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in die Tür steckend. »Sieh da, Herr Hinterwäldler, wir hörten es schon an dem Spektakel, daß Sie gekommen seien! Was macht Werwolf und Bär, und Uhu und Kauz hinter den Bergen?«

      »Lassen grüßen, ‘s ist nächstens eine große Elsterngesellschaft auf der Brauteiche, ich bringe eine Einladung für Fräulein Sidonie Fasterling mit.«

      Sidonie lachte und drohte mit dem Finger. Das Prasseln und Krachen des Herdfeuers erschallte lustig aus der Küche; die Frau Agnes erschien mit dem Teebrett, neue Begrüßungen wurden gewechselt. Der Dompfaffe im Bauer wachte auf und pfiff einige lustige Noten in das Getümmel, es dauerte eine geraume Zeit, ehe jeder wieder auf seinem Platze saß. –

      Als der Nachtwächter die elfte Stunde abrief, war ich zum Paten des kleinen Weltbürgers im Himmelreich erwählt, und Fräulein Cäcilie Willbrand war zu meiner Gevatterin auserkoren. Käthchen Rösener aber jubelte:

      »O, wie freue ich mich! Ihr kommt alle, alle zu uns! der Winterwald soll euch schon gefallen!«

      Endlich mußten wir uns trennen. Ich begleitete den Förster und sein Weibchen bis zu der Tür des Hauptmanns Fasterling, bei welchem sie ihr Nachtquartier aufgeschlagen hatten, da in der Schmiede nicht Raum genug war. Sidonie schritt lachend und schwatzend neben mir; und hinter uns her, in einer Entfernung von zwanzig Schritten, schlich uns durch die Schneenacht ein dunkler Schatten nach, nach welchem ich unwillkürlich von Zeit zu Zelt über die Schulter zurückschaute. Als ich fünf Minuten später nach einem fröhlichen »Gute Nacht!« meinen Weg nach Hause allein suchen wollte, fand ich denselben Schatten an der nächsten Ecke wartend.

      »Herr Alexander Mietze?!«

      Ein tiefer Seufzer ließ sich vernehmen –

      »Derselbe!«

      Ich brach in ein helles Gelächter aus. »O, du schüchternster aller ersten Liebhaber! Wie haben sich die Zeiten geändert, Alexander! Wie bist du gesunken, Spiritusfabrikant!«

      Der Schauspieler faßte mit tragischer Gewalt meinen Arm. »Lache nicht, Max! Es hilft leider nichts, das Lachen; ich hab’s mehr als einmal versucht – o Sidonie!« –

      Eine Baßstimme brach hier in die Seufzer und Klagelaute des Mimen:

      »Wer bist du, der du in der tiefen Nacht

       Miauzest katerhaft; die Ruhe störend

       Des müden Bürgers und der Bürgerin,

       Daß sie voll Ärger an die Fenster fahren.

       Der Jammerlaute Ursach zu erspähn,

       Und ihre Meinung schnell darob zu sagen, –

       Bist du es, Mietze?« –

      Schnell fuhr ich fort: –

      »Ja, er ist’s, er ist’s!

       Der Unglückselge! Seine weiße Weste

       Deckt ein zerrissen, blutend, bratend Herz;

       Cupido schürt die Flammen –

      und ich, ich führe das Protokoll bei diesem peinlichen Gerichte – guten Abend, Gundermann!«

      »Wahrhaftig, da stehen wir wieder einmal wie drei Studenten, die einen ›Ulk‹ ausfressen wollen!« rief lustig der Doktor, welcher leise herangekommen war, ohne daß wir im tiefen Schnee seine Schritte gehört hatten. »Gaudeamus igitur«

      »Du solltest auch eigentlich bei deiner Frau daheim sitzen, Gundermann!« sagte der Schauspieler mit einem so wehmütigen Ernst der Stimme, daß unsere Heiterkeit ihren Gipfelpunkt erreichte.

      »Das nenn’ ich noch Grundsätze!« lachte der Doktor.

      »Und aus solchem Munde! Oh! oh! oh!« brachte ich mühsam hervor.

