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Stimme klang entspannt. „Die Gramberg ist wieder in Bad Homburg. Hast du sie getroffen?“

      „Nein. Hat sie uns im Visier?“

      „Bisher nicht. Sie sucht nach wie vor Jan. Du musst aufpassen, wo und wie sie ermittelt. Insbesondere jetzt, da der Penner verschwunden ist. Gibt es dazu was Neues?“

      „Ja, das ist blöd. Die Polizei streift hier herum. Zwei Beamte haben im Silbernen Bein Fragen gestellt, weil er dort regelmäßig war. Es hält sich das hartnäckige Gerücht, dass das Blut, das sie gefunden haben, vom ihm stammt. Soll ziemlich viel gewesen sein. ­Sabrina ist mit den Nerven völlig fertig. Sie hatte einen Zusammenbruch und liegt im Krankenhaus.“

      „Aha. Was ist mit ­Rosenthal? Wie weit seid ihr mit dem.“

      „Geht voran. Er überlegt ernsthaft, nach Gran Canaria zu ziehen. Dann würde er das Haus verkaufen und alle Zelte abbrechen.“

      „Endlich. Bleibt an ihm dran. Da darf jetzt nichts anbrennen. Er ist ein dicker Fisch für uns. Das dürft ihr nicht vermasseln. Hörst du?“

      „Klar, brauchst du mir nicht zu sagen!“

      „Will ich hoffen“, entgegnete die Stimme und legte ohne einen Abschiedsgruß auf.

      ***

      ­Melanie betrat die gut besuchte Wirtschaft. Am Stammtisch saß wie so oft Ralf und an einem Ecktisch Marion Klettke und Werner Mumer. Sie unterhielten sich mit einer älteren Dame, die ­Melanie nicht kannte.

      Überrascht entdeckte sie hinter dem Tresen nicht ­Sabrina, sondern eine schlanke junge Frau. Sie war in etwa so alt wie die Wirtin, hatte schwarze, gewellte Haare, die ihr bis zum Rücken reichten und trug ein knöchellanges, weit geschnittenes Kleid, das an ein buntes Patchwork erinnerte.

      ­Melanie setzte sich unaufgefordert zu Ralf, der sie sofort anstrahlte.

      „Schön, dass du wieder da bist“, begrüßte er sie. „Wir haben hier Wetten abgeschlossen, ob du noch einmal auftauchst. War es sehr schlimm?“

      Sie erzählte kurz von der Beerdigung des Vaters, allerdings ohne in die Einzelheiten zu gehen. Vielmehr tat sie so, als berühre sie das alles wenig.

      Ralf berichtete seinerseits von ­Sabrinas ­Nervenzusammenbruch und ihrem Krankenhausaufenthalt. Er sei am Nachmittag bei ihr gewesen und hoffe, dass sie bald entlassen werde. Das Verschwinden des Grafen hätte sie dermaßen aus der Bahn geworfen. Er zeigte zur Bar. „Das ist übrigens Katja, ­Sabrinas Cousine. War in den vergangenen Wochen mit dem Rucksack in der Welt unterwegs, deshalb kennst du sie nicht.“

      Die Frau erschien am Tisch und fragte nach der Bestellung.

      „Eine Kräuterlimonade, bitte.“

      „Katja, darf ich dir Mel vorstellen? Sie war in letzter Zeit fast jeden Tag hier und hat sich ein wenig mit uns angefreundet. Ein neuer Stammgast!“

      Die Bedienung lächelte und streckte ihr die Hand entgegen. „Freut mich, Katja.“

      „­Melanie, aber alle sagen nur Mel.“

      Die Cousine verschwand in Richtung Tresen, während sich ­Melanie wieder Ralf zuwandte. „Wo wohnt sie denn? Bei ­Sabrina?“

      Er schüttelte den Kopf. „Nein, sie hat ein paar Häuser entfernt eine Wohnung.“

      ­Melanie überlegte. Das war die Chance, auf die sie gewartet hatte!

      Die Eingangstür öffnete sich und Leo Schneider betrat forsch das Lokal. Schnurstracks lief er auf die Bar zu und polterte sofort los: „Ein Bier, und zwar zackig!“ Er schien zur Verstärkung seiner Forderung einen Kasernenton imitieren zu wollen und lachte hämisch.

      Katja zuckte zusammen und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Herr Schneider“, sie zögerte, „Sie haben bei uns Hausverbot und das wissen Sie! Verlassen Sie bitte die Gaststube.“ Sie stand da wie angewurzelt.

      „Pass mal auf, du Schnepfe! Mir ist egal, was ihr hier erzählt. Ich hab eine Hopfenkaltschale bestellt und ich bekomme jetzt sofort eine!“ Er beugte sich vor. Die Stimme wurde einen Tick leiser, dennoch konnte ­Melanie alles gut verstehen.

