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Mit dem E-Bike auf der Seidenstrasse

      Mit dem E-Bike auf der Seidenstrasse von buch & netz wird unter Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 4.0 International lizenziert, sofern nichts anderes angegeben ist.

      © 2020 – CC-BY-NC-ND (Werk), CC-BY-SA (Texte)

      Verlag & Produktion: buch & netz (buchundnetz.com) Umschlaggestaltung: buch & netz (buchundnetz.com) ISBN: 978-3-03805-296-8 (Print – Softcover) 978-3-03805-333-0 (PDF) 978-3-03805-334-7 (ePub) 978-3-03805-335-4 (mobi/Kindle) Version: 0.91-20201013

      Dieses Werk ist als buch & netz Online-Buch und als eBook in verschiedenen Formaten sowie als gedrucktes Buch verfügbar. Weitere Informationen finden Sie unter der URL: http://buchundnetz.com/werke/mit-dem-e-bike-auf-der-seidenstrasse/.

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      Vorwort

      «Die Reise hat mich Demut und Gelassenheit gelehrt.»

      Andrea Freiermuth, Journalistin und Velofahrerin (*1972)

      Was hat die Reise mit dir gemacht? Und was nimmst du davon mit?, das fragen die Leute oft, wenn sie von meiner E-Bike-Reise über die Seidenstrasse hören. Wenn ich meine Erfahrungen in einem Satz zusammenfassen soll, dann sage ich: «Die Reise hat mich Demut und Gelassenheit gelehrt.»

      Ich bin kein besonders mutiger Mensch. Es ist relativ einfach, Zweifel in mir zu säen und mir Angst zu machen. «Chauf dr es Gwehr und lern zerscht nu schiesse!», foppte mich mein grosser Bruder, als ich ihm meine Reisepläne offenbarte. Heute weiss ich: Die Welt da draussen ist viel besser als das, was wir auf dem Sofa sitzend in den Nachrichten sehen. Die Menschen sind grundsätzlich gut. Sie tun in der Regel alles, um eine Frau, die alleine mit dem Velo daherkommt, maximal zu unterstützen. Gerade in muslimischen Ländern ist die Gastfreundschaft unglaublich gross. Und die Iraner, bin ich überzeugt, sind die gastfreundlichsten Menschen überhaupt.

      «Da kommst du mit deinem E-Bike nicht hin», meinten einige Kritiker auf Facebook, als ich mich entschloss, den Pamir Highway in Angriff zu nehmen. Heute weiss ich: Es geht eben doch. Und egal bei welchem Thema: «Geht nicht» kann man nur sagen, wenn man etwas selbst probiert hat – und tatsächlich gescheitert ist.

      Auf meiner Reise wusste ich morgens oft nicht, wo ich abends enden würde. Aber es kam immer gut. Ich durfte so viele tolle Menschen kennenlernen, spannende Erfahrungen machen und schöne Momente erleben. Klar gab es schwierige Tage, wie etwa, als ich erfuhr, dass ich meine Reiseroute wegen Einreisebestimmungen würde ändern müssen. Es kam anders als geplant, aber dadurch vielleicht sogar besser.

      Diese Erfahrung hat mir geholfen, als ich nach meiner Rückkehr in die Schweiz einen Moment des Stillstandes erlebte. Ich habe heute die Gewissheit, dass man manchmal einfach etwas Geduld und Zuversicht haben muss – und dass es dann schon gut kommt.

      Demut hat mich die Reise gelehrt, weil ich erkannt habe, welch grosses Glück es ist, in der Schweiz geboren worden zu sein. In einem direkt demokratisch regierten Staat zu leben, ist ein unglaubliches Privileg. Von Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung und Mitsprache können viele Menschen entlang der Seidenstrasse nur träumen. Ihre Realität ist Diktatur, Korruption und Unterdrückung.

