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hielt, mit ihren ballonähnlichen Brüsten.

      Er hatte genug gesehen, trank seinen Espresso in einem Zug aus und fuhr weiter zur Super Paradise Beach.

      ***

      Eine Moët-&-Chandon-Champagner-Bar beherrschte die Bucht. Sehr teuer, sehr nobel, sehr schlecht besucht. Elegante weinrote Liegebetten und Sonnenschirme aus Stroh füllten den kleinen Strand. Auch hier dröhnte Techno aus den Lautsprechern.

      Tagsüber legten bekannte DJs auf, las Alexander auf einem Flyer. Sound of Mykonos nannte sich diese Art von Musik. Konnte man den schwachsinnigen, ohrenbetäubenden Krach überhaupt als Musik bezeichnen? Der deutsche Ausdruck Fremdschämen kam ihm in den Sinn. Ja, er schämte sich richtiggehend für seine Landsleute. Wie konnten sie, anstatt ihrer eigenen sehr melodischen Musik, dieses Bumm, Bumm, Bumm zu ihrem Inselsound machen? Wenn abends dazu die stroboskopischen Lichteffekte einsetzten, bekamen einige Tänzer garantiert epileptische Anfälle.

      Vielleicht war er einfach zu alt, um nachvollziehen zu können, was den jungen Leuten an diesen eintönigen Klängen so gut gefiel, hinterfragte er seine ablehnende Haltung, als sein Körper plötzlich zu zucken begann.

      Er bestellte ein Perrier, zahlte sechs Euro für die kleine Wasserflasche und ging damit hinunter an den grobkörnigen Sandstrand, der eindeutig aufgeschüttet worden war.

      Da er daran gewöhnt war, seine Umgebung immer im Auge zu behalten, registrierte er, als er sich auszog, die bewundernden Blicke einiger Frauen, die sich auf den bequemen Liegebetten rekelten.

      Er kraulte weit aufs offene Meer hinaus, genoss jeden Tropfen Salzwasser in seinem Gesicht. Als die Sonnenhungrigen am Strand nur mehr wie winzige Strichmännchen aussahen, kehrte er um und schwamm auf dem Rücken zurück. Rückenschwimmen hatte ihm seine Wiener Physiotherapeutin wegen seiner Nackenverspannungen empfohlen.

      Als er aus dem Wasser kam und nun auch die interessierten Blicke einiger Männer bemerkte, schlug er, da er wie viele Heteros homophob war, rasch sein Badetuch um die Hüften und machte, dass er wegkam.

      ***

      Zurück in seiner Pension in Mykonos-Stadt duschte Alexander ausgiebig und zog sich um. Dann fasste er sich ein Herz und rief Laura Mars auf ihrem Handy an.

      Sie hob nicht ab. Er hinterließ ihr eine Nachricht auf ihrer Mailbox, fragte, ob sie Lust habe ihn zu treffen.

      Während er weiter die Küste entlanggondelte, kam er an einigen Hotelanlagen vorbei. Er fragte sich, warum sein Auftraggeber unbedingt das Boutiquehotel hoch oben am Hang haben wollte. Es gab so viele exklusive Hotels auf dieser Insel, die wahrscheinlich viel eher dem Geschmack von reichen Osteuropäern entsprachen als Theo Niemayers Flamingo. Zum Beispiel das Mykonos Grand, ein Luxushotel in perfekter Lage. Oder das Apollonia Resort, ein Luxusschuppen mit schönen Villen hinter hohen Steinmauern.

      Vielleicht waren all diese Luxusoasen bereits in russischer Hand? Ich hätte mich vorher besser über die Hotellandschaft und die Eigentumsverhältnisse auf Mykonos informieren sollen, dachte er. Boris hatte sicher keine Ahnung, wer hier das Sagen hatte. Dieser Angeber war das verwöhnte Söhnchen eines russischen Oligarchen, der es auf Mykonos krachen lassen wollte. Bestimmt hätte er den kriminellen Russen auch für ein anderes Hotelobjekt begeistern können. Nun war es zu spät. Er musste heute noch mit Lauras Freund reden, besser gesagt, ernsthaft verhandeln. Schlimmstenfalls würde er ihn töten müssen. So lautete sein Auftrag.

      Laura hatte beschlossen, eine kleine Inselrundfahrt zu machen und sich selbst einen Strand zu suchen. Sie hatte einen von Theos Reiseführern mitgenommen.

      Zuerst wollte sie zum Kloster Panagia Tourliani in Áno Merá. Vor allem das Innere der Kirche war angeblich einen Besuch wert. Sie hatte gelesen, dass es wahre Kunstschätze beherbergte, die meisten angefertigt in Florenz. Das größte Heiligtum des Klosters, die Ikone der Heiligen Jungfrau von Toúrlos, wurde als wahres Schmuckstück aus Holz und mit einem Mantel aus Silber beschrieben. Das Antlitz der Madonna sei inzwischen schwarz, hatte sie gelesen. Es wurde behauptet, dass dieses zweitausend Jahre alte Kunstwerk eine Arbeit des Apostel Lukas persönlich war.

