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Nun rutschte er wieder nach oben, bis die Unterkante des Beils gegen den Hosenriemen stieß. Der alte Mann hatte die Luft so gut er konnte angehalten. Nun saugte er sie tief in seine Lungen.

      Gut, dachte Old Bill. Warte, Mister. Kommst du schon wieder zurück? Oben rollen Steine, also bist du noch am Hang. Dreißig Jahre jünger müßte ich sein. Dann hätte ich euch in die Hölle geblasen!

      Old Bill Morgan klemmte nun den Beilstiel sauber fest. Dann krümmte er die Arme, und er schaffte es.

      Er brachte seine Handgelenke genau über die scharfe Schneide.

      Zwei Minuten stieß er die Hände hin und her.

      Dann hörte er Schritte, stieß die Luft aus und wälzte sich auf den Rücken.

      »Na?« fragte der Bandit, als er am Bock erschien. »Es muß bald soweit sein, Morgan. Dann schießen sie Powell zusammen. Ihr werdet es hören können, denke ich. Liegt ihr auch schön ruhig?«

      Antworten konnten sie nicht. Schmutzige Tücher steckten zwischen ihren Zähnen. Sie sahen ihn nur an. Er lachte, ehe er wieder vom Bock sprang. Anscheinend wollte er vermeiden, daß sie zuviel von seinem Gesicht zu sehen bekamen.

      Old Bill tastete wieder nach der Beilschneide. Er schob sie sich zurecht, ehe er die Handgelenke über sie hielt.

      Ich muß schießen, dachte der alte Bill. Ich muß es schaffen. Da waren mindestens sechs Mann, die sich auf uns stürzten. Wenn sie über Rick herfallen, dann hilft dem Jungen nichts mehr. Mein Gewehr, verdammt, wenn ich nur an das Gewehr komme. Der Kerl muß es vom Bock genommen haben. Vielleicht steht es vorn am Wagen?

      Er säbelte weiter, spürte dann den jähen Ruck, dehnte die Arme und hatte die Hände frei.

      Als er sich hinsetzte, sah er in Janes Augen. Seine Hände fuhren hoch, der Knebel aus seinem Mund.

      »Nicht reden«, wisperte der Alte, als er Jane das schmutzige Tuch aus dem Mund zerrte. »Bleib ruhig, Tochter. Gleich habe ich es geschafft.«

      Sie sah, wie seine Augen blitzten. Er grinste breit.

      Jane wußte nicht, daß er sich jung fühlte, gar nicht mehr alt und krank. Er konnte immer noch etwas. Er war immer noch hart genug und zäh wie damals, als sie bei der Bahn gearbeitet hatten, er, Jesse Powell und Honkey Smith.

      Warte, Hundesohn, dachte Old Bill. Dich habe ich gleich. Die Pest an deinen Hals, Mister.

      Er säbelte an seinen Fußfesseln, durchtrennte sie. Dann beugte er sich über Jane. Es dauerte keine Minute, dann war auch sie frei.

      »Bleib liegen«, zischelte er, als er sich sacht aufrichtete und die Plane an der Seite des Wagens langsam etwas hochzog. »Da ist der Hundesohn, am Hang. Ich krieche jetzt nach vorn. Das Gewehr muß irgendwo sein.«

      »Dad, er sieht dich, wenn du über den Bock steigst.«

      Furcht war in ihrer Stimme, Angst um ihn. Er lächelte nur, schüttelte den Kopf.

      »Der sieht mich nicht, er blickt nach Osten. Ganz ruhig, Tochter.«

      Dann kroch er, kam unter dem Sitzbrett durch. Am Vorderbrett stemmte er sich langsam in die Höhe. Sein Kopf ragte nun über das Brett. Old Bill sah zuerst nach unten, aber dort stand sein Gewehr nicht.

      Wo? dachte er bestürzt.

      Da sah er nicht nur sein Gewehr. Er sah auch seinen Revolvergurt. Das Gewehr lehnte an der Kiste, auf die er die Deichsel gelegt hatte, um das Loch zu bohren. Der Gurt lag über der Deichsel.

      »Dad, was ist?«

      »Leise«, flüsterte Old Bill. »Ich muß runter. Drei Schritte nur, an der Kiste ist alles. Komm nach, aber langsam, Tochter.«

      Bill Morgan zog sich hoch. Er rutschte ganz nach außen, sah am Kasten vorbei, zum Hang, ehe er sich gleiten ließ. Der Bandit stand am Hang. Er blickte immer noch nach Osten.