      „Falls ich nicht blitzartig ein volles Glas vor mir habe, mache ich aus dieser Kaschemme eine Achterbahn.“ Wie zur Bekräftigung fegte er eine Spendendose vom Buffet, die krachend auf dem Boden landete, zum Glück jedoch verschlossen blieb.

      Katja bewegte sich im Zeitlupentempo zum Zapfhahn. „Okay, einen Augenblick“, flüsterte sie.

      ­Melanie sah sich um. Keiner der Anwesenden machte Anstalten, einzugreifen und der Bedienung zur Seite zu stehen. Einige schauten gebannt zum Tresen, andere schienen sich auf einmal für die Tischplatten vor ihnen zu interessieren.

      ­Melanie versuchte so viel Entschlossenheit, wie es ihr möglich war, in den Befehl zu legen. „Stopp, Schneider!“ Sie sprang auf.

      Katja hielt inne und sah verdutzt herüber.

      Der Jungnazi wirbelte herum. „Wer bist du denn, Kleine? Spinnst du? Setz dich wieder brav hin und spiel mit deinen Puppen.“

      ­Melanie ging auf ihn zu. „Sie haben es gehört und sind schon letztens von ­Sabrina daran erinnert worden, dass Ihr Adoniskörper hier unerwünscht ist. Verschwinden Sie einfach und suchen Sie sich eine andere Bühne für Ihr armseliges Programm!“

      Schneider trat einen Schritt auf sie zu. ­Melanie fixierte den Störenfried und behielt dabei seine Bewegungen fest im Blick. Jeder ihrer Muskeln war zum Zerreißen angespannt. Sie befand sich zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren im Kampfmodus, obwohl ihr durchaus klar war, dass ihr das notwendige Training in den Kampfsportarten und eine Waffe fehlten. Dennoch wich sie keinen Zentimeter zurück.

      Ohne erkennbaren Ansatz holte Schneider aus und versuchte, ihr eine kräftige Backpfeife zu versetzen. Sie hatte auf genau diesen Fehler gewartet. Mit einem Sprung zur Seite brachte sie sich außerhalb seiner Reichweite. Der Schlag ging ins Leere und brachte den Angreifer aus dem Gleichgewicht. Sofort war sie neben ihm, ergriff seinen Schlagarm, den sie weit nach hinten bog. Es blieb ihm nichts übrig, als sich vornüberzubeugen, wollte er nicht riskieren, den Arm gebrochen oder ausgekugelt zu bekommen. Sie schob ihr rechtes Knie in seine Kniekehle und nagelte ihn damit quasi auf einen Tisch.

      „Lass mich los, du Schlampe, sonst mach ich dich fertig!“, zischte Schneider.

      ­Melanie erhöhte den Druck auf den gestreckten Arm.

      „Ahhh, bist du verrückt, du reißt mir den Arm raus!“ Jetzt klang es eher weinerlich.

      „So, mein Freund. Wir beide gehen langsam hinaus. Ich rate dir, lieb zu sein, ansonsten tut es gleich saumäßig weh.“ Erneut drückte sie den ausgestreckten Arm ein bisschen höher.

      „Au, ahh, du blöde Kuh!“, jammerte der Jüngling, setzte sich aber brav in Bewegung. Ohne Gegenwehr lief er mit hochrotem Kopf und gebeugt auf den Ausgang zu, kontrolliert von einer völlig automatisch handelnden Ex-Polizistin.

      Draußen vor der Tür ließ sie ihn schlagartig los und gab ihm einen kräftigen Stoß, der ihn auf die Knie warf. Dadurch verschaffte sie sich einen Abstand, genau so, wie sie es beabsichtigt hatte.

      „Ich sage es dir nur einmal, du Held! Du lässt dich hier nie mehr blicken. Beim nächsten Mal weiß ich nicht, ob ich meine Motorik im Griff habe. Verstehst du mich?“

      Er erhob sich mühsam und funkelte sie an. Plötzlich nahm er eine kurze Eisenstange, die an der Wand neben ihm angelehnt war. Mit ihr holte er aus, sprang auf sie zu, zielte auf ­Melanies Kopf.

      Doch sie stand bereits einen Meter links versetzt und nutzte die Fliehkraft des Schlages aus, indem sie seinen Schlagarm ergriff und auf ihren angewinkelten Oberschenkel schlug.

      Die Waffe schepperte auf den Asphalt. Schneiders Schrei hörte man sicher zwei Straßen weiter. Er übertönte das hässliche Krachen in seinem Arm. Sie ließ ihn einen Augenblick los, trat ihm in die Kniekehlen, um sofort den gesunden

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