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wirbelnden Strom; in Todesangst bemühte ich mich, ihr die Hand zu reichen. war aber, wie gewöhnlich, fest gewurzelt und konnte mich nicht rühren und regen. Schwarz, pechschwarz wie Tinte war das Wasser des Stromes, und Weitenweber saß an seinem Rande, mir gegenüber, höhnisch grinsend, und angelte und zog allerlei greuliches Zeug heraus: vertrocknete Ballettänzerinnen, antiquierte Schauspieler und Schauspielerinnen, Sänger und Sängerinnen. Ein Korb mit Regenwürmern und schlechten Witzen stand neben ihm. Sie sank–sank, und alles um mich her wurde ein wüstes Chaos von Stimmen und Gestalten – Sidonie Fasterling tauchte auf aus dem schwarzen Strom, eine weiße lächelnde Najade, bekränzt mit Wasserpflanzen. Sie machte mir mit der niedlichsten der Hände eine lange Nase zu – eine Leiche trieb dann natürlich zu meinen Füßen an den Uferrand – – –

      Cäcilie! schrie ich verzweifelnd und erwachte. Es war heller Tag, Weitenweber stand vor meinem Lager und Mietze neben ihm. »Sidonie!« »Cäcilie!« fistulierte der erstere, und setzte im tiefen Baß hinzu: »Großer Gott, welche Narren!«

      18

       Inhaltsverzeichnis

      Die Verwunderung des Schauspielers, Weitenweber in den Pantoffeln und dem Schlafrocke meines Oheims bei mir anzutreffen, wurde sehr gemäßigt durch die qualvolle Notwendigkeit, in welcher sich der Unglückliche befand, sein auseinanderfallendes Ich zusammenzuhalten. Ich wußte den Jammer seines Seelenzustandes zu würdigen und bedauerte ihn aufrichtig während des Eiertanzes der anmutigsten Reden und Redensarten, den er mit Weitenweber aufzuführen hatte. Wir frühstückten in der Gesellschaft Gundermanns, den ich herbeorderte, und welcher seine Lanzette in der Tasche mitbrachte, um dem armen Alexander nötigenfalls auf der Stelle zur Ader lassen zu können. Als ich nach Wallingers Befinden fragte, schüttelte der Doktor hippokratisch den Kopf und trank sein Glas mit einer Grimasse aus; Weitenweber schob das seinige zurück, kreuzte die Arme über die Brust –

      »Wallinger?! … Also geht es mit ihm zu Ende? Nun, Gott gesegne ihm seine Ruh!«

      »O weißt du mehr von ihm, als ich dir geschrieben habe, Weltenweber? Sprich – sage uns, was du von ihm weißt!« rief ich.

      Der Redakteur des Kamäleons zuckte die Achseln: »Es ist die alte Geschichte, man wandelt nicht ungestraft unter Palmen. Gräfin Kunigunde – war ein schönes Mädel, und Günther Wallinger war ein schwacher Narr, gleich uns allen vom Weibe Geborenen. Weshalb mußte auch das Schicksal ihn dem alten

      Musikmaniak, dem Baron Wallberg, dem Beethovenianer, in den Weg führen? Was hatte der Geiger zu suchen unter den seidenen Roben, den Juwelen und Orden und Uniformen? Tautropfen und Diamanten funkeln alle beide und sind doch etwas gar Verschiedenes. Welcher Jude gibt euch etwas für einen frühlingsfrischen grünen Zweig, im Tau blitzend, wie ihr ihn mitbringt aus euren Kindheits-und Heimatswäldern? – Imitation des diamants, messieurs! Imitation des diamants! Hier ist Gold, hier ist Ruhm und Ehre! – Holla! Mietze! Aufgewacht!«

      Der Schauspieler fuhr erschrocken in die Höhe und warf eine Weinflasche um, deren Inhalt Gundermann über die Weste bekam.

      »Ich wollte, der Alte hätte nachgegeben, daß du endlich diese Zerstreutheit los würdest!« rief der Arzt ärgerlich. Was soll ich nun meiner Frau sagen? Der Fleck kann doch unmöglich bei einem Patienten entstanden sein!«

      Alexander schlug sich seufzend vor die Stirn; Gundermann lachte, Weitenweber grinste.

      »Bei meinem Herzen« – begann der Schauspieler, aber brummend fiel ihm der Kamäleonsredakteur ins Wort:

      »Bei meinem Herzen? Dummes Zeug! In alten Zeiten schwur in unserm Volk nur das Weib mit der Hand auf der Brust; der Mann schwur bei den Waffen.«

      »Bei meiner Kunst denn!« rief der Schauspieler.

      »Pah, der Schwur kann dir nicht gestattet werden, Mietze!« lachte der Arzt.

