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einen reichhaltigen Frühstückstisch und wollten davon nicht einmal eine winzig kleine Menge abgeben.

      Sie hatte wohl eine Runde nach Fliegerart gedreht, als sie zu meiner Befriedigung auf dem Emmentaler landete. Sie trippelte mit ihren Füßchen ein wenig herum, wahrscheinlich, um zu probieren, ob es ein echter oder der aus dem Allgäu war. Er schien ihr nicht echt und sie flog davon.

      Ich war gespannt, wo sie landen würde. Es war die Lehne des Stuhles, der gerade von der Sonne beschienen war. Mit ihren vorderen Beinchen putzte sie ihren Rüssel, um den lästigen Rest von Marmelade zu beseitigen.

      Dort konnte ich sie eingehend betrachten. Es war eine Musca domestica. Nicht eine der Aufdringlichen, die mit lautem Gebrumm scheinbar ohne Ziel herumsausen und immer wieder versuchen, ihr Draußen zu erreichen, indem sie gegen das Fensterglas stoßen. Öffnet man ein Fenster, so scheint es, wollen sie gar nicht hinaus.

      In Wikipedia machte ich mich über ihre Zugehörigkeit, Gewohnheiten, Gefährlichkeit und Entwicklung kundig. Das aber, was ich gern gewusst hätte, war nicht beschrieben. Die Schärfe und Reichweite zum Beispiel ihrer Facettenaugen, die Steuerung ihrer blitzartigen Reaktion durch die Struktur ihres wohl winzigen Gehirns, die Übertragung auf ihre Beine, deren Beteiligung beim Start, der synchron mit den Flügeln erfolgt, wir nicht sehen können. Hat sie ein Großhirn und andere Hirnteile? Jedenfalls muss sie nicht erst überlegen zu flüchten, wenn eine Gefahr droht.

      Ich bekam auch heraus, wie lange sie lebt, sechs bis zweiundvierzig Tage, eine recht ungenaue Zahl. Die Lebensdauer soll von der Temperatur abhängig sein, vielleicht saß sie deshalb in der Sonne.

      Man kann sagen, sie liegt in der Sonne, denn ihre Beine sind ausgestreckt, der Bauch liegt auf der warmen Unterlage. Sie richtet sich auf und mit einer nicht erwarteten Geschicklichkeit streicht sie mit ihren hinteren Beinen, aus welchem Grund ist nicht zu erfahren, über ihre Flügel. Man sieht mit Erstaunen, wie sie auch die Oberfläche der Flügel erreicht. Sie spreizt sie auch wie Tragflächen eines Deltajets.

      Ich liege im Wintergarten in der Sonne. Sie kommt zu mir auf die Hosenbeine und sonnt sich.

      Ich gehe in den Keller, sie folgt mir, auch als ich wieder hinaufgehe.

      Wenn ich für sie offensichtlich nicht da bin, folgt sie meiner Frau, wohin diese auch geht, natürlich auch in die Küche.

      Ich nehme an, sie hat uns mit ihrem Geruch- und Tastsinn identifiziert.

      Das Eigenartige ist, wenn sie nicht sichtbar ist, suche ich sie und habe Angst, sie könne nicht mehr da sein. Es sind vierzehn Tage, in denen sie uns lieb geworden ist.

      Heute, am 13. Mai 2014, ist das Wetter wechselhaft, Sonne, Wolken und Regen ziehen regelmäßig über unseren Wintergarten hinweg, das Dach besteht aus einer großen Glasfläche, die jeden Sonnenstrahl durchlässt.

      Die Musca, die erst auf meinem Hosenbein Platz genommen hatte, wechselte, als ich aufstand, auf den Sessel. Als ich später wieder erschien, saß sie auf dem Stoff der senkrechten Lehne des Sessels und wartete weiter auf Sonnenstrahlen, die aber nicht mehr kamen.

      Warum schreibe ich dies? Ich bewunderte schon immer, wie für uns so unauffällige Wesen, mit meist ganz kurzem Leben, überhaupt existieren können. Selbst ihre Zukunft ist viele Male unsicherer als unsere. Bemerken sie eigentlich ihre Existenz?

      Eine Fliege wie sie wird doch, sobald einer sieht, wo sie sich niederlässt, erschlagen.

      Heute Morgen, 14. Mai. Ich suchte sie, fand sie aber nicht sofort. Sie saß auf einem Stuhl. Ich wollte sehen, wie schnell sie wegflog, ich hatte den Eindruck, sie war nicht mehr so flink. Noch mehr staunte ich, als sie nichts vom Frühstückstisch essen wollte. Wie alte Menschen, die nicht mehr weiterleben wollen, hatte sie keinen Hunger. Vielleicht habe ich sie zum letzten Mal gesehen.

      Über diese Wesen macht sich kaum einer Gedanken. Ich selbst kann mir nicht erklären, woher mein Mitgefühl kommt, dass ich mir Gedanken über die verschiedensten Tiere mache und ihre Zukunft und ihr Schicksal mich interessiert.

