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ANWEISUNG

       Ruh dich aus,

       Mir brauchst du das Gras nicht zu schneiden.

       Lass es mitsamt dem unbändigen Unkraut

       weiterwachsen auf meinem Hügel.

       Horch lieber, ob dir nicht unter der Erde

       eine schon dicht vergrünte Stimme

       immer noch sagt: „Ich wachse dir zu…“

      Christine Busta

      Wer sich nach seinem unbegrenzten Wesen sehnt, nach seinem wahren Ich, wird auf Erden allein nicht fündig werden. Er muss sich dem Geistigen, dem Himmel, zuwenden und Bereiche erforschen, die weit über alles Physische hinausweisen. Spätestens JETZT muss er sich erden, um nicht Halt und Bodenhaftung zu verlieren. Auch – und gerade – für uns als Bürger zweier Welten ist Erdung eine Notwendigkeit – wie für den Baum seine Wurzeln, während er seine Zweige in den Himmel reckt. Sich zu erden ist der erste Schritt, um sich auch „himmeln“ zu können. Nur wer mit beiden Füßen fest auf dem Boden steht, wird Sterne vom Ideen-Himmel holen können, wird empfangsbereit sein für Intuition. Nur gut geerdet wird es uns gelingen, Erträumtes und Ersehntes bis auf den Boden der irdischen Tatsachen zu holen. Sonst bleiben wir Traumtänzer, die abheben und sich dabei in ihren Luftschlössern verirren und verlieren.

      Die Erde ist der grandioseste Schauplatz im Universum, um handfeste Tatsachen zu schaffen, um Greifbares und Angreifbares vor sich und andere hinzustellen. Sie ist die Werkstatt aller Verwirklichung, denn sie bietet den nötigen Widerstand, um den Stoff, aus dem unsere Träume sind, in unser Leben zu holen, und ihn in leibhaftige Manifestationen zu verwandeln. Dazu müssen wir Künstler sein, die spielerisch, aber bewusst mit dem Himmelsmaterial und den Erdenkräften so umgehen können, dass Stoffliches daraus hervorgeht.

      Bei alledem dürfen wir nicht vergessen, dass jede Schöpfung nur etwas Vorläufiges ist, das, wenn die Zeit dafür reif ist, weiter verwandelt werden muss im Fluss von Werden und Vergehen. Himmel und Erde lieben das Erschaffen, von Verwandlung zu Verwandlung, wie Rilke es so treffend ausdrückt: „Jener entwerfende Geist, welcher das Irdische meistert, liebt in dem Schwung der Figur nichts als den wendenden Punkt“11. Niemand zeigt das deutlicher als die sich immerzu wandelnde Natur.

      Diese Kraft der Verwandlung wächst auch uns zu, wenn wir uns in der Erde verwurzeln – z.B. indem wir eine energetische „Nabelschnur“, energetische Wurzeln oder sonst ein passendes Bild imaginieren, das einen regen Energieaustausch ermöglicht. Bei allem Kraftzuwachs dürfen wir jedoch nicht vergessen, dass nichts bleibt, wie es ist. Auch die scheinbar festen Dinge sind nicht so fest, wie sie erscheinen. Sie sind als Form nichts anderes als zur Ruhe gekommene Bewegung, wie Rudolf Steiner es ausdrückt. Sie sind erstarrt, aus der Bewegung gefallen und müssen wie alles Geformte wieder zerfallen. Denn nur die formende Kraft ist formlos genug, um im Dienst von Erde und Mensch aus dem Überbewussten heraus Neues formen zu können.12

      Das gilt für „unumstößliche“ Tatsachen genauso wie für „unveräußerliche“ Prinzipien, aber auch für alte Werte, „bewährte“ Methoden und Machtspiele. Sind wir bereit dazu, kann all das Überlebte im Handumdrehen verwandelt werden und als das notwendige Neue in Erscheinung treten. Doch dazu müssen wir geerdet sein, müssen in der Erde Halt gefunden haben, anstatt Halt zu suchen bei unseren immer nur vorläufigen Kreationen. Gut geerdet dürfen wir uns einfach der Kräfte bedienen, die uns die Erde im Übermaß Zuströmen lässt, als wären wir spielende Kinder. Dann ist jede Verwandlung, wie für diese, immer JETZT möglich.

