du mir anbieten, damit ich vergesse, was ich gesehen habe und nichts davon in meinen Bericht schreibe?“

      Rose beugte sich im Sitz nach vorne und sah Fred in die Augen. Ihr Blick war fest. Fest wie ein Versprechen. Sie schob den Ärmel ihres Pullovers nach oben und reichte Fred einen Kugelschreiber.

      „Schreib einfach deine Handynummer auf meinen Unterarm. Du hast doch ein Handy, oder?“ Rose pausierte und befeuchtete ihre Lippen. Sie hatte Freds volle Aufmerksamkeit. „Ich ruf dich an und wir lassen uns etwas einfallen, was du sehr mögen wirst. Versprochen.‘

      Fred schrieb. „Du weißt, was passiert, wenn du mich auflaufen lässt“, sagte er.

      „Keine Sorge“, erwiderte Rose und legte einen Gang ein. „Du bist schneller an der Reihe als du denkst.“

      Fred fühlte sich nach seiner Doppelschicht frischer als üblich. Er gratulierte sich zu seiner Spürnase.

      Üblicherweise ertappte sein Fernglas Mitarbeiter von Fremdfirmen, die sich heimlich Rauchpausen gönnten oder heimlich ausgetauschte Zärtlichkeiten. An besonders aufregenden Tagen schlichen sich Jugendliche auf das Gelände, um ihre Parolen und Logos auf alles zu sprayen, was in ihre Reichweite kam. Fred alarmierte dann mit präzisen Angaben die Kollegen der Hundestaffel und beobachtete, wie die Schäferhunde an ihren Leinen rissen. Ansonsten war der Dienst eintönig und schlecht für die Gelenke. Einmal hatte Fred im Wachhäuschen Sudokus gelöst und war prompt erwischt worden. Sein Vorgesetzter, ein junger Schnösel, hatte ihm einen langen Vortrag über Pflichterfüllung, Stolz und Kündigungsgründe gehalten. Fred hatte genickt und ein reuevolles Gesicht aufgesetzt. Zwei Monate und viele Stunden am Fernglas später, hatte er bei dem Mann eine Fahrzeugkontrolle vorgenommen und ein Bündel Elektronikersatzteile im Kofferraum gefunden. Trotz aller Drohungen und Proteste hatte er die Flughafenleitung informiert und den Mann solange festgehalten, bis die Polizei eintraf. In der Wartezeit hatte Fred seinem Vorgesetzten einen gut vorbereiteten Vortrag über Pflichterfüllung, Stolz und Kündigungsgründe gehalten.

      Und jetzt die gute alte Rose. Fred schob sein Fahrrad an und machte sich auf den Heimweg zu seiner kleinen Wohnung. Mit Rose war das so eine Sache. Sie war eigentlich immer nett und machte die kleinen Scherze mit, die Fred sich ausdachte, um sich die Zeit zu verkürzen. Beileibe nicht jeder hatte so einen Sinn für Humor.

      Fred verfluchte den Verkehr, der immer dichter wurde und die unverschämten Fußgänger, die den Fahrradweg besetzten.

      Außerdem brachte ihm Rose immer eine Kleinigkeit mit. Fred hatte so eine Ahnung, dass die Donuts und Zigarillos eine Kompensation dafür waren, dass er an solchen Tagen nicht den Kofferraum öffnete. Er selbst hatte das Gerücht gestreut, dass er auf eine Kontrolle verzichten würde, wenn eine kleine Aufmerksamkeit angeboten würde. Was war schon dabei. Es lag in seinem Ermessen, was er wann kontrollierte. Schon als Polizist hatte er das System begriffen und zur Zufriedenheit aller angewandt. Leben und leben lassen. So lief das. Und es lief gut. Jedenfalls bis diese gelackten Affen von den internen Ermittlungen auftauchten und ihm heimlich aufgenommene Videos vorspielten. Das war das Ende seiner Karriere und die Verstoßung aus dem Paradies.

      Fred trat kräftiger in die Pedale. Touristen dachten immer, London sei flach wie eine Scheibe. Dabei war die Stadt eine Berg- und-Tal-Bahn. Eine dunkle Limousine raste durch eine Pfütze. Fred fluchte und machte eine obszöne Geste. Verdammte Stadt, verdammtes Wetter, verdammter Job!

      Aber vielleicht konnte man aus der Sache mit Rose mehr herausholen als gedacht. Die stille, unscheinbare Rose. Immer so fleißig und folgsam. Ja, folgsam. Was würde sie ihm anbieten, wenn er sie unter Druck setzen und dann lieb zu ihr sein würde? Eintrittskarten für Arsenal? Eine kleine Jagd durch die Betten?

      Fred hörte auf zu treten. Er hatte eine brillante Idee. Er würde Rose in väterlichem Ton anbieten, bei der Sache mitzumachen. Er würde bluffen. Rose hatte etwas laufen. Vielleicht etwas Großes. Sie hatte etwas geschleppt und war danach nur mit ihrem Putzzeug aufgetaucht. Schmuggel, vermutete Fred. Ein Netzwerk. Es war ihm egal. Leben und leben lassen. Es war alles viel einfacher, wenn man einen verlässlichen Mann am Eingangstor hatte. Einen Mann, der wusste, wann er wegschauen musste. Dafür sollte ein kleiner Anteil drin sein.

      Fred fühlte wie seine Stimmung stieg. Beschwingt bog er in die Straße ein, die ihn aus dem Verkehr befreien und zu seiner Wohnung führen würde.

      Fred begann ein Lied zu pfeifen. Das hatte er seit einer Ewigkeit nicht mehr getan. In seiner Vorstellung wurde der Anteil größer und größer. Er würde sich endlich wieder ein Auto leisten können und auch die Reise nach Frankreich, die seit Jahren fertig geplant auf seinem Wohnzimmertisch lag.

      Der

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