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wußte er, daß er eine Chance hatte. Sie war vor ihm, eine doppelte sogar: die beiden vorderen Pferde. Lorenzo hatte sie nicht angebunden. Sie hatten sich schon beim ersten Knall bewegt. Nun kam der zweite Schuß. Der Absatz flog davon, traf die Flanke eines der Pferde. Das Pferd stieg wiehernd.

      Aus dem langsamen, behutsamen Gehen fegte Powell mit einem jähen Satz los. Er sah nur, daß das Pferd sich drehte, der Hals sich ihm zuwendete. Im gleichen Augenblick stieß Powell sich ab. Sein wilder Satz wurde vom Krachen des Revolvers begleitet, doch in diesem Moment war das Pferd bereits mit der Brust zwischen ihm und Cole Young.

      Powell hörte deutlich das Klatschen, mit dem die Kugel das Pferd traf. Er wußte, das Tier war verloren, aber er flog herum, wirbelte blitzschnell an die Flanke des Pferdes von Lorenzo. Seine Rechte schnellte hoch, riß Lorenzos Gewehr aus dem Scabbard.

      Dies war die Chance. Seine einzige, weil er mit seinem Revolver nur auf fünfzehn Yards im blitzschnellen Feuern sicher ein Ziel treffen konnte. Aber es waren fünfundzwanzig, die ihn von Cole Young trennten.

      Noch einmal stieß sich Powell ab, noch einmal wirbelte er zurück. Das Pferd brach zusammen. Er wußte es, ehe er ganz herum war. Darum knickte er ein, schlug einmal die Rechte nach vorn, stieß den Unterladebügel weg und riß ihn wieder an.

      Dann kam der Augenblick, den er erwartet hatte. Das Pferd brach auf dem Fleck zusammen. Doch während es stürzte, schnellte Powell aus der Hocke wieder in die Höhe. Er tauchte über dem zusammenbrechenden Pferd auf. Das Gewehr lag an seiner Hüfte im Anschlag.

      So sah er Cole Young vor sich, einen Mann von mittlerer Größe mit einem schmalen gelblichen Gesicht und tief eingekerbten Mundfalten. Er sah wie die Augen Youngs sich weiteten und seine Hand herumruckte.

      Ich habe ihn, dachte Powell. Plötzlich war jenes Gefühl der absoluten Treffsicherheit in ihm, das nur ein erfahrener Gewehrschütze kannte.

      Und dann zog er durch.

      Young schrie zwei-, dreimal, bis seine Stimme in Stöhnen überging. Dann kippte er langsam auf die rechte Seite.

      Er sah Powell mit einem Blick tödlichen Hasses an. In der nächsten Sekunde verdrehte er die Augen. Und dann fiel er auf den Rücken. Er stöhnte nun nicht mehr. Er war ohnmächtig.

      Über Powells Rücken lief Kälte und ließ ihn frösteln. Dieser letzte Blick ­Youngs verriet ihm, daß Young nicht eher Ruhe haben würde, bis er ihn tot vor sich liegen hatte. Nie zuvor hatte Powell in den Augen eines Mannes so viel Haß gesehen.

      Es schauderte ihn, als er den Kopf hob und auf die Straßenecke sah, um die Sheriff Carrington in langen Sätzen gestürmt kam. Plötzlich spürte Powell, daß seine Knie zitterten und ihm der kalte Schweiß ausbrach. Sein Blick glitt zu seinem Grauschecken hinab. Er war sein bester und ausdauerndster Schecke gewesen.

      »Boß«, stammelte Lorenzo.

      »Yeah«, sagte Powell düster. »Schade um das gute Pferd, aber es war meine einzige Chance.«

      »Rick!« keuchte der Sheriff und schnappte nach Luft. »Er schoß viermal. Und du lebst noch? Ist er tot?«

      »No«, antwortete Powell kopfschüttelnd. »Die nächsten drei Wochen reitet er nicht. Laß ihn laufen, Amos, er ist verrückt vor Haß.«

      »Was?« ächzte Carrington. »Du willst nichts gegen ihn unternehmen? Bist du…?«

      »Ich bin nicht verrückt«, erwiderte Powell leise. »Das solltest du Young fragen, wenn er aufwacht. Der Mann bringt sich mit seinem Haß eines Tages allein um. Mach mit ihm, was du willst, Amos.«

      Carrington sah ihn verstört an.

      »Weißt du, was du sagst?« erkundigte er sich dann. »Rick, eines Tages bringt er dich um, ist dir das klar?«

      »Ich konnte es nicht tun. Nenn mich einen Narren, aber ich brachte es nicht fertig. Lorenzo, das alles hat uns genug aufgehalten. Wir müssen die Pferde holen und dann schleunigst zur Ranch. Uns bleiben keine vier Wochen, um den Rest unserer Herde für Glenns Ferry zu fangen, verdammt wenig Zeit, Alter.«

      »Wir schaffen es, Boß. In einer Woche sind wir in der Granite Range und haben die ersten Wildpferde im Corral.«

      *

      Morgen, dachte Powell, als er aus dem Fenster sah, morgen brechen wir auf. Die Wagen sind beladen, und die Sperrzäune zusammengepackt. Neunzehn Männer werden die Herde nach Norden in die Granite Range treiben. Dort waren noch vor drei Wochen zwei Wildpferdherden, prächtige Tiere, die wir fangen werden.