      »Alexander, du bist ein großer Charakter!« rief der Arzt pathetisch. »Soll ich Bösenberg die Geschichte von vorgestern erzählen?«

      »Gundermann?!«

      »Heraus damit, Medikus! Alexander, das Lachen schadet der wahren Liebe nichts! Sidonie Fasterling ist derselben Meinung.«

      Mietze seufzte. – »Hier gebe ich meine Geschichte aber nicht zum besten!« rief der Doktor. »Es fängt wieder an zu schneien! Das wird ein lustiger Winter. Was meint ihr, Leute, sollen wir uns noch einmal als Bursche aufspielen, sollen wir noch einmal das Rauhe nach außen kehren?«

      »Es ist eine angebrochene Nacht – Mietze soll uns einen Punsch brauen – das alte Rezept! – Dann wollen wir die Geschichte von vorgestern hören – hurra! ich habe einen Hausschlüssel, wer noch?«

      »Meine Frau weiß, daß ich über Land geritten bin! Mietze, mein Söhnlein, was starrst du nach dem Himmel? Der Mond scheint, gottlob, nicht, und die Sterne haben sich verkrochen. Faß ihn unter den Arm, Bösenberg.« »Ihr seid beide toll!« rief der Schauspieler – »und bei Titanias Zaubermacht, ich habe Lust, es ebenfalls zu werden – kommt denn her; Feuer und Flamme, Gedanken und Rheinwein wollen wir zusammenquirlen, und Mercutio soll kommen und seine Meinung sagen! – Kommt! kommt! kommt! Ich will den Mercutio spielen und Bösenberg den Romeo; – Gundermann aber soll sitzen und zuhören, und pfeifen oder klatschen nach Belieben. – Kommt!«

      Wir wateten der Wohnung des Schauspielers zu: der Doktor voran, der Spiritusfabrikant in den Fußstapfen Gundermanns, ich in den Fußstapfen des Spiritusfabrikanten. Der Vernünftigste marschirte jedenfalls als der letzte.

      10

       Inhaltsverzeichnis

      Sein möglichstes hat der Schauspieler Alexander Mietze getan, um es sich in Finkenrode behaglich zu machen. Er besitzt das weibliche Talent, ein Zimmer gemütlich und hübsch einzurichten, und er bringt dieses Talent zur Anwendung, wo er sein Zelt aufschlägt. Daß die Teppiche mit Flaschenstöpseln, Zigarrenenden und dergleichen wie übersät sind, wird jedes feinfühlende, junge Damenherz auf die Gemütsstimmung des Armen schieben: umgeworfene Stühle und Sessel, beschmutzte und zerrissene Divanüberzüge tun der Behaglichkeit keinen Abbruch.

      »Caliban! Caliban!« rief Alexander, als wir in seinen Räumen angelangt warm.

      Ein Wesen, halb Mensch, halb Gnom, stand plötzlich vor uns, ohne daß man wußte, woher es gekommen war. Ein sechzehnjähriger Zigeunerjunge, der Sprößling einer von diesen wandernden Familien, welche durch unsere jetzigen polizierteren Verhältnisse gezwungen sind, irgendwo eine Art Heimatberechtigung zu erlangen. Es haust in Finkenrode ein ganzes Geschlecht dieses wunderbaren Volkes, die Familie Nadra mit einem Bären, zwei Affen, zwei Eseln, drei Ziegen und unzähligen Kindern: Michel Nadra heißt der Vater, Lena die Mutter, ein uraltes Weiblein, Janna genannt, steht an der Spitze dieses wimmelnden, kreischenden, quiekenden, brummenden Haushaltes, ficht mit den Gerichtsbehörden und den Nachbarn, weiß Mittel gegen Vieh-und Menschenkrankheiten, und wird gefürchtet, gehaßt, verspottet, wie die Gelegenheit es will. Fräulein Sidonie Fasterling ist die erklärte Beschützerin dieses Völkleins, welches für sie durch das Feuer gehen würde; Herr Alexander Mietze hat natürlich dieselben Sympathien, wie Sidonie; die Großmutter Janna ist unerschöpflich im Lobe der jungen Dame, und – Anton Nadra ist der »Caliban«, der Page, der Kammerherr und Stiefelputzer des Schauspielers.

      »Caliban! Caliban! Mehr Feuer in den Ofen – Lichter und Lampen! Hurtig, Sohn der Hexe Sykorax! Setzt euch, meine Herren!«

      Lichter und Lampen flammten auf; Caliban hüpfte hin und her, wie ein Irrlicht; die Flaschen mit den silbernen Hälsen ließen knallend ihre Pfropfen fliegen.

      »Habt ihr die Zigarren gefunden?« rief der Schauspieler, welcher den Rock ausgezogen hatte, und gleich einem Zauberer in den aufsteigenden Dämpfen seines Gebräus waltete. »Achtung, Caliban! Du kannst dir auch einen Glimmstengel anzünden, um dir den Schlaf aus den Augen zu treiben, Taugenichts!«

      »Weiß die Großmutter Janna keinen Trank gegen unglückliche Liebe, keinen Liebestrank, Anton?«

      Der

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