      Runter, dachte Bill, nun stehe ich. Und jetzt, Hundesohn, gehe ich los. Drei Schritte zur Kiste, dann habe ich mein Gewehr.

      Er machte den ersten Schritt, duckte sich und machte den nächsten, dann fuhr er jäh zusammen.

      Über die schroffe Kante des Hanges kam das Dröhnen durch die Nacht. Gewehrfeuer raste los. Rollend, dumpf krachend, so schwoll es an.

      Mein Gott, zu spät, dachte der Alte und sprang los, zu spät.

      Er stürzte auf das Gewehr zu, hörte den Schrei auf dem Hang. Das Gewehr an sich reißend, fuhr Old Bill herum. Und dann sah er den Banditen rennen.

      »He, was machst du alter Schurke?«

      Der Bandit blieb stehen, riß das Gewehr an die Schulter.

      Im gleichen Moment flog auch Old Bills Gewehr hoch.

      Schneller sein, dachte Old Bill, zielte, riß durch, da hast du es, Halunke. In die Hölle mit dir.

      Der brüllende Knall fegte durch das Tal. Der Rückstoß traf seine Schulter. Er sah noch, daß der Bandit schoß, ehe ihm irgend etwas die Beine wegzog und er seitlich gegen die Kiste fiel. Plötzlich wußte er, daß das, was er als Rückstoß des Gewehrkolbens gespürt hatte, der Anprall einer Kugel gewesen war.

      »Jane«, keuchte er mit letzter Kraft. »Jane, komm.«

      Sie schrie, als sie vom Wagen sprang und ihn von der Kiste rutschen sah. Mit zwei Sätzen war sie bei ihm.

      »Dad, was ist?«

      »Paß auf, er steht auf. Er – schießt! Das Gewehr – nimm es, und schieß.«

      Sie schrie nicht mehr, sie stöhnte nur, als sie die Waffe an sich riß und herumfuhr. Dann sah sie den Banditen auf den Knien liegen, die Waffe im Anschlag. Jane Morgan schoß blitzschnell, so wie der alte Mann es ihr beigebracht hatte. Brüllend kam der Knall. Dann kippte der Bandit um. Seine Waffe lag auf den Steinen im Mondlicht.

      »Dad«, flüsterte sie, als sie das Gewehr fallen ließ und sich über Bill beugte. »Dad, wo hat er dich getroffen?«

      »Die Brust«, lallte Old Bill. Das Gefühl eines Ringes, der um seine Brust lag und sich zusammenzog, wurde immer stärker. »Nicht, laß mich liegen. Das Geld, nimm das Geld aus der Truhe. Und dann die Pferde, alle Pferde. Reite nicht durch das Tal. Im Bogen ausweichen, hörst du? Sie werden durch das Tal zurückkommen. Nicht durch das Tal, Jane. Rick wird für dich sorgen. Er hat es versprochen. Er – weiß – alles. Schnell – reite, schnell, sonst…«

      Er sah sie an, groß, bittend, dann fiel er zurück.

      »Dad!« schrie sie, aber er sagte nichts mehr.

      Jane Morgan taumelte zum Wagen und stieg auf. Das Schießen wurde leiser. Es war nur noch Revolverfeuer, das sie vereinzelt hörte. Die Furcht trieb sie nun vorwärts. Mit fliegenden Händen zerrte sie die Satteltasche aus der Truhe, in der das Geld steckte.

      Dann lief sie auf die Pferde am Endbrett des Wagens zu. Ihr blieb keine Zeit zu satteln. Sie schwang sich auf das Reitpferd, band die anderen an zwei Longen und zog sie mit.

      »Dad«, sagte sie zitternd, als sie ritt und das tat, was Old Bill gesagt hatte.

      Fort, dachte Jane, und trieb die Pferde über den Hang, nur fort. Sie kommen her, ich höre es, sie kommen durch das Tal. Wenn sie mich sehen, bringen sie mich um. Was ist aus Rick geworden? Er muß leben.

      Das zerklüftete Gelände nahm sie auf. Die Pferde stürmten mit ihr nach Osten. Jane Morgan hielt nicht an, sie tat es erst nach zwanzig Minuten, als das Dröhnen seitlich neben ihr immer lauter wurde.

      Die Herde, dachte Jane, zitternd vor Angst.

      Jetzt hat Rick keine Pferde mehr.

      *

      Brad Harris hielt fluchend an. Als er abgesprungen war und Mike Graves umdrehte, fluchte er noch wilder. Hinter ihm preschte Grinner den Hang rauf.

      »Die Pferde!« brüllte Grinner erschrocken. »Haris, wo sind die Pferde?«

      »Frag

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