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niedliches Marzipankörbchen wurde mir unter die Nase gehalten – ich stand da, wie eine Statue der Verblüfftheit, fuhr aber in demselben Augenblick auch wieder aus meiner Erstarrung auf:

      »Himmel – das ist ja die Linke, Sidonie! Die rechte, bis rechte Hand! Zeigen Sie die rechte Hand!«

      Ich griff nach dem widerstrebenden Pfötchen, ich zog es hervor; – mit einem kleinen Schrei ließ Fräulein Sidonie Fasterling eine zierliche Dame, aus Honigkuchen geformt, in meiner Hand zurück – ich stand allein hinter dem Vorhang. Zwei Minuten brauchte ich, um mich zu besinnen –

      »Mietze! Mietze!«

      »Bösenberg, bist du es?«

      »Achtung! Meine besten Glückwünsche – fang«!

      Die Honigkuchenpuppe flog hinaus in die Weihnacht und fiel zu den Füßen des Schauspielers nieder, der sie schnell und verwundert aufgriff.

      »Was soll das, Max?«

      »Das hast du mir zu danken! Geh heim, Alexander, und träume über deinem Glück.«

      »Ich begreife nicht« –

      »Ist auch nicht nötig – mach, daß du fortkommst, der Schwiegerpapa könnte Unrat merken.«

      »Aber Max!«

      »Gute Nacht, Alexander!«

      Ich schloß das Fenster und trat wieder in den lustigen Saal zurück; halb geblendet von dem Schein der Lichter.

      Als sich meine Augen wieder an den Glanz gewöhnt hatten, suchte ich natürlich sogleich nach dem Bäschen und entdeckte sie mit Mühe in dem dunkelsten Winkel an der Seite Cäciliens. – In tiefen Gedanken verspeiste sie soeben den Marzipankorb, welchen sie dem armen Alexander – nicht zugedacht hatte.

      Der glückliche Alexander!

      Wie jubelte und lärmte um mich her die fröhliche Festnacht des Hauses Fasterling! Ich dachte an Weitenweber in seiner öden, unbehaglichen Kneipe – wie wohl würde er sich inmitten dieses Finkenrodener Lumpengesindels gefühlt haben!

      Mit überströmendem Herzen klopfte ich dem Hausherrn auf die Schulter:

      »Oheim Fasterling, Sie sind nicht bloß ein Hauptmann, Sie sind ein Hauptkerl; – Oheim Fasterling, ich schätze Sie – ich bewundere Sie, ich – liebe Sie!«

      »Alter Junge« –

      »Seht Ihr, Max,« rief der riesige Forstmeister, »wir wissen hier in Finkenrode auch zu leben, he?! Wallinger, tut mir um Gottes willen den Gefallen und dudelt nicht solche Begräbnismärsche ab, es ist ja nicht zum Aushalten! Was ich sagen wollte, Max, ist es nicht ein Vergnügen, ein Forstmann zu sein und so von seinen schlimmsten Holzdieben umringt, das Christfest zu feiern?… Nadra, schleicht nur nicht weg, Ihr grinsender Taugenichts! – da – auf Euer Wohl, Ihr undankbarer Geselle!«

      »Bei Gott, allergnädigster Herr Ober-Forstmeister; auf meine allerhöchste Seligkeit« –

      Der Forstmeister von Altenbach winkte lachend mit der Hand und schritt zu einer andern Gruppe. Gegen zwölf Uhr stimmte der Hauptmann plötzlich – Lützows wilde verwegene Jagd an, und viel wacklige und viel hübsche Stimmen sangen das alte Schlachtlied mit: ich aber saß und hatte ein Schattenbild an der Wand ins Auge gefaßt, die seine Silhouette Cäciliens, welche neben mir auf die Tapete des Hauses Fasterling fiel. Ein wonniges, beseligendes Studium der Schönheitslinie, aus welchem mich erst das Getümmel des Aufbruchs der Gäste des Hauptmanns erweckte.

      Cäcilie! …

      Eine Viertelstunde nach Mitternacht glich die alte Stadt Finkenrode einem verkohlenden Stück Papier, auf welchem die leuchtenden Funken umherlaufen und hier und da verschwinden. Ich selbst trug über den Marktplatz einen solchen leuchtenden Funken, die Laterne der Mutter Willbrand. Der alte Wallinger und die Familie Nadra gingen mit uns.

