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ihren Beruf und ihre Arbeitsstätte im Bilde. Aus Großmutters Unterlagen war der Familienname bekannt: Erin Glenn war die Tochter von Benedikt Glenn, dessen Familie von der Großmutter mit Hilfe von Frank Glenn gefunden wurde. Erin war bei Facebook sehr aktiv, hatte bei YouTube etliche Videos ins Netz gestellt. Turner hatte sich unter ihre Freunde gemischt und wusste, dass sie am folgenden Abend eine Party machen wollte und den Einkauf wie immer einen Tag vorher bei Tesco machen würde.

      Jetzt war sein Ziel ein verlassener Platz im Wald. Er hatte ihn sorgfältig ausgesucht, denn er wollte sichergehen, dass keine Menschen dort unterwegs sein würden. Nur wenige Minuten war er gefahren, die Zeit hatte aber gereicht, Erin aufwachen zu lassen. Er fand sie strampelnd und mit den gefesselten Händen heftig um sich schlagend, als er die Kofferraumtür öffnete. Er befreite sie von dem Knebel:

      „Hier können Sie schreien. Es hört sie keiner.“

      „Was wollen Sie von mir? Wollen Sie mich vergewaltigen? Ausrauben wäre einfacher gewesen.“ Erin war außer sich, erkannte aber ihre missliche Lage.

      „Ich möchte mich mit Ihnen über Ihre Videos unterhalten.“

      „Was?! Und dafür entführen Sie mich?“

      Turner redete nun über ihre Hobbys und was sie machte. Sie war erstaunt, was er alles über sie wusste. Sie hatte alles im Internet preisgegeben.

      „Woher wissen Sie das alles?“

      „Aus dem Internet natürlich. Sie sehen aus, als ob Sie etwas trinken möchten. Ich hole etwas.“

      Erin konnte das alles nicht verstehen. Hatte sie es mit einem Irren zu tun? Wie konnte sie hier wieder rauskommen?

      „Hier, probieren Sie. Schmeckt ganz ordentlich.“

      Sie nahm einen Schluck.

      „Das ist ja widerlich. Was ist das? Können Sie mir nicht ein Glas Wasser geben?“

      Turner verdünnte mit Wasser, gab ihr das Glas erneut. Erin trank noch einen Schluck. Er wartete ein paar Minuten, bis das Gift begann, seine Wirkung zu zeigen. Er hatte aus der Literatur gelernt, dass das Gift des Bilsenkrautes erst nach mindestens einer Stunde wirkte und die Opfer langsam ins Koma fallen und dann ersticken würden. Sie sollte tief schlafen und nichts merken, hatte er sich bei seinen Planungen gesagt.

      „Was ist das, was Sie mir gegeben haben? Wollen Sie mich umbringen?“

      „Sie werden jetzt auf dieselbe Art sterben, wie Ihre Familie über die Jahrhunderte junge Frauen aus meiner Familie umgebracht hat: mit dem Gift des Bilsenkrautes. Keine Angst – dass Sie am Ende keine Luft mehr bekommen, werden Sie nicht mehr merken.“

      „Sie sind doch verrückt! Sie sind ein Psycho! Sie gehören ins Irrenhaus!“

      Langsam merkte Erin, wie sich alles um sie herum veränderte: Sie sah Farben, hörte Stimmen, ihre Haut juckte. Sie hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Während sie noch halbwegs wach war, erzählte Turner ihr die Familiengeschichte. Kommentarlos hörte sie zu, merkte, dass sie erst immer interessierter wurde, die Geschichte lustig fand, die Figuren hier im Raum schwebten und sie nach einer halben Stunde einschlief. Er wartete, bis sie auch das Atmen einstellte und sie sich nicht mehr rührte.

      Turner klappte den Kofferraumdeckel zu und fuhr etwa dreißig Kilometer zu einem Supermarkt. Der hatte inzwischen geschlossen, der Parkplatz war, bis auf wenige Wagen, leer. Er vergewisserte sich, dass nichts von seinen Sachen im Ford liegen geblieben war, verschloss ihn, lief zehn Minuten bis zum nächsten Kino und kaufte sich eine Karte. Der Film ist spannend, dachte er, war aber die meiste Zeit bei seinem Plan, die weiteren Opfer ausfindig zu machen.

      Danach kehrte er zum verlassenen Parkplatz zurück, öffnete den Kofferraum, vergewisserte sich, dass sein Opfer tot war, und kratzte mit seinem Messer das Zeichen in die Stirn der toten Erin Glen. Die Flasche Wasser in seinem Rucksack diente nur einem Zweck: Hände und Messer vom Blut zu säubern. Er schlug den Kofferraumdeckel zu, lief zur nächsten Bushaltestelle und fuhr zurück in die Stadt und in sein Hotel.