      Gut geerdet sind wir uns der irdischen Tatsachen gewahr, aber auch der himmlischen Möglichkeiten. Wir sind standfest und doch frei, immer wieder einen neuen Standpunkt einzunehmen, sind geerdet, aber nicht erstarrt. Dann haben wir zwischen Himmel und Erde Heimat gefunden und werden zu Botschaftern, zu Impuls- und Nahrungsträgern vom einen zum anderen: Dann werden wir in Liebe zu beiden „Ländern“ nach besten Kräften Tag für Tag die himmlischen Intuitionen auf Erden zu verwirklichen suchen und Nacht für Nacht, während unserer Reise durch die Sternenwelten, den Engeln die Früchte unserer Entwicklung darbieten. So dienen wir der stetigen Weiterentwicklung in beiden Welten.

      Zu Rettern der Erde und des Lebens werden wir, indem wir in unserem wahren Wesen wurzeln, bereit alles Überlebte loszulassen, wie Kinder, die lachend ihre Sandburgen dem heranflutenden Meer überlassen. In der Erde verwurzelt, können wir alles Alte ziehen lassen wie der Herbst den Sommer, wenn der Winter nach Verwandlung ruft.

      Worte der Besinnung:

      Erdung lässt mich den Himmel auf Erden bringen.

      Fehler

       Euch nach eurer geringsten Tat zu messen, heißt,

       die Kraft des Ozeans nach der Zartheit seines Schaums zu berechnen.

       Euch nach euren Misserfolgen zu beurteilen, heißt,

       den Jahreszeiten ihre Unbeständigkeit vorzuwerfen.

       Ja, ihr seid wie der Ozean,

       und obwohl fest verankerte Schiffe an euren Küsten die Flut erwarten,

       könnt ihr wie der Ozean doch nicht die Flut schneller herbeiführen.

       Und auch wie die Jahreszeiten seid ihr,

       und obwohl ihr in eurem Winter euren Frühling leugnet,

       ruht doch der Frühling in euch

       und lächelt in seiner Benommenheit

       und ist nicht gekränkt.31

      Khalil Gibran

      Fehler sind unvermeidlich, Gott sei Dank. Zunehmend spricht man von einer neuen Fehlerkultur und dem Recht darauf Fehler zu machen. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Denn das Recht Fehler zu machen, ist im Grunde ein Menschenrecht. Von allen Naturwesen kann es sich nur der Mensch leisten Fehler zu machen – und das sein Leben lang.

      Die Tiere sind uns in Sachen Perfektion haushoch überlegen, sie verfügen von Natur aus über ausgezeichnete Instinkte, sie wissen von klein auf, was sie zu tun haben, um zu überleben und sich bestmöglich zu entwickeln. Und sie müssen in rasend schnellem Tempo erwachsen werden, verglichen mit den Menschenkindern, die bis in ihre Dreißiger oft noch Zuhause wohnen bleiben und sich versorgen lassen. Wer möchte es ihnen in jungen Jahren nicht manchmal gleichtun und schneller groß werden! Das Privileg, Fehler zu machen, zeichnet uns Menschen zwar aus, wird von uns aber oft nicht als solches erlebt. Denn Fehler sind ungeliebte Entwicklungshelfer, weil sie unser Ego nicht füttern. Sie geben uns aber ausgezeichnete Gelegenheiten, über uns selbst hinauszuwachsen, indem sie uns an Grenzen stoßen lassen, uns diese so bewusst machen und uns herausfordern sie zu überwinden.

      Dennoch ist unser ganzes Schulsystem darauf ausgelegt, Fehler zu vermeiden, anstatt sie willkommen zu heißen.

       Wäre es nicht wunderbar, wenn in den Schulen Fehler gefeiert würden als das, was sie sind: als Helfer zum Erfolg?

       Wenn diejenigen, die sie machen, dafür gelobt würden, dass sie für alle Gelegenheiten erschaffen zu lernen und dadurch weiterzukommen?

      Wenn man zugleich bedenkt, dass Lernen am besten in einer freudevollen, entspannten, hingegebenen Situation gelingt, ist diese Haltung die einzig sinnvolle, denn sie öffnet die Türen für Entwicklung. Obwohl wir in unserer heutigen Zeit wollen, ja fordern, dass unsere Kinder sich entwickeln, sich besser entwickeln als bisher im Vergleich mit anderen, schlagen wir ihnen die Türen zu den Räumen zu, in denen diese Entwicklung mit Leichtigkeit stattfinden würde. Wir trichtern unseren Kindern die Haltung ein, dass Fehler unbedingt zu vermeiden sind, indem wir sie dafür bestrafen. Das geht oft schon vor der Schule im Kindergarten los.

      Das Vermeiden von Fehlern hat die entwicklungsfeindliche Nebenwirkung,

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