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murmelt und plätschert immer fort, immer fort. –

      Heiliger Gott, mit was für einem Satze war ich aus den Federn! Noch einmal schwang sich alles, was seit gestern abend in mir und um mich geschehen war, im tollen Wirbel in meinem Kopf herum: der Besuch in dem Häuslein vor dem Burgtor – die Schneenacht – der Punsch – das Erwachen vor zwei Stunden – der Besuch des Schauspielers – das letzte Traumspiel –

      Wie eine Katze, die man aus einem Dachfenster geworfen hat, gelangte ich schwindelnd, zerschlagen auf festen Boden, auf die Füße, physisch und psychisch.

      Beim Zeus, zwei Uhr! Das ist ein Vergnügen! Und so etwas konnte mir in Finkenrode passieren! Ist’s nicht ein Seelen-Gaudium, in solchen Augenblicken Psychologie an sich selbst zu studieren, in solchen Augenblicken, wo man Sprünge macht, wie ein Frosch unter einer Luftpumpe? –

      Mühsam gelangte ich in die Kleider, kroch in den Ofenwinkel und hüllte meinen Mißmut in immer dichtere Tabakswolken. Renate schlich um mich herum; mürrisch, murrend wedelte sie den Staub von den Tischen und Sesseln. Die Tausende von Bänden der Bibliothek meines Oheims glotzten wie ebensoviel böse Feinde aus ihren Fächern auf mich herab; nur Agathe Bösenberg lächelte süß milde wie immer und drückte ihr Kindlein an den Busen. Das Bild fing allmählich an, einen immer unbeschreiblicheren Zauber auf mich auszuüben, und in dem Anschauen desselben wurden die Minuten zu Stunden –

      »Gruß dir, Agathe!« sagte ich wie der Rabe Jakob, welcher die tote Tante und ihr Kind lebend gekannt hatte. »Gruß dir, Agathe!«

      Es war wieder Abend geworden, als ich müde und matt aufs Geratewohl einen Folianten aus einer der Bücherreihen hervorzog, den Staub abblies und aufs Geratewohl ihn aufschlug. Viel kurioses Zeug wurde auf den vergelbten Blättern erzählt; bis tief in die Dämmerung hinein blätterte ich in dem alten Bande –

      »Es war aber derselbigen Göttin Venus Bild ein schönes Weib mit klaren lieblichen Augen. Ihr langes, gelbes Haar hing ihr bis an die Knie; auf ihrem Haubt trug sie einen Krantz von Myrthen mit rothen Rosen umbgeflochten und auf ihrem Hertzen eine brennend’ Fackel mit hellen Strahlen. In ihrem lachenden Munde hielt sie eine beschlossene Rose und in ihrer rechten Hand die ganze Welt, eingetheilt in Himmel, Erden und Meer. Ihre Töchter aber, die Charites, die hatten einander lieblich in die Arme gefasset und hielten einander mit abgewandtem Gesicht Gaben zu – welches bedeut’, daß die Liebe blind ist. Für den gülden Wagen, darauf sie stunden, gingen zween weiße Schwanen und zwo weiße Tauben. –«

      Um zehn Uhr lag ich wieder im Bett und träumte weiter von der Göttin Venus, und den Töchtern derselben, den Charitinnen, und von Cäcilie Willbrand, der schönen, stillen Jungfrau mit der sanften Stimme, in dem kleinen grünen Häuschen vor dem Burgtore von Finkenrode.

      12

       Inhaltsverzeichnis

      Der Hauptmann Fasterling trommelte leise, aber grimmig an der Fensterscheibe; im Nebenzimmer war der Schauspieler Alexander Mietze mit der Skizzierung der Kostümbilder für die »lebendigen Bilder«, von denen oben schon einmal die Rede gewesen ist, beschäftigt. Fräulein Sidonie schaute über die Schulter des Mimen den geschickten Bleistiftzügen desselben zu, und nach einem letzten Blick auf das eifrig beschäftigte Paar schritt ich auf den Zehen zu dem Hauptmann hin und legte ihm leise die Hand auf die Schulter.

      »Nun, teuerster Herr Hauptmann« –

      Ein unverständliches Geknurr unterbrach mich.

      »O, das ist herrlich!« rief Sidonie. »Das ist vortrefflich, lassen Sie mich noch einmal sehen, Herr Mietze!«

      »Teufel! Teufel!« brummte der Hauptmann. »Das ist ein Herz und eine Seele – Himmel und Hölle, bringe sie auseinander, Max!«

      Ich legte den Finger auf den Mund, schritt zu der Tür des Nebenzimmers und zog sie leise zu. Dann legte ich mein Gesicht ln die feierlichsten Falten, trat dicht vor den alten Krieger hin und sprach:

      »Geben Sie sie mir, Herr Hauptmann Fasterling!«

      Der Alte machte einen Satz mitten in das Zimmer hinein.

