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den ersten und bereute seine Unhöflichkeiten.

      »Eine Erziehung haben diese jungen Leute von heute! Es ist einfach nicht zu glauben.« Agatha Simpson war entrüstet, maß die beiden Männer mit einem strafenden Blick und bestieg dann den Wagen, dessen Tür Parker höflich schloß. Dann setzte er sich ans Steuer und verließ den Parkplatz.

      »Wissen Mylady möglicherweise, was sich in der Aktentasche befindet?« erkundigte sich Parker, als er die Straße erreicht hatte. Ein Blick in den Rückspiegel hatte ihm gezeigt, daß der kleine Zwischenfall auf dem Parkplatz von der Öffentlichkeit nicht bemerkt worden war. Dazu war erfreulicherweise alles zu schnell geschehen.

      »In der Tasche befindet sich wahrscheinlich Wettgeld«, erwiderte die Detektivin animiert. »Sagt Ihnen der Name Joe Calster etwas, Mister Parker?«

      Der Butler bemühte sich ehrlich, sein tiefes Luftholen nicht zu zeigen, doch es gelang ihm nur recht unvollkommen.

      »Joe Calster«, wiederholte Agatha Simpson noch mal, aber bedeutend lauter. »Schnaufen Sie nicht, antworten Sie lieber!«

      »Mister Joe Calster, Mylady, gilt in eingeweihten Kreisen als der Chef einer Bande, die sich mit verbotenem Wettspiel befaßt«, erklärte der Butler, der sich wieder unter Kontrolle hatte. »Besagter Joe Calster soll ein äußerst bedenkenloser, ja, fast brutaler Gangster sein.«

      »Dann wird es höchste Zeit, diesem Subjekt gute Manieren beizubringen«, entschied Agatha Simpson unternehmungslustig und rückte sich wohlig auf dem Sitz zurecht. »Ein guter Nachmittag, Mister Parker, finden Sie nicht auch?«

      *

      Dr. Harold Bushford war groß, schlank und elegant, ein Mann von etwa fünfundvierzig Jahren.

      Er sah gereizt auf, als Agatha Simpson sich in seine Ordination schob, kniff dann ratlos die Augen zusammen und wußte mit der majestätischen Erscheinung der älteren Dame nichts anzufangen. Vielleicht hatte er sofort erkannt, daß diese Frau ganz sicher keine psychiatrische Hilfe brauchte, dazu sah sie einfach zu dynamisch aus.

      »Wer hat Sie hereingelassen?« fragte er, nachdem er sich von seiner Überraschung erholt hatte. »Ich habe keine Sprechstunde mehr. Hat meine Sprechstundenhilfe Ihnen das nicht gesagt? Miß Merlin! Miß Merlin, wo stecken Sie denn?«

      Kay Merlin erschien.

      Die Sprechstundenhilfe des Psychiaters war eine adrette Blondine von etwa dreißig Jahren, ein wenig mollig wirkend. Sie machte einen leicht verstörten Eindruck und sorgte dafür, daß sie nicht zu nahe an Agatha Simpson herankam.

      »Miß Merlin ist unschuldig«, raunzte die Detektivin den Psychiater an. »Sie hätte mich niemals aufhalten können, Doktor. Ich habe nämlich mit Ihnen zu sprechen.«

      »Das ist Lady Simpson, Doktor«, flüsterte die Sprechstundenhilfe beeindruckt.

      »Ich habe meine festen Sprechstunden«, gab Dr. Bushford zurück. »Bitte, Mylady, machen Sie mit meiner Sprechstundenhilfe einen passenden Termin aus! Ich bin überbeschäftigt.«

      »Sie suchen nach der ›Wanze‹, nicht wahr?« Agatha Simpson schloß vor Kay Merlins Nase die Tür und marschierte zum Schreibtisch, hinter dem Dr. Bushford stand.

      »Sie wissen?« Der Psychiater sah die ältere Dame überrascht an.

      »Mein Butler war schon bei Ihnen«, erklärte sie und ließ sich in dem Besuchersessel nieder. »Sie waren sehr zurückhaltend, Doktor, was den Namen Ihrer Patientin betrifft.«

      »Den kann ich nicht nennen, Mylady«, schränkte der Psychiater ein. »Ich müßte vorher mit ihr reden und ihr Einverständnis einholen.«

      »Haben Sie die Dame bereits informiert, Doktor?« Agatha Simpson sah den Mann scharf an.

      »Wie komme ich eigentlich dazu, Ihre Fragen zu beantworten?« brauste Dr. Bushford auf. »Dieser Fall geht nur die Polizei etwas an.«

      »Haben Sie sie bereits verständigt, Doktor?«

      »Ich habe jetzt keine Zeit mehr, Mylady.« Dr. Bushfords Stimme klang eisig.

