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war.

      Die Lady war in vielen Dingen altmodisch und hielt überhaupt nichts von modernen Handtaschen, wie sie angeboten werden. Sie war ihrem Pompadour treu geblieben, einem perlbestickten Handbeutel, dessen Schlaufe am Gelenk getragen wurde.

      Diesen Pompadour schleuderte sie äußerst geschickt auf den jungen Mann, der sich gerade mit dem Reifen befassen wollte. Im Pompadour befand sich ein echtes Hufeisen, das nur flüchtig mit dünnem Schaumgummi umwickelt worden war, um nachhaltige Verletzungen auszuschließen.

      Eine Granate hätte nicht explosiver wirken können.

      Der Pompadour klatschte gegen den Jethelm des Motorradfahrers. Der junge Mann hatte das deutliche Gefühl, von einem auskeilenden Pferd getreten worden zu sein. Er kippte nach vorn, landete im Gras und blieb benommen liegen.

      Die fünf übrigen Racheengel brauchten einige Zeit, bis sie ihre Überraschung verdaut hatten. Mit solch einer Reaktion hatten sie nicht gerechnet. Sie starrten auf ihren Rudelführer, der sich endlich ein wenig bewegte und mit den Beinen scharrte.

      Dann rückten sie vor und wollten der älteren Dame zu nahe treten. Sie glaubten an einen glücklichen Zufall, was ihren Anführer betraf. Sie konnten sich nicht vorstellen, daß diese Frau auch weiterhin gefährlich sein würde, holten Kabelstücke aus den Westen ihrer Monturen und gedachten, Lady Simpson damit zu überwältigen.

      Sie hätten sich besser andere Dinge einfallen lassen!

      Agatha Simpson war sehr kriegerisch.

      Sie trat dem ersten jungen Mann bedenkenlos gegen das Schienbein. Der Getroffene heulte auf und hüpfte auf einem Bein herum.

      Der zweite Angreifer wich zurück, fintierte und schlug dann hart zu. Er hatte Kathy Porter überhaupt nicht einkalkuliert und hielt die langbeinige, schüchtern wirkende Schönheit für ein ängstliches Reh, mit dem man sich später zur Erheiterung noch anderweitig befassen konnte.

      Kathy Porter mochte zwar wie ein ängstliches Reh aussehen, doch sie kannte sich in den Künsten von Judo und Karate recht gut aus. Sie sprang fast aus dem Stand hoch und touchierte mit ihrem linken, vorschnellenden Fuß die Nase des Angreifers. Die verformte sich daraufhin und blieb ein wenig schief stehen.

      Der junge Mann ließ sein Kabelende zu Boden fallen und beschäftigte sich nur noch mit seinem Gesichtserker. Lady Simpson nutzte die Gelegenheit, das Kabelende an sich zu nehmen. Sie wollte nicht ganz waffenlos sein.

      Kathy befaßte sich inzwischen mit zwei weiteren Angreifern, die die Visiere ihrer Jethelme noch geschlossen hielten. Sie bedauerten das wenig später sehr, denn sie rangen verzweifelt nach Luft und krümmten sich. Kathy hatte mit dem linken Ellbogen zugelangt und ihre Magenpartien bearbeitet.

      Den fünften jungen Mann nahm sich die Detektivin selbst vor.

      Sie klatschte ihm das Kabelende um den Helm und zertrümmerte das Visier. Der junge Mann ließ ein Messer fallen, das er zwischenzeitlich gezogen hatte, duckte sich und ergriff die Flucht. Das Grauen saß ihm offensichtlich im Nacken. Mit solch einer Reaktion hatte er nicht gerechnet.

      »Wir sollten jetzt aber wirklich weiterfahren, Mylady«, mahnte Kathy Porter, die völlig entspannt und ruhig atmete. Von Anstrengung war ihr nichts anzumerken.

      »Schon, Kindchen?« bedauerte die Detektivin, die allerdings ein wenig schnaufte. »Ich möchte diesen Subjekten erst noch ein paar Manieren beibringen.«

      »Ihr Pompadour, Mylady.« Kathy Porter reichte den Handbeutel. Der Rudelführer war aufgestanden, nahm den Jethelm ab und massierte sich den Hinterkopf.

      »Ist noch was?« erkundigte sich Agatha Simpson grimmig bei ihm. »Sie brauchen es nur zu sagen, junger Mann. Ich bin gerade in der richtigen Stimmung.«

      »Von was für ’nem Stern kommen Sie eigentlich?« erkundigte sich der Anführer der Rocker.

      »Hoffentlich war die Frage eine Beleidigung«, gab Lady Simpson kriegerisch zurück. Sie schwang schon wieder den Pompadour und rüstete sich zum nächsten Wurf.

