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rotgoldenen Abendschein.

      »Achtung«, sagt Maxwell halblaut und hat das Gewehr an der Schulter und den einen Gaul bereits vor dem Lauf. »Paßt auf – jetzt!«

      In derselben Sekunde zieht der ehemalige Transportbegleiter der Südstaatenarmee und altgediente Sergeant Charles Maxwell den Abzug durch.

      Über die Rauchflamme seines Gewehrs sieht Charles Maxwell, wie das Pferd zusammenbricht. Charles repetiert blitzartig durch. Der Lauf der Waffe schwenkt zum nächsten Pferd, das einen Satz nach vorn macht.

      Ohne zu zaudern feuert Maxwell noch einmal. Er trifft das anspringende Pferd in die Flanke. Der Gaul steigt, macht zwei verrückte Sätze und rennt in Maxwells dritte Kugel, ehe er sich überschlägt. Der Reiter fliegt im weiten Bogen aus dem Sattel.

      Im gleichen Moment zieht der Vorgang ganz links außen Maxwells Aufmerksamkeit an sich. Dort hat sich der Sheriff geduckt. Während das dritte Pferd in dieser Sekunde zu Boden kracht und sein Reiter hinschlägt, um unter dem Gaul eingeklemmt zu werden, feuert Roggers wie ein rasender Teufel.

      Überdeutlich sieht Maxwell, daß Vic Roggers nicht auf das Pferd, sondern auf den Sheriff feuert. Die Kugeln aus dem Gewehr des Kid schlagen in Hüfthöhe drüben gegen den linken Steilhang. Sie reißen kleine schmutzige Einschlagwölkchen hoch.

      »Vic, du verdammter Halunke.«

      Maxwell wird vor Zorn und Schreck bleich, denn Roggers mißachtet wieder mal jeden Befehl. Mit der vierten oder fünften Kugel endlich erwischt Roggers den flach auf dem Pferd liegenden Sheriff.

      Es kracht ohrenbetäubend neben Roggers. Der Teufelsbraten Vic Roggers hat das Gefühl, als platze ihm sein Trommelfell. Dann sieht er, wie der Gaul des Sheriffs steigt, sich halb dreht und auf die Seite kracht. Dabei fällt der Sheriff auf den Bauch des Pferdes und rutscht sanft auf den Boden.

      Maxwell hat geschossen.

      »Idiot!« knirscht Maxwell, als das Bellen hinter dem einen Pferd herausfaucht und die Kugel singend an die Felsen knallt, um heulend abzuirren. »Du solltest auf das Pferd schießen, du Satan! Der Gaul wäre entwischt – und mit einem Pferd hätte uns einer der Kerle weiter verfolgen können. Was bist du doch für ein Hundesohn, Vic. Zurück, schnell!«

      »Du – du alter, grauköpfiger Schurke!« keucht Roggers wild. »Ein Sheriff, der hätte nicht mehr lange gelebt. Jetzt ist der Kerl davongekommen, er ist… Mensch, das vergesse ich dir nicht!«

      Die heranpfeifenden Kugeln zwingen ihn, zu schweigen und zurückzukriechen.

      Sie laufen geduckt den jenseitigen Hang hinunter und hinter die Felsen. Dort sitzen sie auf, reiten an und sehen sich nicht mehr um.

      Kaum sind die Männer an der gestohlenen Herde, als Marlon zu ihnen stößt.

      »Was, zum Teufel, war los?« erkundigt sich Marlon finster.

      Maxwell meldet, was er gehört hat, als sich der Sheriff und Carpenter verständigten, und Marlon nickt zufrieden.

      »Wir sind in zwei Stunden drüben und in sechs bei Don Pablo. Dann rasten wir vier Stunden. Mit dem Geld kehren wir zurück. Morgen um diese Zeit sind wir in unserem Versteck. Kid, du hast auf den Sheriff gefeuert?«

      »Nun ja – ich – ich…«

      »Du hast einem Befehl nicht gehorcht«, sagt Marlon finster. »Der Mann ist nicht tot, wie mir Maxwell sagte, das ist dein Glück. Noch mal lasse ich dir das nicht durchgehen, verstanden?«

      »Ja, Captain, ich werde es mir merken.«

      Marlon nickt. Für ihn ist die Sache damit erledigt.

      *

      Pattys dunkles Gesicht rötet sich jäh. Der Zorn schießt in Pattys Augen. Dann streckt er jäh die Hand aus und umklammert den Unterarm des Mädchens.

