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gab sie übertrieben abweisend zurück.

      »Sie werden auch weiterhin ohne Licht bleiben müssen«, sagte er über den Lautsprecher. »Haben Sie sich mit den Ratten bereits etwas angefreundet?«

      »Sie wollen mir nur Angst machen!« Kathy schaute sich ängstlich um, setzte sich auf die Bettkante und zog die Beine hoch. Sie spielte eine Frau, die eine panische Angst vor Mäusen und Ratten hat.

      Er konnte sie sehen.

      Sie hörte prompt sein leises Auflachen, das ihn verriet. Wahrscheinlich benutzte er ein Sichtgerät, das auf Infrarot-Basis arbeitete. Mit solch einem Gerät konnte er sie selbst bei vollkommener Dunkelheit genau sehen. Als Kathy Porter sich darüber klar war, setzte sie bewußt ihren Körper ein. Sie kannte ihre Linien und Vorzüge und sorgte dafür, daß dieser Mann Appetit bekam. Sie wollte ihn herauslocken, um ihn dann zu überrumpeln.

      »Nun, immer noch so stark?« erkundigte sich der Unbekannte.

      »Natürlich«, erwiderte Kathy und zog sich auf das Kopfende ihres Bettes zurück, um sich dort in die Bettdecke einzuwickeln. Dabei sah sie ängstlich nach allen Seiten, horchte angestrengt in die Dunkelheit und verzog lauschend das Gesicht.

      »Ich lasse Ihnen gleich eine kleine Erfrischung reichen«, meldete der Unbekannte sich wieder. »Wahrscheinlich werden Sie es noch einige Stunden aushalten müssen. Übrigens, das Badezimmer befindet sich gleich rechts vom Bett. Sie werden den Türknauf schon finden, wenn Sie ein wenig suchen. Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung. Halt, noch etwas, im Badezimmer ist natürlich Licht, Miß Porter. Ich werde es einschalten. Man ist ja schließlich kein Unmensch!«

      Myladys Gesellschafterin beugte sich weit aus dem Bett und tastete mit ihrer rechten Hand nach dem Türknopf, den sie aber nicht entdecken konnte. Sie war also gezwungen aufzustehen, was sie auch tat. Dabei zeigte sie dem unsichtbaren Beobachter erneut viel Angst und Ekel vor den vermeintlich vorhandenen Ratten.

      Kathy fand endlich den Türknopf, riß die Tür auf und blinzelte in das grelle Licht einer eingeschalteten Leuchtstoffröhre. Scheinbar aufatmend flüchtete die junge Frau sich in dieses überraschend komfortabel und modern eingerichtete Badezimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Dann blieb sie aufatmend stehen und glich einem Menschen, der gerade einer großen Gefahr entronnen ist. Sie ahnte nämlich, daß sie gerade jetzt wieder genau beobachtet wurde. Solch eine Gelegenheit ließ der unsichtbare Beobachter sich bestimmt nicht entgehen!

      *

      Agatha Simpson war äußerst schlechter Laune.

      Man hatte ihr die Augen verbunden und sie dann in einen kleinen Kastenlieferwagen geschafft. Nur zu gern hätte sie ihren »Glücksbringer« eingesetzt und die Flegel liebkost, die sie in diesen Wagen bugsiert hatten. Nur wegen Kathy hatte sie auf diese Freude verzichtet. Sie wollte ihre Gesellschafterin nicht unnötig in Gefahr bringen.

      Wo man sie festgehalten hatte, wußte sie natürlich nicht. Ihr war auch unbekannt, wer sie durch die Stadt gefahren hatte. Der Wagen war inzwischen angehalten worden, doch der Motor lief noch. Wahrscheinlich hielt man vor einer Ampel.

      In dem kleinen Kastenaufbau war es dunkel. Lady Simpson, die auf dem Boden der Ladenfläche stand, wartete geduldig auf die Weiterfahrt, die jedoch nicht erfolgte. Die Sekunden verrannen, doch die Fahrt ging immer noch nicht weiter. Die Detektivin erhob sich und tastete sich zur hinteren Tür durch. Verärgert trat sie mit ihrem derben Schuh gegen die Tür, die sofort aufsprang.

      Lady Agatha blinzelte in das frühe Morgenlicht und sah sich dann leicht erstaunt um.

      Von einer Ampel konnte keine Rede sein. Der Lieferwagen stand in einer ruhig wirkenden Straße, die von kleinen Einfamilienhäusern flankiert wurde. Am Ende der Straße war der Milchmann zu sehen, der seine Kunden versorgte.

      »Darf ich Sie zu einer Tasse Tee einladen?« hörte sie eine bekannte Stimme. Sie sah ein wenig um den Wagen herum und bemerkte Superintendent Needle, der sie ungeniert ironisch anlächelte.

