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von Ihnen gedacht – oh – oh!«

      »Mein Gott – da ist ja auch Sidonie!« rief Cäcilie: »ah, und auch Herr Alexander!« –

      Wie oft geschieht es nicht im menschlichen Leben, daß in demselben Augenblick, wo wir in den tiefsten Schmerz versunken sind, wo wir in idealer Verzückung uns in den siebenten Himmel erheben wollen, die Trivialität, der Spott, oder – der Humor anklopft, und uns erniedrigt, verstößt, oder ins Gleichgewicht bringt, soviel an ihnen liegt! Trotz der Tragödie, aus welcher ich eben kam, trotz dem herz-und kopferschütternden Blick in die furchtbare Tiefe der Menschenseele, den ich eben getan, mußte ich laut auflachen: drei Schritte voneinander entfernt, zog das, wie es schien, in flagranti ertappte Liebespaar hinter dem erbosten Papa her, und Waddel, der Gute, trabte in ihrer Mitte, nach rechts und links die Verschüchterten höhnisch anbellend.

      »Ah Cousine – ah Alexander! Seht ihr! Da habt ihr es! Hab’ ich es euch nicht gleich gesagt, Ihr unartigen Kinder? Mein bester Herr Hauptmann, lassen Sie ein strenges Gericht ergehen!«

      »Marsch, Sidonie!« rief der Alte. »Ich will auch mit dir nichts zu schaffen haben, Max. Donnerwett – ach Gott, wenn das deine selige Mutter erlebt hätte, Sidonie!«

      Sidonie stieß einen komisch-betrübten Seufzer aus und schmiegte sich an Cäcilie.

      »Schicke ihn fort, ich gehe mit dir,« flüsterte diese. »Wir müssen den Papa heute noch beruhigen. Kommen Sie, Herr Hauptmann, nehmen Sie mich mit: ich habe Ihnen so mancherlei zu sagen. Ach, seien Sie nicht böse – nehmen Sie mich mit!«

      »Teuerster Oheim und Hauptmann,« sagte ich, »der Vernünftigste gibt nach. Schicken Sie sich drein, und erkälten Sie sich nicht in dem abscheulichen Wetter. Ich bürge für den Alexander!«

      »Schöne Bürgschaft!« brummte der Alte. »Wenn ich nur wüßte, wo mir der Kopf steht! O je, o je, ich wollte, ihr alle« –

      »Papa!«

      »Donnerwetter, Marsch! Marsch! Rechten, Linken, Sidonie! – Rechten, Linken – Rechten, Linken! Kommen Sie, Cäcilie! Rechten, Linken! Ihr beide geht zum Teufel und laßt euch nicht eher bei mir sehen, als bis ich euch Ordre gebe!«

      Damit setzte sich der alte Soldat wieder in Bewegung und zog die beiden jungen Damen mit sich fort. Der Laternenschein verschwand um die Ecke; Waddel ließ zum Abschied sein Kriegsgeheul hören und wies mir die Zähne; – ich stand mit dem Schauspieler in der Dunkelheit allein.

      »Nun?«

      »Ah! Bah! Ah!«

      »Wie hat er euch denn erwischt, Mietze? Beim Zeus! ich wollte, ich könnte dein Gesicht erkennen; die Fratze wird merkwürdig genug sein.«

      »Dummes Zeug!« seufzte jämmerlich der Spiritusfabrikant. Mir ist gar nicht lächerlich zumute, übrigens bin ich doch froh, daß die Sache sich entschieden hat.«

      »Höre, mein Sohn,« sagte ich, – »ich habe die Gewißheit, daß ich diese Nacht nicht schlafen werde; du höchstwahrscheinlich, wie es einem ersten Liebhaber geziemt, auch nicht. Weißt du, du kommst zu mir, bemühst dich, vernünftig zu sein, und erzählst mir den Verlauf der Sache. Es interessiert mich mehr, als du dir vorstellst! Ich gehe jetzt heim, um einen erträglichen Aufenthaltsort herzurichten: du wirst dich zur Frau Agnes verfügen und ihr über das Verbleiben Cäciliens Nachricht geben. In einer Viertelstunde erwarte ich dich.«

      Mit einem Klagegestöhn drehte sich der Schauspieler um, schob seitwärts in die Nacht hinein. Nach einer Viertelstunde aber saß er mir richtig gegenüber, und ausgeziert mit mancherlei Achs und Os, unterbrochen durch sentimentale Brustbeklemmungen und klägliches Atemschnappen, erfuhr ich, daß der alte Hauptmann Fasterling vor dem Fenster des kleinen grünen Hauses vor dem Burgtor plötzlich einen gewaltigen Kernfluch herausgedonnert habe, in einem Augenblicke, wo die Frau Willbrand in der Küche sich befand und Herr Alexander Mietze und Fräulein Sidonie Fasterling – – –