      »Aber ich«, stellte die Detektivin kriegerisch fest. »Obwohl Sie wissen, daß sich hier in Ihrer Ordination eine ›Wanze‹ befindet, haben Sie noch nichts unternommen. Ich nenne das Dummheit und Fahrlässigkeit.«

      »Unsinn. Wer sagt denn, daß es diese ›Wanze‹ tatsächlich gibt? Das ist doch nur eine Behauptung Ihres Butlers.«

      »Der Sie zumindest nachgehen sollten, Doktor. Haben Sie denn noch immer nicht begriffen, um was es geht? Ihre Patienten breiten ihr Seelenleben vor Ihnen aus, Doktor, sprechen über die intimsten Dinge. Gleichzeitig aber wird das alles von einer ›Wanze‹ nach draußen übertragen und abgehört. Geht Ihnen jetzt endlich ein Licht auf, Doktor? Haben Sie nun kapiert?«

      »Worauf wollen Sie hinaus, Mylady?« Harold Bushford machte nun doch einen betroffenen Eindruck, zumal die Tonart der Dame nicht gerade seinem Naturell entsprach.

      »Du lieber Himmel, Doktor, sind Sie begriffstutzig«, wunderte sich Agatha Simpson und maß den Psychiater mit einem verweisenden Blick. »Haben Sie das Wort Erpressung schon mal gehört? In welchem Jahrhundert leben Sie eigentlich? Mit den Informationen, die die ›Wanze‹ liefert, lassen sich tolle Geschäfte machen. Muß ich noch ausführlicher werden, junger Mann?«

      »Wer... wer sollte diese ›Wanze‹ denn bei mir angebracht haben?« Dr. Bushford war inzwischen ein Licht aufgegangen. Er wurde nervös und machte einen bestürzten Eindruck.

      »Das werde ich selbstverständlich noch herausfinden«, erklärte Lady Agatha Simpson. »Jetzt möchte ich erst mal wissen, wer die verzweifelte Dame in Ihrer Praxis war, die Selbstmord begehen wollte?«

      »Ich... ich werde sie sofort anrufen.«

      »Dort steht das Telefon, Doktor.«

      »Also gut, ich rufe an, Mylady.« Dr. Bushford baute sich vor dem Apparat auf, daß die Detektivin nicht sehen konnte, welche Nummer er wählte. Es dauerte einen Moment, bis auf der Gegenseite abgehoben wurde. Dr. Bushford nannte seinen Namen, wandte sich plötzlich nach Lady Simpson um, schluckte und wirkte sehr bestürzt.

      »Ich bin der Psychiater von Missis Dorothy Windlow«, sagte er dann. »Wie bitte? Selbstmord? Nein, das kann doch nicht wahr sein, Superintendent. Ja, natürlich, ich stehe Ihnen zur Verfügung. Ja, ich werde hier in meiner Praxis auf Sie warten, Sir.«

      Dr. Bushford ließ den Hörer in die Gabel fallen und machte einen völlig verstörten Eindruck.

      »Sie hat Selbstmord begangen«, sagte er schließlich. »Missis Windlow ist tot.«

      »Ahnen Sie endlich, was diese ›Wanze‹ alles anrichten kann?« fragte Agatha Simpson streng.

      »Was ... was hat dieser Selbstmord mit der ›Wanze‹ zu tun?« Dr. Bushford sah die ältere Dame geistesabwesend an.

      »Wahrscheinlich ist diese Missis Windlow erpreßt worden«, antwortete die Detektivin in einem Ton, als sei das bereits eine erwiesene Tatsache.

      »Weil ihr Mann sie betrügt?« Dr. Bushford hatte sieh wieder gefaßt und schüttelte den Kopf.

      »Nun ja, immerhin.« Agatha Simpson geriet ein wenig aus dem Konzept, denn dieses Motiv schied tatsächlich als Grund für einen Selbstmord aus.

      »Ich werde alles Weitere mit der Polizei besprechen«, sagte der Psychiater. »Ich werde natürlich meine ganze Praxis nach verborgenen ›Wanzen‹ untersuchen lassen, Mylady.«

      Agatha Simpson vermißte gerade in diesem Augenblick ihren Butler, den sie nicht mitgenommen hatte. Sie selbst wußte nicht weiter. Es fielen ihr keine Fragen mehr ein. Sie kam sich ein wenig ausgebootet vor, worüber sie sich natürlich ärgerte.

      »Sie werden noch von mir hören«, sagte sie also grimmig, um sich einen guten Abgang zu verschaffen. Dann trat sie den Rückzug an und suchte nach einem geeigneten Objekt, wo sie ihren Ärger ablassen konnte.

      *

      »Wenn

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