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      Hat der junge Benjamin keine Chancen im Leben ?

      Doch – er hat sie. Aber er nutzt sie nicht.

      Er stellt sich sein Leben aufregender vor. Allerdings kann er über seine Vorstellungen mit niemandem sprechen. Und genau das würde er gerne tun. Er möchte seine Ideen erklären, herausfinden, ob andere dieselben haben, sich aber nicht trauen, sie umzusetzen.

      Er kann es. Er traut sich. Er ist besser, er ist unsichtbar, noch nicht gefasst, noch nicht einmal erkannt worden. Er wird weitermachen, da es immer wieder Frauen gibt, die ihn anmachen und ihm letztendlich dieses wahnsinnige Machtgefühl verschaffen, das er braucht.

      Der Gedanke, Macht über andere - über Frauen - auszuüben, wird übermächtig. Und er tötet, um nicht verraten zu werden.

      Er ist immer allein.

      Aber allein fühlt er sich stark.

      Er hat gelernt sich durchzusetzen.

       hedda fischer

       das Fahrradder ewigen Stille

      Hedda Fischer, Geburtsjahr 1945, erlebte Kindheit, Schulzeit, Jugend in Berlin. 1988 kehrte sie nach einigen Jahren im Ausland nach Deutschland zurück. Es folgten Arbeitsjahre als Sekretärin in verschiedenen Ingenieurbüros. 2006 Umzug von Berlin nach Heilbronn.

      Endlich blieb Zeit zum Schreiben.

      Zwei Kriminalromane sind entstanden: „naguanagua“ und „posta mortale … wenn Briefe töten“, außerdem Kurzgeschichten in der Anthologie „Familienbande“.

       das Fahrradder ewigen Stille

      Alle Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.

      Personen:

      Benjamin Grossmann

      ein junger Mann, der sich benachteiligt fühlt und schließlich auf ungewöhnliche Art Macht erlangt ( meint er )

      Valentina Grossmann

      seine Mutter, die sich durch das Leben kämpft bis sie das große Los zieht

      Otto und Laura Grossmann

      Bruder und Schwägerin der Mutter, die den jungen Mann schließlich bei sich aufnehmen

      Paula Grossmann

      die Großmutter, die schlecht zu Fuß ist und sich so ihre Gedanken macht

      Moritz und Kai Müller

      die unausstehlichen Zwillinge

      Noah Wegner

      der Freund aus dem Lessing-Gymnasium

      Sven und Richard

      die Besitzer der Autowerkstatt

      Otmar Grisebach

      der Trainer

      Armin Grützke

      der Chef der Eisenwarenhandlung Sommermeyer

      Susanne Beil

      Kollegin bei der Firma Sommermeyer, fast ein

      Mutterersatz

      Marianne Kampe

      die Rentnerin, die ihm gewogen ist und die einzige, bei

      der er sich wohlfühlt

      Hauptkommissar Maximilian Ulm

      ermittelt wegen der ermordeten Frauen

      Hauptkommissar Martin Görner

      der zweite Mann, der gerne der Chef geblieben wäre

      Hauptkommissar Lutz Winter

      übernimmt die Sonderkommission

      Clara Heyer

      seine Freundin

      1 – Vorspann

      Hauptkommissar Winter betrachtete den jungen Mann, der ihm - durch einen Tisch getrennt - gegenüber saß. Er seufzte innerlich.

      Es ist immer wieder dasselbe, dachte er, ein vernachlässigtes Kind, ein Jugendlicher, der mit der Schule und überhaupt mit dem Leben nicht zurecht kommt, sich in eine Traumwelt begibt, sich weiß Gott was einbildet, Macht-Phantasien entwickelt und sie letztendlich sogar auslebt…

      Nur wenige konnten sich aus dieser Spirale befreien. Zu oft hatte er das in seinen langen Dienstjahren miterlebt, es war nachgerade langweilig. Und er hatte keine Lust, mit dem jungen Mann zu diskutieren, sich dessen angeblich gute Beweggründe anzuhören, sich dessen Leben erklären zu lassen. Schon gar nicht zu dieser unchristlichen Zeit.