      Demokratie ist das eine, Wohlstand das andere: Beides ist eine Laune der Geschichte. Schweizer sind nicht besser und fleissiger als andere, auch wenn das einige Landsleute aus dem rechten Lager gerne behaupten. Wir hatten bloss etwas mehr Glück im 20. Jahrhundert. Reichtum kommt und geht. Das weiss man spätestens dann, wenn man die Paläste der Osmanen oder der Perser besichtigt hat, beziehungsweise das, was davon übriggeblieben ist. Und wer weiss: Vielleicht werden wir in ein paar Jahren mit Neid nach China blicken – zumindest was Reichtum und technischen Fortschritt betrifft.

      Meine Mission

      «Zeigen Sie mir ein Problem dieser Welt

       und ich gebe Ihnen das Fahrrad

       als Teil der Lösung.»

      Mike Sinyard, US-amerikanischer Fahrradbauer (*1950)

      Foto: Marc Böhler

      Ich fahre nach China, mit einem E-Bike. Theoretisch wäre ich noch fit genug, um diese Reise mit einem normalen Tourenvelo anzutreten. Aber mit elektrischer Unterstützung hat der Trip einen zusätzlichen Reiz: Noch nie ist jemand mit einem handelsüblichen E-Bike von Europa nach Asien gefahren. Einmal im Leben der Erste sein, und die Erste sowieso.

      Warum nicht mit dem E-Bike nach China flyern? Es gibt wahrlich Anstrengenderes – etwa über den Pazifik schwimmen, zum Mars fliegen oder auf den Mount Everest biken.

      Meine Herausforderung besteht darin, immer rechtzeitig eine Steckdose zu finden. Auch bin ich gespannt, wie sich meine beiden 630-Wattstunden-Akkus bei Hitze und Kälte verhalten. Und ob ich als Technikbanause mit diesem Hightech-Gerät tatsächlich nie eine Panne haben werde, die mich an meine Grenzen bringt.

      Meine Mission: Ich möchte beweisen, dass die heutigen E-Bikes fit für ein solches Abenteuer sind. Das Pedelec ist eine geniale Erfindung – und wenn ich unter Strom nach China fahren kann, schaffen es andere damit doch sicher auch an den Arbeitsplatz oder zum Supermarkt.

      Wenn sich Herr und Frau Schweizer in ein Auto setzen, tun sie das in fast der Hälfte aller Fälle für eine Fahrt von weniger als 5 Kilometer. In Deutschland und Österreich dürften die Zahlen ähnlich sein. Mit einem E-Bike, das mit einer Unterstützung bis 25 Kilometer pro Stunde fährt, benötigt man folglich für solche Fahrten weniger als eine Viertelstunde – und das ganz ohne Stress bei der Parkplatzsuche.

      Das E-Bike ist ein Heilmittel gegen fast alle Krankheiten der modernen Welt: Es hilft gegen Stau, Lärm, Luftverschmutzung, Klimaerwärmung, Bewegungsmangel und damit auch gegen Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck und kardiovaskuläre Erkrankungen. Darum haben E-Bikes mehr Aufmerksamkeit verdient – und dafür will ich mit meiner Reise über die Seidenstrasse sorgen.

      Ein E-Bike,

      16 000 Kilometer

      und viel Angst

      «Es ist gut zu wissen, dass man eigentlich alles machen kann. Man muss nur damit anfangen.»

      Julie Deane, britische Unternehmerin (*1966)

      Der Philosoph Søren Kierkegaard wusste es schon vor mehr als 160 Jahren: «Dem Weibe ist mehr angst als dem Manne.» Ich habe Bauchschmerzen und schlafe nun schon seit Tagen schlecht. Denn morgen fahre ich ab, mit dem E-Bike, über den Bernina und den Balkan, durch die Türkei und den Iran – bis nach China.

      Langsam aber stetig hat sich die Idee dieser E-Bike-Reise nach Peking in meinem Kopf gefestigt. Ich träumte dabei von spannenden Begegnungen, bildgewaltigen Landschaften und absoluter Freiheit. Und von einer guten Sache: Denn Velos mit elektrischer Unterstützung sind eine super Erfindung, die mehr Aufmerksamkeit verdient. Dazu wollte ich als radelnde Reporterin beitragen. Schritt für Schritt habe ich die Vorbereitungen

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