      »Sidonie stieß einen lauten Schrei aus; ich sprang entsetzt in die Höhe, die eintretende Mama Agnes ließ das Teebrett fallen, Waddel bellte, und der Hauptmann, beschneit und bepelzt wie der Knecht Ruprecht, stand mitten zwischen uns – wie ein gemalter Wüterich – – – Ach Sidonie! Sidonie!«

      Ich hielt mir beide Ohren zu vor der Seufzereruption, die jetzt erfolgte. –

      17

       Inhaltsverzeichnis

      Natürlich stand ich so früh als möglich am andern Morgen im Zimmer des Hauptmanns Fasterling regungslos in der Ecke und folgte dem, gleich einem Perpendikel hin und her laufenden wackern, alten Krieger mit den Augen:

      Hier geht er hin! Da geht er hin!

      »Alexander, der Komödiant, hat mir viel Böses erwiesen; der Herr bezahle ihn nach seinen Werken!« sagte ich, frei nach den Worten des Apostels Paulus.

      »Und du bist schuld daran!« schrie der Hauptmann, vor mir anhaltend, und packte mich bei den Schultern.

      »Ich, bester Oheim?«

      »Ja, du! Das will ein Politikus sein, einer von jenen Ränkeschmieden, von jenen schlauen Füchsen – und kann nicht einmal einem jungen Weibe den Kopf zurechtsetzen, kann nicht einmal seinem alten Oheim – geh! Ich habe mich in dir wirklich getäuscht! Da waren wir doch andere Kerle!«

      In des alten Kriegers Zimmer befindet sich auf einem Stehpult eine stets aufgeschlagene Bilderbibel. Ich faßte sanft die Hand des wackern Alten und führte ihn, auf den Fußspitzen gehend, vor das heilige Buch, welches von allem so gut Bescheid zu geben weiß, blätterte einen Augenblick darin und las dann laut und feierlich vor:

      »Und wenn die Männer Gold und Silber und viel köstliche Dinge zusammengebracht haben und werden alsdann eines Weibes gewahr, hübsch von Gestalt und Schönheit, so verlassen sie das alles und wenden alle ihre Gedanken auf das Weib, gaffen sie mit aufgesperrtem Maul an und dichten und trachten mehr nach ihr, denn nach Gold und Silber und allen anderen köstlichen Dingen.« Und weiter:

      »Wohlan, glaubet Ihr mir nicht? Ist nicht der König groß in seiner Macht? Freilich scheuen sich alle Lande, Hand an ihn zu legen.

      Dennoch sah ich ihn und die Apemen, die Tochter des Bertasi, des trefflichen Mannes, des Königs Geliebte, sitze zu der Rechten, des Königs.

      Die nahm die Kron dem König vom Haupt und setzete sie ihr selbst auf und schlug den König mit der linken Hand. Gleichwohl gaffete sie der König mit offenem Munde an: Lachet sie, so lachet er auch; siehet sie ihn sauer an, so schmeichelt er ihr, bis sie wieder zufriedengestellt wird. Liebe Männer, sind denn nicht die Weiber zum mächtigsten, weil sie das tun?«

      »Fügen Sie sich drein, Oheim! Wer kann gegen die Weiber? Machen Sie gute Miene zum bösen Spiel; Sie müssen ja doch!«

      »So? Muß ich?! So!?… Alle sechstausend Schock blutige Teufel! O, ich kenne euch, steckt man euch alle in ein Faß und rollt euch den Berg hinunter, so liegt doch immer ein Taugenichts obenauf!«

      Ich machte eine Verbeugung; das Gleichnis des alten Kriegsknechtes gefiel mir ungemein.

      »Da sitzt nun das Mädchen und spricht kein Wort, und was sie denkt, was sie simuliert – – –«

      »Femme qui pense à coup súr pense à mal.«`

      »Bleib mir vom Leibe mit deinem verd … Französisch!« schrie der Hauptmann, mit dem Fuße aufstampfend. »Und der Hasenfuß ist mir den ganzen Morgen um das Haus geschlichen, wie ein Kater –«

      Welchem der Bratengeruch auf die Nerven gefallen ist. Kenne das, teuerster Oheim.«

      »Teuerster Oheim!« äffte mir der Alte nach. »Hat sich was zu – teuerster Oheim!«

      »Armer, unglücklicher Oheim!«

      »Da hast du recht! ‘s ist ein Trost, daß du es einsiehst. Teufel, welcher böse Geist mußte

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