      Am liebsten hätte er jetzt in einem bequemen Sessel gesessen, zurückgelehnt, richtig guten alten Whisky getrunken und eine Zigarre geraucht. Und Clara auf dem dunkelblauen Kissen zu seinen Füßen, nackt, zwischen seinen Beinen an ein Knie gelehnt, so dass er bequem ihren Nacken, ihre Haare oder ihre Brüste streicheln könnte …

      Es war inzwischen fast halb drei Uhr morgens. Sie hatten den jungen Mann vor einer guten halben Stunde gefasst, nach wochenlangen Ermittlungen. Kollege Zufall hatte geholfen, wie so oft. Winter holte seine Gedanken zum Wesentlichen zurück. Die Befragung. Heißer Tee wurde gebracht. Der Recorder wurde angestellt. Winter straffte sich.

      2 – Benjamin ( 11 Jahre )

      Er lehnte halb verdeckt hinter einem Strauch am Zaun und beobachtete die Haustür. Seine Mutter war in der Wohnung, das wusste er, er sah schließlich das Licht, aber sie war vermutlich nicht allein, das wusste er aber nicht mit Sicherheit. Was er mit Sicherheit wusste, war, dass sie demnächst das Haus verlassen müsste, da die Putzkolonne, in der sie momentan arbeitete, Abendschicht hatte. Das hieß: von 18 bis 24 Uhr Büros putzen. Einen anderen Job hatte sie nicht. Schon seit Jahren nicht. Er fragte sich schon gar nicht mehr warum.

      Nach einer guten Viertelstunde ging das Licht im Treppenhaus an. Es war um diese Zeit – gegen 17 Uhr – noch recht hell, aber das Treppenhaus war durch die halbhoch mittelgrau gestrichenen Wände immer düster. Unebene Ölfarbe. Die hellen Wände darüber oft mit Graffiti verschönert, auch mit seinen, wenn er denn Geld für einen dicken schwarzen Marker ausgeben konnte. Er schlenderte zur Haustür. Als er sie erreicht hatte, öffnete sie sich, und seine Mutter trat zusammen mit einem Mann aus dem Haus. Er tat so, als ob er gerade eben von der Nachmittagsbetreuung heimgekommen wäre. Dabei war er schon seit Wochen nicht mehr hingegangen.

      Seine Mutter begrüßte ihn erfreut. Küsste ihn auf die Wange und strubbelte sein Haar. Das war ein gutes Zeichen, denn das hieß, dass der Mann an ihrer Seite sie gut behandelt hatte. Er kannte ihn nicht. Unsympathisch war er ihm auf jeden Fall. Unsympathisch waren ihm alle, die seine Mutter mitbrachte. Ganz egal, ob ihn einer freundlich ansprach, ihm Geld schenkte, ihn wie einen Erwachsenen behandelte. Er konnte keinen gebrauchen, er wollte seine Mutter für sich. Sie hatten immer zusammen gelebt, waren eine Einheit. Den echten Vater hatte er nicht zu Gesicht bekommen, besser gesagt, er erinnerte sich überhaupt nicht.

      Er fühlte sich mit seinen elf Jahren alt genug, um auf seine Mutter aufzupassen, sie zu beschützen, sie zu ernähren. Was natürlich Unsinn war. Das war ihm auch irgendwie bewusst, drang aber nicht so recht bis zu seinem Gehirn vor. Die meiste Zeit fühlte er sich durchaus imstande, die Schule zu schmeißen, einen Job als Aushilfe in einem Geschäft, als Zeitungsausträger, als Gehilfe auf dem Markt zu erledigen und damit Geld zu verdienen. Er war zwar nur mittelgroß, aber kräftig.

      Einer der zahlreichen Freunde seiner Mutter hatte ihn einmal wegen einer angeblich frechen Bemerkung geohrfeigt, und er hatte sich nicht wehren können. Daraufhin hatte er beschlossen, seine Muskeln zu trainieren. Heimlich hatte er im Keller die schweren Holzklötze eines Nachbarn gestemmt. Zwanzigmal, fünfzigmal hintereinander. Eines Tages hatte der Nachbar ihn dabei beobachtet

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