      „Großmutter, ich habe die erste Ermordete gerächt.“ Mit diesen Worten schlief Turner ein.

      Die Leiche im Kofferraum

      Sein Handy klingelte. Brennan schaute kurz auf die für ihn unbekannte Nummer des Anrufers und meldete sich:

      „Steve Brennan. “

      „Chief Inspector Brennan?”

      “Ja.”

      „Guten Tag, Chief Inspector. Mein Name ist Nick Fowler. Ich bin Inspector hier in Canterbury. Wir haben vor einiger Zeit ihre Anfrage samt Foto mit Einkerbungen auf der Stirn des Opfers bekommen und fanden vor allem den Hinweis auf das Stirnzeichen interessant. Nun haben wir vor zwei Tagen eine Tote in einem Kofferraum gefunden, die möglicherweise das gleiche Zeichen auf der Stirn aufweist. Hatten Sie irgendeine Information dazu an die Presse weitergegeben?“

      „Nein, haben wir noch nicht. Denken Sie an einen Trittbrettfahrer?“

      „Also hier handelt es sich um eine junge Frau von 22 Jahren. Ihr Name ist Erin Glenn. Sie hatte noch ihre persönlichen Sachen bei sich. Sie ist vergiftet worden. Mit Bilsenkraut. Das haben wir schon herausgefunden. Sonst keine Gewaltanwendung.“ Inspector Fowler berichtete weitere Fakten: Der Wagen war abgestellt worden, warum auf diesem Parkplatz, war bislang nicht klar. Der Ford war eine Woche zuvor bei Hertz von einem Mike Adams aus Gloucester gemietet worden. Die Identität war aber gefälscht. Die beiden Inspectoren machten aus, dass sie sich nach einer vollständigen Analyse in Canterbury treffen wollten.

      „Roberta, ich habe soeben von einem interessanten Fall aus Canterbury gehört.“ Brennan berichtete von seinem Telefonat mit Inspector Fowler. „Auf den ersten Blick gibt es für die beiden Funde wohl keine Gemeinsamkeiten. Falls allerdings die Geschichte mit dem Zeichen auf der Stirn stimmt, haben wir es mit einem Mörder zu tun, der schon vor etwa 30 Jahren jemanden umgebracht hat. Wir fahren in den nächsten Tagen nach Canterbury.“ Foster hatte bis dahin geglaubt, dass es sich um einen einfachen Fall handeln könnte, den Brennan ihr vielleicht abgeben würde. Doch jetzt sah sie ihre Felle davonschwimmen. Der Chief Inspector würde diesen Fall selber lösen wollen.

      Die Fahrt nach Canterbury über die Autobahnen verlief weniger schön. Immer wieder standen sie im Stau oder mussten an Baustellen besonders langsam fahren. Brennan war ein in sich gekehrter Mann, er fuhr bedächtig. Ungeduldig fragte Foster mehrmals, ob sie fahren solle. Ein-, zwei Mal versuchte sie, ihn aus der Reserve zu locken, erzählte von sich und versuchte, ihren Chef zum Erzählen zu bewegen. Doch sie bekam kaum etwas aus ihm heraus.

      „Sind Sie verheiratet?“, fragte sie beispielsweise.

      „Zum Glück schon lange vorbei“, war seine Antwort. Und dabei blieb es. Sie zog es vor, keine weiteren Fragen zu stellen.

      „Wir sind die Inspectoren aus Birmingham“, stellte Brennan sich und seine Mitarbeiterin am Eingang vor. „Wir haben eine Verabredung mit dem Kollegen Fowler.“

      „Ah, da sind Sie ja schon.“ Ein drahtiger großer Mann von 45 Jahren mit Jeans und gelbem Pullover kam ihnen ein paar Minuten später entgegen und stellte sich als Nick Fowler vor.

      „Schon ist gut. Diese Autobahnen machen einen wirklich krank.“

      „Da haben Sie recht. Aber vielleicht habe ich ein paar interessante Sachen für Sie.“

      Die drei Inspectoren stiegen die Treppe zu Fowlers Büro hinauf und durften sich erst einmal setzen.

      „Eine Tasse Kaffee? Dann können wir bald anfangen.“

      Brennans Hinweise waren schon per Telefon besprochen worden, und nun konzentrierte sich die Gruppe auf das geritzte Zeichen in der Stirn.

      „Offenbar handelte es sich tatsächlich um dasselbe Zeichen: ein Haus und ein Stab an der Seite“, sagte Foster.

      „Eine Kirche ist es nicht“, meinte Fowler. „Ein Bischofsstab scheidet deshalb aus.“

      „Wenn ein Mörder sich so viel Arbeit mit dem Einritzen

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