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nicht bedacht: Doc Adams wohnte genau gegenüber. Darum lebte Cartney noch, wenn auch mit einer steifen Hand.

      Snake-Jim nahm behutsam den Ledersack nach vorn. Er legte ihn dicht vor sich hin und dachte einen Moment voller freundlicher Gefühle an Lorenzo Montera. Dann zupfte er am Verschluß des Sackes, den er bis auf ein kleines Loch zugenäht hatte. Snake-Jim löste die Schnur. Er drückte den linken Daumen fest gegen das Leder. Danach klopfte er mit seiner schmutzigen Hand leicht auf den Sack. Er spürte Widerstand und hörte, wie seine Lieblinge sich ärgerten. Sie zischelten alle drei um die Wette und wurden richtig böse.

      Das kannte er.

      Nun hob er den linken Daumen sacht an und sah wie ein Schlangenbeschwörer aus einem Land, das seinen mütterlichen Vorfahren den Namen gegeben hatte, auf das kleine Loch.

      Er brauchte nicht lange zu warten. Die erste Klapperschlange wollte nicht mehr geschlagen werden. Schlangen haben einen Instinkt für den Weg in die Freiheit. Auch das wußte Snake-Jim.

      Die Schlange kam heraus, froh, dem engen Gefängnis entronnen zu sein. Sie zischelte.

      Dann stieß Snake-Jims Hand herunter. Er hätte die Klapperschlange auch mit geschlossenen Augen erwischt. Die Dunkelheit machte gar nichts aus. Er hatte sie und zog sie aus dem Sack. Dann drückte er den linken Daumen wieder auf das Loch.

      Snake-Jim holte aus und warf dann die Schlange im weiten Bogen in den Canyon.

      *

      Devlin fuhr mit einem heiseren Laut des Schreckens herum. Mit einem Ruck riß er sein Gewehr hoch.

      Und dann sah er sie auch schon kommen.

      Die Pferde rasten unter schrillem Gewieher und entsetztem Geschnaube auf ihn zu.

      Er sah nur eine Masse hochgerissener Hälse, weit aufgerissene Nüstern, flatternde Mähnen.

      »Vorsicht!« brüllte Devlin zum Feuer hinüber. »Die Pferde gehen durch! Vorsicht am Feuer!«

      Sie kamen wie ein Block, eine geschlossene, gespenstische Phalanx, die aus der Dunkelheit des Canyons heranraste und genau gegen das rechte Ende des Zaunes anstürmte.

      Devlin rannte zur letzten Stange mit der Schrägverstrebung und riß entsetzt die Augen auf, als die ersten Wildpferde gegen den Zaun sprangen. Das erste Pferd setzte zu einem mächtigen Sprung an, kam in einem unwirklichen, ungeheuer weiten Bogen durch die Luft. Dann schwebte es über dem obersten Draht des Spannzaunes.

      Jetzt, dachte Devlin, geht es rüber, es kommt raus, springt über den Draht.

      Verdammt, was ist da nur geschehen? Sie drehen durch…

      Das Pferd blieb mit der Hinterhand im Draht hängen. Plötzlich neigte es sich vornüber, kam keine drei Yards von dem heranrasenden Devlin entfernt nach einem dumpfen, dröhnenden Aufschlag und einem jähen Überrollen wieder auf die Hufe. Das Pferd jagte auf Devlin zu.

      Er konnte nur noch zur Seite hechten, aber er feuerte, während er gerade noch aus der Bahn kam. Der Schuß hallte donnernd von den Canyonwänden zurück.

      Dann fiel Devlin. Er hörte die Schreie am Feuer, doch er wußte plötzlich, daß sie viel zu spät kommen mußten. Es lag an ihm, ob die Pferde hinter dem Zaun blieben. Und es lag am Zaun, dessen Draht halten mußte, dessen Pfosten umknicken konnten.

      Devlin, der Ire, kam wieder auf die Beine. Er sah im Aufspringen, daß der Zaun schief stand, daß ein halbes Dutzend vom Feuer angeleuchteter Leiber gegen den Zaun donnerten.

      Da feuerte er so schnell er konnte gen Himmel. Und dann brüllte er vor Furcht, denn der letzte Stahlpfosten knickte ab, der Zaun brach um. Die Pferde drehten ab, sie schwenkten, als wollten sie einen neuen Anlauf nehmen, als ahnten sie genau, daß hier die schwache Stelle war. Beim nächsten Ansturm mußte der Zaun endgültig einknicken.

      Was haben sie? dachte Devlin. Was hat sie nur verrückt gemacht?