      »Was? Meine Tochter einem Zeitungsschreiber? Einem von der Linken? Einem Wühler?«

      Ich zuckte die Achseln und ließ einen kläglichen Ausdruck über meine Physiognomie hingleiten.

      »Blücher und Bomben! Hab’ ich da etwa den Iltis gerufen, um den Fuchs zu verjagen? Einem Schlechte-Witzemacher mein Kind – einem Journalisten« –

      »Bürger und Hausbesitzer zu Finkenrode – es wäre noch gar so übel nicht, Papa Fasterling! Aber trösten Sie sich; sie – will mich gar nicht« …

      »Das wollt’ ich ihr auch geraten haben.«

      Ich stieß einen herzzerbrechenden Seufzer aus, und der Alte musterte mich vom Kopf bis zu den Füßen.

      »Na, mein Junge« –

      »Lassen Sie, Hauptmann! Ein Literat ist gleich einer Katze; man mag sie noch so hoch herabwerfen, sie kommt immer wieder auf die Füße,« sagte ich, und verweise auf S. 108.

      »Das ist recht! Das ist brav! Siehst du, mein Junge, ich kann unmöglich mein Apfelpfropfreis auf solch einen sauern Holzbirnenbaum pfropfen – bitt’ um Entschuldigung! – weißt du was, wir wollen ein Glas Wein zusammen trinken!«

      »Teuerster alter Freund,« sagte ich mit einem Blick nach der Seitentür, – »lassen Sie das. Ich habe durchaus keinen Ärger hinabzuspülen. Wir wollen’s für eine andere Gelegenheit aufsparen: wer weiß, was die Zukunft bringt!«

      »Das sagte der Rittmeister Fielitz auch, als er auf einer Schleichpatrouille in Frankreich, in der Dunkelheit sich eine halbe Stunde lang mit einem Zug russischer Husaren herumgeschlagen hatte, welche er für Franzosen hielt. Na, Max, es war nur Euer Spaß eben, nicht wahr?«

      »Ja, es war nur mein Spaß!« sagte ich und horchte auf. Eine andere Stimme erklang noch im Nebenzimmer.

      »Das ist ja Cäcilie Willbrand!« rief der Hauptmann. »Max, das ist ein Mädel! Ach, wenn doch die Sidonie so wäre!«

      Ein rosiger Nebel lag vor meinen Augen, als wir wieder in das andere Zimmer traten –

      Cäcilie Willbrand! – – –

      »O Papa, Papa!« sprang uns Sidonie entgegen. »Sie haben es wieder fertiggebracht! Sie sitzen wieder!«

      »Wer sitzt? Ihr Diener, Cäcilie! Wer hat es wieder fertiggebracht?«

      »Die Nadras, Papa! Meine großen Kinder! Cäcilie bringt uns eben die Nachricht« –

      »Das Teufelszeug!« rief der Hauptmann, – »das Gesindel! Was mag es nun wieder angefangen haben, Cäcilie? Haben sie gestohlen, haben sie sich oder anderen die Köpfe blutig geschlagen? – ich habe wahrhaftig keine Lust mehr, mich mit ihnen abzugeben« –

      »Aber ich!« jubelte Sidonie. »Ich! Sidonie Fasterling!«

      »Und ich!« sagte der Schauspieler leise.

      »Ich auch!« sagte Cäcilie. »Sie behandeln den alten Wallinger sehr gut« –

      »Ich auch!« fiel ich so eifrig als möglich ein. »Schauen Sie nicht so grimmig drein, Herr Hauptmann; wahrhaftig, ich fühle mich ganz kollegialisch zu den Vagabunden hingezogen.«

      »Als wir in Frankreich waren« –

      »Gott, ach Gott, Papa, du bist unerträglich mit deinem ewigen – Als wir in Frankreich waren! … Cäcilie, erzähle, was unsere Schützlinge getan haben.«

      Cäcilie zuckte die Achseln. »Es ist mir völlig unbekannt; Wallinger konnte durchaus keine Nachricht darüber geben, er mengte wie gewöhnlich allerlei Wundersames, Vergangenes und Gegenwärtiges durcheinander. Er ist sich ja nur klar, wenn er seine Geige handhabt, oder vor einem Fortepiano sitzt.«

      »Soll

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