      »Schon gut, Lady, schon gut«, sagte der junge Mann schleunigst. »Sie sind ganz in Ordnung, aber Sie sollten mal Fahrstunden nehmen.«

      »Aus meinen Augen«, erregte sich die Detektivin. »Beeilen Sie sich, sonst vergesse ich mich nur zu gern!«

      Der junge Mann grinste verlegen und ging zu seinen Freunden hinüber, die sich mehr oder weniger von ihren kleinen Niederlagen erholt hatten. Sie standen verlegen herum, waren noch nicht topfit und wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Sie tuschelten leise miteinander, räumten dann das Feld, trotteten zurück zu ihren schweren Maschinen, schwangen sich in die Sättel und röhrten los.

      »Das hätte böse enden können, Mylady«, sagte Kathy Porter erleichtert.

      »Papperlapapp, Kindchen«, meinte Lady Agatha optimistisch wie immer. »Mit solchen Knaben werde ich noch alle Tage fertig. Man muß ihnen nur klarmachen, wo ihre Grenzen liegen.«

      Kathy wollte die gute Laune der Lady nutzen und bugsierte Agatha Simpson in Richtung Beifahrersitz, doch sie hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

      »Was soll denn das, Kathy?« empörte sich Lady Agatha grimmig. »Natürlich werde ich fahren! Sie sind dem Verkehr doch gar nicht gewachsen. Ich denke, wir werden Mister Parker in gut einer Stunde sehen. Ich werde mich beeilen und schneller fahren als sonst.«

      Kathy Porter schickte ein stilles Stoßgebet zum Himmel und empfahl sich sämtlichen Göttern. Sie ahnte, was auf sie zukam.

      *

      Natürlich hatte Butler Parker nicht den Diebstahl der beiden Brieftaschen vergessen.

      Waren Sie von Miß Robson in Sicherheit gebracht worden, als er die beiden Gauner und Schläger Pete und Rob ins Schlauchboot gesetzt hatte? Oder gab es da einen Unbekannten, den es noch aufzuspüren galt?

      Josuah Parker hielt es für richtig, diesen Unbekannten erst mal als Tatsache einzukalkulieren. Dadurch wurde seine Wachsamkeit automatisch geschärft.

      Er befand sich auf dem gemieteten Hausboot und dachte mit Vergnügen an die Szenen im Farmhaus. Parker kannte sich mit Ganoven und Gangstern aller Schattierungen aus. Er wußte diese Menschen genau einzuordnen. Pete Robson, dessen Schwester Maud und Rob waren seiner Einschätzung nach sogenannte Leichtgewichte. Sie bildeten stets eine Art Fußvolk und wußten in der Regel kaum, für wen sie tatsächlich ihre Haut zu Markte trugen. Sie begnügten sich mit Kleingeld und brauchten klare Befehle, um tätig zu werden. Pete, Rob und Maud waren sicher nicht besonders gefährlich, aber man durfte sie auf der anderen Seite auch nicht unterschätzen.

      Butler Parker hatte sich ein Omelett zu Gemüte geführt, mixte einen Drink und gestattete sich eine seiner speziell für ihn gefertigten Zigarren. Er konnte diese ungewöhnlich schwarzen Torpedos praktisch nur in der Abgeschiedenheit rauchen, denn sie produzierten Rauchschwaden umwerfenden Charakters. Sie waren geeignet, vor Kraft und Gesundheit strotzende Mitmenschen in tiefe Ohnmacht zu schicken.

      Als er aufs Achterdeck trat, um sich unter das Sonnensegel zu setzen, brauchte er Insekten nicht zu befürchten. Einige neugierige Mücken und Bremsen kurvten zwar im Tiefflug heran, da sie frisches Blut witterten, doch als sie nur die verwehten Schwaden der Zigarre witterten, gerieten sie bereits in gelinde Panik und drehten ab. Sie verschwanden im Taumelflug in Richtung Schilf, um sich dort von ihrem tödlichen Schreck erst mal zu erholen.

      Parker legte sich entspannt in einen Deckstuhl und schloß die Augen.

      Er hatte sich die beiden kleineren Lieferwagen in der Scheune der Farm angesehen. Ihm war aufgefallen, daß die Ladeflächen beider Fahrzeuge recht intensiv nach Spirituosen gerochen hatten. Mehr war nicht festzustellen gewesen. Er fragte sich, was dieser Geruch besagte.

      Hatte man ihn wegen dieses aufdringlichen Geruchs daran hindern wollen, die Wagen zu besichtigen? Hatte er es, so fragte sich Parker, vielleicht mit Schwarzbrennern zu tun?

      Wurde auf der Farm Brandy oder Whisky hergestellt? Handelte es sich um den Umschlagplatz von gewerbsmäßigen Schmugglern? Bis zur Nordseeküste

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