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entgegenkommend. »Worin bin ich gut?«

      »Was meinst du?«

      »Was ist meine ganz besondere Fähigkeit, die mir damals sogar den Job als Lifestyle-Experte beim Fernsehen verschafft hat?«

      »Ach ja.« Jetzt lächelte Flemming ebenfalls. »Ein Profil von Menschen zu erstellen, ausschließlich anhand ihrer Einrichtung. Ich fange an zu verstehen, worauf du hinauswillst.«

      »Jedenfalls bin ich ein kompetenter Berater. Und außerdem mache ich es völlig umsonst, das kann doch dem Hauptkommissar nicht so schwer zu erklären sein, oder?«

      »Er erfährt vor morgen sowieso nichts. Es ist immer einfacher, eine Entschuldigung zu finden, als eine Erlaubnis zu bekommen.« Flemming dachte nach. »Okay!«, rief er einen Moment später aus. »Dann komm in Gottes Namen mit, Dan. Aber du tust, was ich sage!«

      Als sie am späten Abend die Nachricht erhielten, dass die Techniker die Wohnung verlassen hatten, steckte Dan den Kopf ins Wohnzimmer, wo Marianne mit untergezogenen Beinen vor dem Fernseher saß. »Wir verschwinden noch für ein paar Stunden.«

      »Okay.« Sie drehte nicht einmal den Kopf nach ihm um.

      Dan stand unentschlossen im Zimmer und starrte mit leerem Blick auf den Nacken seiner Frau. Der signalisierte in aller Deutlichkeit, dass er den ersten Schritt zu tun hatte, wenn es zu einer Versöhnung kommen sollte. Er stellte sich hinters Sofa, legte die Arme um ihre Schultern und seine Wange an ihr Haar. »Entschuldigung, dass ich dich unter Druck gesetzt habe.«

      Marianne tätschelte seinen Arm. »Ist schon okay«, sagte sie dann. »Aber ich möchte das gern sehen.«

      Dan hob den Kopf. Auf dem Bildschirm rannte irgendein eingefroren lächelnder Stand-up-Komiker in dem verkrampften Versuch hin und her, Quizmaster zu spielen. Nicht gerade Mariannes bevorzugtes Programm. Dan lächelte vor sich hin. »Na dann«, sagte er, »viel Vergnügen.«

      Sie hielt den Blick starr auf den Bildschirm gerichtet. Dan zuckte mit den Achseln und ließ sie in Ruhe.

      Kurz darauf standen die beiden Männer in dem Haus, in dem Lilliana gewohnt hatte. Die Eingangstür hatte sperrangelweit aufgestanden, die meisten Glühbirnen im Hausflur waren kaputt, nur im Erdgeschoss gab es Licht. Je länger sie die Treppe hinaufgingen, desto schwieriger wurde es, sich zu orientieren. Es roch streng nach Katzenpisse, und im zweiten Stock mischte sich der Anflug von Erbrochenem in das Gesamtbild der Geruchseindrücke. Flemming schaltete seine Taschenlampe ein und richtete das Licht auf einen Papierfetzen, der an der Tür zur Dachwohnung als Namensschild diente. Sally. Kein Nachname und nicht ein einziger Hinweis auf Lilliana.

      Frank Janssen öffnete ihnen. Er schien einen Moment irritiert, als er sah, dass sein Chef schon wieder seinen kahlköpfigen Freund mitbrachte, aber er sagte nichts weiter dazu. »Die Techniker haben mich gebeten, dafür zu sorgen, dass sich niemand außerhalb der Markierungen auf dem Boden bewegt. Das ist der einzige Bereich, den sie noch nicht überprüft haben, also berührt so wenig wie möglich.« Der letzte Satz richtete sich eindeutig an Dan.

      »Gut, Janssen. Bleibst du, oder möchtest du gern nach Hause?«, erkundigte sich Flemming.

      »Wenn ich ehrlich bin, würde ich gern ein paar Stunden schlafen. War ja gestern auch schon spät …«

      Als seine Schritte auf der Treppe nicht mehr zu hören waren, betraten Flemming und Dan die Wohnung. Sie standen in einem schmalen dunklen Flur. »Zieh die an«, sagte Flemming und reichte Dan ein paar dünne Gummihandschuhe. »Und fass nicht mehr an als absolut nötig.«

      »Ist ja gut«, erwiderte Dan und zog die Handschuhe an. »Wie oft willst du das eigentlich noch sagen?«

      Flemming zuckte mit den Achseln und sah sich um. Jemand hatte ein paar hochhackige, knallrote Stiefel in eine Ecke geschmissen. An einem Haken hing ein schwarzer Regenmantel. Er öffnete eine braun lackierte Tür, die zur kleinsten Toilette führte, die Dan je gesehen hatte. Es gab tatsächlich nur Platz für die Toilettenschüssel und eine Rolle Klopapier, an ein Waschbecken war nicht zu denken. Flemming gab der Tür einen Stoß mit dem Ellenbogen, sie fiel wieder zu. Sie gingen in die Küche. Hier lagen Seife, Shampoo und ein zerschlissenes gestreiftes Handtuch. Auf dem Fensterbrett stand ein Bierglas mit dem Carlsberg-Logo. Darin steckten eine Tube Zahnpasta und zwei Zahnbürsten, eine gelbe und eine weiß-blaue.