      Als der Türriegel des kleinen Häuschens vor dem Burgtor hinter den beiden Frauen zugefallen war, drückte ich natürlich – den Hut fester in die Stirn, hüllte ich mich fester in meinen Mantel, seufzte tief und schwer und schritt langsam durch die heilige Nacht und die dunkle kleine Stadt meinem eignen, unbehaglichen Hause zu. Eine Gänsehaut überlief mich, und ich fühlte durchaus keine Neigung, ins Bett zu kriechen.

      »Um Verzeihung!« sagte eine Gestalt, auf die ich an der nächsten Straßenecke stieß, – faßte mich aber in demselben Augenblick mit beiden Fäusten vor die Brust:

      »Gottlob, da hab’ ich ihn!«

      »Alexander Mietze?!«

      »Derselbe! Mensch – Ungeheuer – Henkersknecht – sprich oder ich erwürge dich – löse mir das Rätsel: was soll der Gegenstand bedeuten, die Puppe, die ich in der Rocktasche trage?«

      Ich schüttelte die Hände des Schauspielers ab und trat feierlich einen Schritt zurück:

      »Auch du, mein Kind, wirst schwerlich diese Nacht schlafen; gehe mit mir, Alexander, ich will dir das Rätsel lösen.«

      »Wahrhaftig?! O Max, Max, Freund meiner Jugend« –

      »Dummes Zeug – marsch – komm mit mir!«

      Zehn Minuten später erfüllte der Mime das Haus meines Oheims Albrecht mit einem Lärm, wie ihn die alten Wände, die moderhaften Winkel seit langen, langen Jahren nicht vernommen hatten. Ratten und Mäuse verbargen sich in ihren geheimsten Schlupflöchern. Der Schauspieler hatte mich in die Arme gefaßt und drehte sich mit mir springend im Kreise, daß sich ein Stück des Plafonds ablöste und uns auf die Köpfe fiel. Jakob der Rabe hüpfte krächzend, mit den Flügeln schlagend, um uns herum, Renate im tiefsten Nachtkostüm steckte erschreckt den Kopf durch die Tür:

      »Jesus – die Herren!«

      Der Schauspieler zog sie vollständig ins Zimmer. Er umarmte sie in seinem Freudetaumel, wie er mich umarmt hatte.

      »Bösenberg! Bösenberg! Ist es denn wahr? Ist es denn möglich? Nimm Abschied von mir, Freund, der Himmel hat sich geöffnet; ich werde mich sogleich in dieser unendlichen Seligkeit verflüchtigen!«

      Er bedeckte die Honigkuchenpuppe mit den glühendsten Küssen; er warf der erstarrten Renate seinen Geldbeutel in die Schürze; er zog mich von neuem in die Arme, und wie tanzten abermals die Sicilienne, daß das Haus erschütterte.

      Die Alte murmelte etwas zwischen den Kinnladen, wovon ich nur die Worte – »der selige Herr« – verstand. Dann humpelte sie hinaus und kam mit zwei Gläsern Wasser zurück.

      Ich war atemlos auf einen Stuhl gesunken, Mietze auf einen andern.

      »Danke, Renate,« sagte ich, mit dem Wasserglas in der Hand.

      »Ich vergehe!« schluchzte der Schauspieler.

      »Das heißt, er hat sich heute abend verlobt, Renate!« wandte ich mich an die Alte. Diese schlug die Hände über dem Kopfe zusammen und ergoß einen wahren Strom von Glückwünschen, bis sie wieder ins Bett geschickt wurde. Der Schauspieler aber sprang von neuem auf, ich brachte jedoch so schnell als möglich den Tisch und alles, was mir zur Hand war, zwischen mich und den Herzensjubel meines Freundes.

      »Sitze still – beruhige dich – sammle dich!«

      »Ich kann nicht! Ich kann es nicht – Hurra!« schrie der Schauspieler, warf den Hut wieder auf den Kopf, schlug mit der Faust darauf und stürmte hinaus in die Christnacht, gleich einem Besessenen.

      Ich ergriff mit einem tiefen Seufzer und herabhängender Unterlippe von neuem mein Wasserglas und tat einen nachdenklichen Trunk.

      »Das weiß der liebe Gott!… Bah!«

      »Laß dich lieben! Laß dich lieben!« sagte eine Stimme aus einem Winkel, und aus meines Oheims Pfeifenwinkel kroch Jakob, der lateinische Rabe. Langsam drehte ich den Hals nach dem Tiere und beobachtete mit einem geheimen Grauen sein trippelndes Näherkommen. Jetzt stand es vor mir, wetzte den Schnabel auf dem Boden, hob dann den Kopf wieder, legte ihn auf die Seite und blickte fest und starr

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