      Er stützte einen Moment den Kopf in beide Hände. Nach der Arbeit der letzten Tage kam nun ein Nachmittag der Ruhe. Der Morgen würde den Aufbruch von drei Wagen, vierzig Reit- und Ersatzpferden und jenen hundertachtzig anderen Pferden bringen, die sie eingefangen, zugeritten oder überall gekauft hatten.

      Powell dachte einen Moment an Brian Young, der im Leben so wild und rauh gewesen war.

      Ich möchte wissen, von wem sie erfuhren, daß Heath unterwegs war, grübelte Rick Powell. Vielleicht kannten sie Quailes?

      Powell zuckte die Achseln. Angeblich war Quailes, gleich nachdem ihn Old Bill von der Ranch gejagt hatte, nach Kalifornien gefahren.

      Zum Teufel mit dem ganzen Gesindel, dachte Powell finster. Ich habe andere Dinge zu tun, als mir den Kopf über Quailes, diesen fetten Frosch, zu zerbrechen.

      Bill will mit, er kommt gleich mit Wagen und Hausrat, von dem er sich nicht trennen kann. Na gut, ich nehme ihn mit. Wenn er wirklich so krank ist wie er sagt, wäre es verdammt gemein, würde ich ihn abweisen. Er will, daß ich mich, sollte ihm etwas geschehen, um Jane kümmere. Und Honkey, dieser alte Ziegenbart, der für uns alle kochen wird, tut noch so, als müßte ich mich sogar um Jane kümmern.

      Powell fluchte leise. Er hatte Jane vier Jahre nicht mehr gesehen. Angeblich hatte sie heute noch was in der Stadt zu besorgen gehabt und sollte irgendwann an diesem Nachmittag kommen.

      Ein Girl, dachte Powell mürrisch. Als wenn ich was mit Girls anfangen kann? Kann mich nur erinnern, daß sie spindeldürr, langbeinig und steif wie ein Fohlen bei der Beerdigung damals neben Bill stand. Ihre braunen Augen waren voller Tränen, aber richtig geheult hat sie nicht. Was sich Bill und Honkey so denken, verdammt. Ich habe ja sonst nichts zu tun.

      Er hörte Hufschlag, hob den Kopf und sah wieder aus dem Fenster. Dann sperrte Rick Powell zuerst die Augen und danach den Mund höllisch weit auf. Über den Hof jagte ein Mädchen mit langwallenden blonden Haaren. Das Girl trug den Hut an einer Kordel im Nacken, hielt vor der Küche am Balken an und schwang sich aus dem Sattel. Die langen Beine steckten in Jeans, das gelbe Hemd war in die Hose gestopft. Über dem Hemd trug das Mädchen eine braune Lederweste.

      »Ho, Tochter, da bist du ja«, sagte Old Bill Morgan, der nun mit Honkey Smith aus der Küchentür trat. »Wir können mitfahren, meint Rick. Rick…«

      Er entdeckte Powell am Fenster, Rick klappte seinen Mund hastig zu. Dann stand er auf, ging hinaus und blieb vor Jane Morgan stehen.

      »Mr. Powell, Dad war sicher, Sie würden uns mitnehmen«, sagte Jane verlegen. »Danke, Mr. Powell.«

      »Mr. Powell?« fragte Honkey. »He, was ist das denn? Früher sagte sie doch Rick zu dir, Junge, oder? Jetzt fang du nur noch an, sie Miss Morgan zu nennen. Eure Väter waren die besten Freunde. He, Rick, was sagst du dazu?«

      Rick Powell zwinkerte etwas. Er betrachtete Jane Morgan mit einer Mischung aus Staunen und Bewunderung. Es waren die gleichen Augen wie damals, als sie ihre Mutter begraben hatten, aber ihre Figur und ihr Gesichtsschnitt hatten sich vollkommen verändert. Vor Rick stand eine junge Lady, in deren Wangen nun die Röte der Verlegenheit schoß.

      Alle Teufel, dachte Powell, sie ist so verdammt hübsch, daß diese ganze Horde wilder Pferdefänger herüberschielt.

      »Was ich dazu sage?« fragte Powell. »Daß du ausnahmsweise mal recht hast, Honkey. Hallo, Jane, oder soll ich Miss Morgan sagen?«

      »Das fehlte noch!« polterte Old Bill. »Ich hätte wirklich öfter mit ihr herkommen

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