      »Hauptsache, Sie haben Ihren Spaß«, grollte sie. »Warum helfen Sie mir nicht erst aus dem Wagen?«

      »Ich wollte erst mal sehen, ob man mich geblufft hatte«, entschuldigte sich Needle, reichte ihr aber dann die Hand. »Hoffentlich hatten Sie eine gute Fahrt, Mylady.«

      »Wo bin ich hier?«

      »Direkt vor meinem Haus. Man verständigte mich vor ein paar Minuten per Telefon und kündigte Ihr Kommen an.«

      »Sehr witzig«, ärgerte sich Lady Simpson.

      »Ich sage die Wahrheit.«

      »Ich meine diesen Obervampir«, raunzte Lady Agatha. »Der Mann amüsiert sich auf meine Kosten.«

      »Warum freuen Sie sich nicht, daß Sie noch leben?«

      »Diesem Flegel werde ich es noch zeigen«, schwor Lady Simpson grimmig. »Mich ausgerechnet vor Ihrem Haus abzusetzen!«

      »Sie sind also entführt worden?«

      »Nein, ich habe einen freiwilligen Ausflug unternommen«, fuhr sie ihn an. »Stellen Sie nicht solch’ dumme Fragen, Superintendent, lassen Sie mich lieber Ihren Tee versuchen! Ich weiß aber schon jetzt, daß er mir bestimmt nicht schmecken wird.«

      »Sie sind verärgert, Mylady?« Needle genoß die Situation, wirkte aber nicht vergrämt und verdrossen wie sonst.

      »Verärgert? Ich könnte vor Freude jauchzen«, grollte die ältere Dame. »Miß Porter steckt nämlich in Schwierigkeiten. Sie befindet sich in der Hand der Vampire.«

      »Wie Ihr Butler«, entgegnete Needle trocken. »Ich erfuhr es eben durch einen Telefonanruf.«

      »Wortbrüchig ist dieser Oberflegel also auch noch!« Agatha Simpson nickte grimmig. »Ich hätte es mir denken können.«

      »Ich verstehe kein Wort, Mylady.«

      »Man hatte mir versprochen, daß er mir bei gewissen Besorgungen behilflich sein würde«, sagte Lady Simpson, »aber nun soll man mich gründlich kennenlernen. Ich glaube, daß ich sehr verärgert bin.«

      *

      Kathy ahnte, daß der große Spiegel neben der Dusche präpariert war.

      Auf der anderen Seite stand gewiß der geheimnisvolle Obervampir und verschlang sie mit seinen Augen. Sie ließ sich selbstverständlich nichts anmerken, doch sie produzierte sich bewußt, streifte die restlichen Fetzen des Kleides von ihrem Körper und trat dann unter die Dusche. Prüde war Kathy nicht, Nacktheit war für sie die natürlichste Sache der Welt.

      Nach der Dusche frottierte sie sich ab und benutzte ein zweites Badetuch, um ihren Körper zu bedecken. Da dieses Handtuch nicht gerade groß war, konnte der heimliche Beobachter immer noch viel sehen.

      Kathy tat so, als fürchte sie sich immer noch vor den Ratten. Sie ging zur Tür, öffnete sie spaltbreit und schaute hinaus. Sie wunderte sich kaum, daß praktisch vor der Tür ein kleiner Teewagen stand, auf dem sich einige Sandwiches und eine Thermoskanne befanden. Der Obervampir hatte Wort gehalten und für eine Erfrischung gesorgt.

      Kathy zog den Teewagen hastig ins Badezimmer und schraubte den Verschluß der Thermoskanne auf. Sie füllte sich den Becher mit Tee und drehte sich so, daß sie vom Spiegel aus nicht beobachtet werden konnte, als sie scheinbar durstig trank.

      In Wirklichkeit nahm sie nicht einen einzigen Schluck zu sich. Sie ging von der Tatsache aus, daß der Tee präpariert worden war. Als sie den Becher absetzte, stellte sie ihn so auf das Tablett, daß ein Beobachter hinter dem Trickspiegel nicht sah, wieviel sie getrunken hatte.

      Parker hätte seine helle Freude an ihrer Schauspielkunst gehabt.

      Kathy tat so, als sei der Tee wirklich präpariert gewesen. Sie knabberte lustlos an einem Sandwich, faßte zwischendurch immer wieder an ihre Schläfen, gähnte in immer kürzer werdenden Abständen und schien schließlich mit dem Schlaf zu kämpfen. Plötzlich legte sie das Sandwich aus der Hand, rieb sich die Augen und taumelte zur Badezimmertür. Dabei ließ sie gekonnt das

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