      Dan zeigte darauf: »Kannst du mir mal erklären, warum Zahnbürsten heute aussehen müssen wie Joggingschuhe? Was sollen bloß diese ergonomischen Winkel, bunten Gummiplatten, Zungenschaber und was weiß ich nicht alles? Und wieso bekommt man keine Zahnbürste mehr, die einfach rot oder blau ist?«

      »Ich hab’s begriffen.« Flemming hielt abwehrend eine Hand in die Luft. »Klar bekommt man die noch, aber vermutlich werden sie nicht so oft gekauft. Ich wette, deine Zahnbürste ist auch so ein neumodisches Ding?«

      »Ja, schon.« Dan sah nachdenklich aus. »Aber wenn man eine Zahnbürste ohne all das Zeug bekäme, die genauso effektiv ist, dann würde ich …«

      »Ganz ehrlich, Dan. Halt die Klappe. Ich habe im Augenblick keine Lust, mir deine Designtraumata anzuhören.« Flemming wandte sich der Spüle zu.

      Es stand kein schmutziges Geschirr in der Spüle, aber auf einem Plastiktablett fanden sich ein Wasserglas und ein paar umgedrehte weiße Teller, daneben ein bisschen Besteck, alles sauber und eindeutig nach dem Spülen zum Trocknen abgelegt. Flemming öffnete den Kühlschrank, ohne den Handgriff zu berühren. Er war nahezu leer. Eine offene Plastikschale mit Käse in Scheiben, ein Rest Gurke, ein halbes helles Brot und ein Päckchen Butter lagen auf den sorgfältig geputzten Glasablagen. In der Tür standen Ketchup und eine ungeöffnete Flasche Champagner.

      »Fällt die nicht etwas aus dem Rahmen?«, fragte Dan und griff nach der Flasche.

      »Stopp!« Flemming schubste ihn beiseite. »Du sollst nicht mehr als unbedingt nötig anfassen! Versuch, daran zu denken, Dan.«

      »Sorry.« Dan starrte noch immer auf die Flasche, sagte aber nichts mehr.

      Flemming untersuchte die Küchenschränke, einen nach dem anderen, berührte aber weder die Türgriffe noch die Dinge, die auf den Ablagebrettern standen. Nichts sah besonders interessant aus. Also gingen sie weiter in den kleineren der beiden Wohnräume. Er lag zum Hof des Gebäudes und war wie eine spartanische, wenn auch ziemlich bunte Einzelzelle eingerichtet. Eine schmale Liege mit einem abgenutzten orangefarbenen Bezug und einer pinkfarbenen Plüschkatze als einzigem Schmuck; ein winziger Schreibtisch aus verkratztem weißem Melamin mit einer Schublade unter der Tischplatte; ein großer, orangefarbener Plastikhocker.

      »Die Möbel sehen aus, als hätte sie jemand auf dem Sperrmüll gefunden«, sagte Dan.

      Flemming antwortete nicht. Am Fußende des Bettes lagen drei, vier Paar Schuhe auf dem Boden, alle hochhackig und in kräftigen bunten Farben, alle in Größe 41 – wie die roten Stiefel im Flur.

      Flemming zog einen der Kästen unter der Liege hervor. Er war voller Kleidung in fröhlichen Farben und frechen Mustern. Der andere Kasten enthielt ziemlich aufreizende Damenunterwäsche: einen türkisfarbenen BH mit grüner Stickerei, einen knallroten Spitzen-BH, mindestens zehn verschiedene G-Strings in unterschiedlichen Farben, ein pinkfarbenes Seidenmieder.

      »Lillianas?«, fragte Flemming und hielt einen winzigen kobaltblauen BH in die Luft.

      »Glaub ich nicht«, sagte Dan. »Lass mich mal sehen.« Er sah sich die Größenangabe an. »70A. No way. Lilliana hatte einen größeren Busen, soweit ich mich erinnere. Und sie war auch nicht so schmal.«

      Flemming legte den BH wieder in die Schublade. »Ich denke, wir können festhalten, dass der Rest dieser Kleiderkiste wohl Sally gehört.«

      »Bestimmt.« Dan ließ den Blick durch den kleinen Raum schweifen. Die Tapete hatte einen Wasserschaden und war fleckig, aber Sally hatte sich immerhin die Mühe gemacht, die Schräge über der Liege mit Bildern zu bekleben, die sie aus Illustrierten und Reklamewurfsendungen ausgeschnitten hatte. Ein Katzenjunges in einem alten Stiefel, Johnny Depp als Willy Wonka, ein Strand mit Palmen, eine Doppelseite mit Galakleidern von der

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