      »Ich sagte, du sollst mit mir trinken«, knurrt er wütend. »Rollins, ich denke, deine Nichte ist dazu da, he? Was, zum Teufel, bildet sie sich ein?«

      Rollins blickt auf das blasse Gesicht seiner neunzehnjährigen Nichte. Das Mädchen ist Vollwaise. Sam Rollins hat es hier aufgenommen. Allerdings nicht etwa aus christlicher Nächstenliebe, sondern nur, um eine billige Arbeitskraft zu haben. Man sagt von Rollins, er würde seine eigene Mutter für genügend Geld verkaufen. Daß er ohne jede Scham bereit wäre, seine junge Nichte zu verkaufen, ist darum keine Frage.

      »Na, was ist, Sue?« redet er sie brummig an. »Er will doch nur mit dir trinken. Was soll das, he? Meine Gäste werden anständig bedient, verstanden? Du trinkst mit Patty!«

      »Onkel Sam, ich will nicht, ich mag keinen Brandy und…«

      In diesem Moment zieht Patty sie an sich. Vergeblich stemmt sich das blonde Mädchen gegen die Bärenkräfte Pattys an. Der Mann hält ihr das Glas entgegen.

      »Nun los, trink schon. Wenn Patty dir was spendiert, Baby, dann machst du mit. Zier dich nicht so. Ihr seid doch alle gleich. Zuerst sich sträuben und dann…«

      »Patty!«

      Das Gelächter der rauhen Burschen verstummt mit einem Schlag. Sie sind alle angetrunken. Mit sechs Mann sind sie bei Rollins aufgekreuzt und haben ihn aus dem Bett getrommelt. Es ist weit nach Mitternacht. Die sechs Mann haben zusammen acht Flaschen Brandy getrunken. Die Angst des Girls macht ihnen Spaß. Jeder verdreht die Augen, wenn das Mädchen in seinem bescheidenen, verwaschenen Kleid durch die Kneipe geht.

      Patty läßt das Glas langsam sinken. Es wird totenstill in Rollins’ Saloon, als der Mann sich an der Tür meldet. Im nächsten Augenblick macht John Marlon einen langen Schritt in den Raum. Wie ein Schatten taucht Charles Max­well mit seinem kurzgeschnittenen Bart hinter ihm auf.

      »Seit wann habe ich dir erlaubt, ein Mädchen zu belästigen?« fragt Marlon kühl, daß Patty bleich wird und hastig, als hätte er sich die Hand verbrannt, Sue Farrows Arm freigibt. »Wenn dir ein Girl sagt, es wolle keinen Drink, dann zwingst du es?«

      Die Männer haben nur einmal erlebt, daß Marlon wild wurde und explodierte. Das ist Monate her und geschah, als Jake Belmont, einer der verwegensten und jähzornigsten Männer, in betrunkenem Zustand im Camp herumschoß. Schießereien waren im Camp verboten, weil die Schüsse jemanden anlocken konnten. Damals packte Marlon Belmont, riß ihn herum und schleuderte ihn in den Tränktrog. Danach schlug er zweimal zu, und Belmont lag da wie tot.

      In diesem Moment explodiert Marlon erneut. Das Mädchen ist zurückgewichen. Der erste Hieb landet an Pattys Kopf und schleudert den schweren Mann gegen den Tresen. Der zweite Schlag läßt Patty einknicken, der dritte fährt unter das Kinn. Patty saust rücklings auf den Tresen und stürzt dicht neben dem zur Seite springenden Sam Rollins hinter dem Tresen zu Boden.

      »So«, sagt Marlon eisig. »Das gilt für alle. Niemand faßt das Mädchen an. Rollins, ich hätte nicht übel Lust, dir beizubringen, daß ein halbes Kind nichts für deine Kneipe ist.«

      »Ich bin ihr Vormund und sie soll ja nur etwas freundlich sein, John«, stottert Rollins erbleichend. »Was ist denn dabei, wenn sie den Männern einen Gefallen tut? An Brandy stirbt man nicht.«

      »An deinem Fusel verreckt ein Pferd!« knirscht Marlon finster. »Schlimm genug, daß meine Leute das Zeug trinken, aber was soll ein Girl damit? Meinst du, es verträgt deinen erbärmlichen Fusel? Rollins, das Mädchen gehört nicht hierher, schick es an einen anständigen Ort.«

      »Ist dieser Platz etwa nicht anständig?« brummelt Rollins und schielt tückisch. »Sie hat niemanden, und ich brauche sie nun mal. Sie hat es gut bei mir. Meine selige Schwester…«

      »Würde sich im Grab umdrehen, wenn sie wüßte, wo ihre Tochter gelandet ist«, unterbricht ihn Marlon eisig. »Rollins, solange ich hier bin, behandelst du sie anständig, sonst erlebst du was. Und ihr solltet euch schämen, euren Spaß daran zu haben, wenn Patty sich widerlich benimmt. Die Feier ist vorbei, Chapman und Belmont sind überfällig. Etwas scheint passiert zu sein.«

      Es könnte nicht schlimmer sein, wäre eine Granate zwischen den eben noch lachenden Männern eingeschlagen.

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