      Vor ihm lagen die Seile zum Nachspannen des Zaunes. Dort steckten auch die schweren Stahlhaken in der Wand. Devlin feuerte, bis er die Waffe leergeschossen hatte. Er stürzte auf die Seile zu, packte das oberste.

      Den Zaun spannen, das war sein einziger Gedanke. Er mußte ihn mit den Zugseilen wieder aufrichten. Devlin warf sich, das Seil umklammernd, zurück, denn er mußte schneller sein als die Pferde. Wenn sie zurückkamen, ehe es ihm gelang, das obere Spannseil anzuziehen, hatten die Tiere es geschafft.

      Devlin schrie, brüllte, konnte nicht mehr nach dem Revolver greifen, seine Hände packten das Seil.

      No, dachte Devlin, der Ire, ich halte es nicht, ich muß es mir um den Leib winden. Dann zog er das Seil straff, und er wirbelte herum wie ein Tänzer, der eine Pirouette drehte. Dadurch wickelte er sich blitzschnell das Seil um seinen Leib. Und danach rannte er bis zum zweiten Stahlpfosten, als ihm das Seil die Brust zusammenschnürte und ihn jäh stoppte.

      Ira Devlin stemmte sich wie ein Flußschiffer in das Seil und hörte die Pferde kommen. Er schrie nicht mehr, weil ihm die Luft knapp wurde. Er stemmte die Beine ein, hing schief und sah sie heranrasen. Sie kamen genau auf ihn zu, rasten gegen den Zaun.

      Ira Devlin starrte auf die Stange, die neben ihm zitterte, als der erste Gaul dagegenprallte. Dann brach sie unter der Wucht der anstürmenden Pferdeleiber unten ab und schoß auf Devlin zu. Der Staub kam und hüllte ihn ein. Er stemmte sich immer noch gegen das Seil und hielt es mit seinem Körper, durch den rasender Schmerz lief.

      Halten, dachte Ira, ich muß es halten, ich allein, die anderen kommen erst, ich muß halten.

      Schmerz überall – Schmerz, als sich das Seil zusammenzog, Schmerz, als er in die Knie brach und die Schreie hörte, im Staub und durch die Feuerringe, die vor seinen Augen tanzten, seine Partner kommen sah.

      Sie waren wie Schatten, sie warfen sich gegen den Zaun, feuerten in den Himmel.

      Er hatte es geschafft, er allein, der kleine Ira Devlin.

      Doch nun stürzte er, sank auf die Brust. So lag er still. Der Schmerz kam in Wellen – und von irgendwo kam Powells Ruf: »Ira!«

      »Hier«, sagte Ira Devlin matt. »Hier, Boß.«

      Sie waren bei ihm und starrten ihn an, den kleinen Mann, der ganz allein die Herde aufgehalten hatte. Und dann sahen sie die Stahlstange.

      »No«, stöhnte Lorenzo Montera. Die Stange hatte ihn erwischt. »Boß…«

      »Ganz ruhig, Ira, ganz ruhig.«

      »O nein – o nein«, schluchzte Jane Morgan und warf sich an die Brust des alten Bill. »O mein Gott, warum?«

      Honkeys Ziegenbart zuckte. Er stand neben Jane und streichelte ihr über den Kopf. Der alte Bill hielt seine Tochter fest, aber helfen konnten sie nicht.

      Er starb, der kleine Devlin.

      Er lag da und sah das Gesicht Powells über sich verschwimmen.

      Er läßt mich nicht sterben, dachte Ira Devlin, er kann alles, er kann mir auch helfen, er hilft mir bestimmt.

      »Boß!«

      Er schrie und bäumte sich auf. Er schrie mit jener letzten Verzweiflung, die auch ein klein wenig Hoffnung war.

      Nach dem Schrei fiel er zurück und lag still.

      »Er ist tot«, sagte jemand dumpf. Jane Morgan zitterte heftig.

      *

      Sie standen mitten unter nervösen, unruhigen Pferden und hielten die Laternen hoch. Dann starrten sie auf das, was Powell als blutiges Etwas hochhielt.

      Powell warf es hin, und sie wußten, was es einmal gewesen war. Sie wußten auch, wie die Pferde auf das Gerassel einer Klapperschlange reagierten. Als Powell noch einmal über den Boden leuchtete, sahen sie noch mehr. Im Abstand von nur wenigen Schritten war der Boden zertrampelt. Pferde stampften Schlangen mit den Hufen tot. Genauso sah der Boden aus – zerstampft von den Hufen!

      »Klapperschlangen!« keuchte Lorenzo, während Honkey Smith losfluchte und

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