      »Nun denn, zum Henker, bei mir selbst; ich wollte« –

      »Obgleich ich weiß, was du wolltest, Alexander, so ist doch eine Verpfändung deines sonst ganz respektabeln Ichs eine sehr bedenkliche Sache. Sehr wenig Sicherheit, Alexander!«

      Der Schauspieler glotzte stier im Kreise umher, ließ stumm die Stirn in beide Hände fallen, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und bekümmerte sich nicht mehr um uns. Gundermann und ich weiheten Weitenweber in die Finkenrodener sozialen Verhältnisse ein, ungeachtet daß der Elende bei den interessantesten Tatsachen auf das unverschämteste gähnte, sich reckte und dehnte. Indem stapfte etwas langsam die Treppe herauf, und jemand klopfte mit dem Stockknopf an die Tür.

      »Der Herr Hauptmann Fasterling?!« rief ich staunend und zweifelnd. Mietze war, wie von einem elektrischen Schlage getroffen, in die Höhe gefahren. Der Doktor hielt sich ein klein wenig an der Stuhllehne; Weitenweber erhob sich langsam und würdevoll.

      »Willkommen! Willkommen, teuerster alter Freund und Gönner!« rief ich dem Vater der holden Sidonie entgegen. »Alexander, einen Stuhl dem Hauptmann! Herr Hauptmann, hier – mein Freund Weitenweber! Weitenweber – der Herr Hauptmann Fasterling! Ich hoffe, die Herren werden gute Freunde werden.«

      »Hoffe ich auch!« sagte Weitenweber, und Gundermann nickte selig dazu. Der Hauptmann aber machte eine steife Verbeugung und warf unbehagliche Blicke nach der Tür, welche sich hinter ihm geschlossen hatte, und nach dem Schauspieler, der ihm gegenüber verlegen mit der Serviette spielte.

      »Ich – ich dachte, ich würde dich allein treffen, Max!« sagte er. »Ich störe die Herren gewiß – –«

      Im nächsten Augenblick war dem alten Herrn des Oheims Lehnstuhl untergeschoben und er darauf niedergedrückt. Den spanischen Rohrstock stellte Gundermann in den Winkel, des weißen Filzhutes bemächtigte sich Weitenweber; auf einen Wink von mir stürzte Mietze Hals über Kopf hinab in den Keller und erschien in derselben Minute wieder beladen mit mehr Flaschen, als meinem Weinvorrate gut war.

      »Aber, aber, meine Herren!« rief der Hauptmann. »Ich komme –«

      »Der Herr Hauptmann ist gekommen!« rief Gundermann. »Meine Herren – der Hauptmann Fasterling lebe hoch – ho – o – och!«

      Wir fielen natürlich im Chor ein, und der Herr Hauptmann setzte dankend das Glas an die Lippen. Er kostete, hob die Augen zur Decke, kostete wieder, dann bog er sich seitwärts zu mir hinüber und flüsterte geheimnisvoll: »Der Alte hatte doch einen feinen Geschmack – wahrhaftig – Max – existiert noch mehr von der Sorte?«

      Ich nickte energisch, warf dem Schauspieler einen bedeutungsvollen Blick zu und rief: »Herr Hauptmann, lassen wir den Oheim Albrecht Bösenberg leben!«

      »Von ganzem Herzen!« sagte der alte Soldat anklingend. »Möge er da oben sich behaglicher fühlen, als er sich hier unten fühlte!«

      »Amen!« sagte ich, und wir alle fünf leerten feierlich die Gläser.

      »Wer nun, um mein unangenehmes, schweres Geschäft so schnell als möglich abzumachen, Max – ich kam – komme – ich kam, um dich zu – bitten – dem – Herrn – Herrn Schauspieler – Mietze – Mietze doch mitzuteilen, daß ich – ich ihm – meine Sidonie – nun und nimmermehr – geben kann! – Gottlob – Ah!«

      Der Schauspieler war leichenblaß geworden, Gundermann trommelte auf dem Tische; nur Weitenweber blickte sehr nüchtern und gleichgültig drein.

      »Aber, Herr Hauptmann –«

      »Lieber Sohn, es geht wirklich nicht – wir passen nicht zueinander – –«

      »Aber Alexander und Sidonie –«

      »Nein! Nein! Nein! Es geht nicht! Es kann nicht gehen! Drei Nächte habe ich schon die Augen nicht zugetan – bitte, bitte, liebster, bester Herr Mietze, bestehen Sie nicht darauf!«

      »Sie machen mich und Ihr Kind unglücklich auf Lebenszeit!« schrie der Schauspieler, die Hände ringend.

      »Lieber,

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