      Ich habe sie nicht mehr entdeckt, wahrscheinlich ist ihr kurzes Leben zu Ende. 15-5-2014.

      19-5-2014. Ich habe sie gefunden, sie lag auf dem Rücken im Wintergarten am Boden. Ihre Flügel in Deltaform. Eigenartig, wir hatten sie vermisst, jetzt kennen wir ihr Leben und ihr Ende.

      Verborgenes

      Wie interessant wäre herauszufinden, wie der andere sich aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur verhält.

      Heute kann man es entdecken: Nach neuesten Forschungen muss man nur darauf achten, wie oft einer Ich, Du, Er, Sie, Es und Wir sagt oder schreibt, schon weiß man, er ist ein Egoist, freundlich, kompromissbereit, aggressiv oder er ist sozial eingestellt. Eventuell reicht auch ein einzelner Buchstabe, I oder O. Sind aber nur Wahrscheinlichkeiten, die einer Statistik entnommen werden.

      In Genomen Eigenschaften topografisch bestimmen kann man noch nicht. Auch dann wären die Handlungen eines Menschen nicht vorauszusehen, weil alle Gedanken durch unzählige Synapsen im Gehirn von zahllosen Neuronen, je nach Aktivierung, auf 110 verschiedenen Wegen feuernd, umherirren können.

      Wäre es wünschenswert, bei einem Maskenball zu ergründen, wer sich hinter einer Maske verbirgt? Meine Frau hatte sich bei ihrer Freundin verkleidet.

      Ist es meine Frau, die mit dem anderen tanzt? Der zuerst flüchtige Gedanke lässt ihn nicht los. Er beobachtet die beiden genauer, wie kann er es herausfinden? Wenn auch ein kurzer Rock ihre Beine zeigt, hat er sie so in Erinnerung, dass er sie erkennt? Sie schmiegt sich an ihren Partner. Er flüstert ihr etwas ins Ohr. Sie verschwinden in der Menge. Ärgerlich über sich verscheucht er seine Neugier. Seine Freunde am Tisch, mit Masken, auch fremd gekleidet, ihre Frauen sind auch nicht dabei, fragen ihn etwas, er hat es nicht gehört. Dann verwandelt sich die Neugier in Eifersucht und plötzlich möchte er mit Eifer ergründen, ob sie es ist. Er versucht die beiden unter den Tanzenden zu entdecken, vergebens. An der Bar entdeckt er sie. Sie sitzt auf dem Hocker, er steht neben ihr. Selbst jetzt, ihr Rock ist weit nach oben verrutscht, kann er sie an ihren schlanken Beinen nicht erkennen. Die andere Maske neigt sich über sie, küsst ihren Hals und streichelt über ihren bloßen Schenkel. Machtlos kehrt er an den Tisch zu den Freunden zurück, die mit anderen Masken sich den Tanzenden angeschlossen haben. Er kann nicht ruhig sitzen, macht sich weiter auf die Suche. Das Paar ist verschwunden.

      Am Ende, gegen 3 Uhr, kommt er nach Hause. Seine Frau ist schon da. Er ist neugierig, mit welcher Verkleidung sie auf dem Fest gewesen sei. Sie verrät es nicht, denn die Freundinnen haben sich verabredet, es nicht zu tun. Sie seien dann auch zusammen nach Hause gefahren. Die Frage bleibt, wie weit war es der anderen Maske gelungen, sie zu verführen und war es seine Frau? Wie auch immer er sich jetzt bemühte, aus dem Gesehenen dem Geheimnis auf die Spur zu kommen oder aus ihrem Verhalten Schlüsse zu ziehen, es ist vergeblich.

      Es ist ein beliebtes Motiv für Romane, die Spannung im Verhältnis von Mann zu Frau oder von Frau zu Mann.

      Lieber sollte alles verborgen bleiben.

      Kleidung

      Kleidungsstücke sind gewöhnlich undurchsichtig, manche wirken angsteinflößend, rote Roben im Mittelalter und heute, schwarz und verhüllend andere, wenn man nicht wüsste, dass darin eine Frau versteckt sein könnte.

      In diesen Fällen ist die Verhüllung auch so gewünscht.

      Da es keine Trennung zwischen Wahrnehmung und ikonografischer Illusion gibt, nimmt man an, dass sich eine Frau darin findet.

      Eine Dschilbab lässt ein anmutiges Gesicht, in einem runden Rahmen, deutlich erkennen. In jedem Fall ist es mit der Dschilbab gelungen, eine mögliche Neugier zu erregen.

      Bei einer im Tschador verhüllten Frau lassen sich selbst bei Bewegungen kaum weibliche Formen erahnen, doch durch den längsovalen Schlitz des dazu getragenen Nikabs bemerkt man vielleicht einen Blick, der einen trifft, und Augen, die in diesem Rahmen glänzend zu leuchten scheinen.

      Schon

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