      Die vielen Touristenbusse auf dem Parkplatz vor dem Kloster ließen Laura von einem Besuch Abstand nehmen. Sie fuhr weiter zum Nonnenkloster von Paleókastro, einem Frauenkloster aus dem dreizehnten Jahrhundert, das von einer einzigen Nonne bewohnt wurde, die seit vielen Jahren ihre Zeit damit verbrachte, den Klosterhof zu bemalen.

      Laura klopfte an das Tor. Niemand öffnete. Sie klopfte heftiger. Keine Reaktion. Mit Klöstern schien sie heute kein Glück zu haben.

      Auf einer kurvenreichen Straße kehrte sie zurück in die Hauptstadt. Supermärkte, Glücksspielhallen, Raceland, Bikecenter … Sie bog auf eine Nebenstraße ab.

      Von dem Wohlstand der Insel war bald nicht mehr viel zu bemerken. Eher verwahrlost wirkende Orte, unbebaute Felder, dazwischen unfertige Neubauten. Wahrscheinlich war den Besitzern das Geld ausgegangen.

      An der Küste angekommen, nahm sie die Straße zum Leuchtturm am Kap Armenistis. Sie kam vorbei an hübschen, einsamen Buchten, die sich jedoch zu nahe am Neuen Hafen befanden, wo die Kreuzfahrtschiffe ankerten und das Wasser daher nicht sehr sauber war.

      Als sie sich unterhalb des Leuchtturms einparkte und ein paar Schritte den Hügel hinaufspazierte, fühlte sie sich wieder versöhnt mit Mykonos. Der Wind spielte mit ihrem langen Haar, die Luft war klar und frisch. Sie war der einzige Mensch weit und breit.

      Vor dem Leuchtturm setzte sie sich auf einen Stein, ließ ihre Blicke über die Inseln zu ihren Füßen schweifen. Sie sahen aus wie Mondlandschaften. Keine Häuser, nur Wasser, Gestein und Stille, abgesehen vom Pfeifen des Windes. Laura empfand plötzlich ein Gefühl von Freiheit.

      Nach einer halben Stunde tauchten die ersten Touristen auf. Sie ging zu Theos Wagen, fuhr den ganzen Weg vom Kap Armenistis zurück nach Mykonos-Stadt und weiter auf die gegenüberliegende Seite der nordwestlichen Landzunge. Den Stausee Marathi ließ sie rechts liegen.

      Die Straße endete an der Agios Sostis Beach. Ein netter Strand, weniger touristisch als die Pánormos Beach, an der sie gerade vorbeigekommen war. Dennoch entschied sie sich dafür, umzukehren und zur Ftelia Beach zu fahren. Nicht wegen der archäologischen Fundstätte, sondern weil sie schwimmen gehen wollte und es am Beginn der Bucht sicher weniger windig war als hier.

      Tatsächlich war in Ftelia von dem starken Wind, der am Kap geweht hatte, kaum etwas zu spüren. Weit draußen waren die bunten Segel einiger Windsurfer zu sehen. Im Wasser tummelten sich ein paar Jungs. Auch sie waren weit weg. Auf einem flachen Felsen im Meer hatte sich eine Möwenkolonie angesiedelt. Die strahlend weißen Tupfen passten perfekt in diese Idylle. Dank der neolithischen Siedlung, deren Überreste in der Mitte des Strandes standen, war diese Bucht nicht verbaut worden. Die Wellblechdächer, mit denen die Archäologen die Ausgrabungsstätte geschützt hatten, waren verrostet und zum Teil von Stürmen zerstört worden. Das türkisfarbene Wasser war kristallklar. Nur der Plastikmüll störte sie.

      Sie sammelte einige Mineralwasserflaschen ein, brachte sie zu einem Müllcontainer an der Straße. Dann schickte sie Alexander ein SMS.

      ***

      Beschwingt durch Lauras SMS und durch die wundervolle Stimme von Maria Farantouri, die aus dem Autoradio erklang, fuhr Alexander zum Strand von Ftelia.

      Die Gegend wurde bald einsamer. Karges Land. Steinig und ausgedörrt. Braun die Felder, bereits jetzt im Frühling. Vereinzelt Betonruinen, aus denen hässliche verrostete Eisenstangen in den Himmel ragten.

      Er hatte Durst, die Flasche Perrier hatte er an der Super Paradise Beach vergessen. Obwohl er an Hitze gewöhnt war, wurde ihm schwindlig. Der Horizont verschwamm zu einem zittrigen Gebilde aus Dunst und Wellen. Wieder fiel ihm eines der Gedichte ein, das sein Vater ihm vorgelesen hatte, nachdem er von Makronissos zurückgekehrt war.

      „(…) Und das Meer der Ägäis war blau wie immer,

      sehr blau, nur blau.

      Ach ja, wir sprachen einmal von der Ägäis-Poesie,

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