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tanzenden Flammen berührte Dan aus irgendeinem Grund. Er schloss die Haustür auf und zog den Mantel aus.

      Marianne kam in den Flur und zog die Wohnzimmertür hinter sich zu. »Benjamin Winthers Mutter ist gerade gekommen. Sie sitzt im Wohnzimmer.«

      »In unserem Wohnzimmer?«

      »Nein, im Wohnzimmer der Nachbarn!« Sie stupste ihren Mann vor die Brust. »Hör mir doch einmal zu, du Klapskopf. Dein guter Freund Flemming hat den Jungen in eine Zelle auf dem Präsidium gesperrt, weil er sich weigert zu erklären, warum er die Polizei nicht angerufen hat, als er Lillianas Leiche fand. Seine Mutter sitzt hier, weil sie und Benjamin meine Patienten sind. Ich bin eine der wenigen, die ihre Geschichte kennen, und weiß, dass ihr verrücktes Verhalten einen vernünftigen Grund hat. Ich versuche sie gerade davon zu überzeugen, alles der Polizei zu erzählen, aber auf die ist sie wirklich richtig wütend.«

      »Flemming kommt in einer Stunde«, unterbrach Dan.

      »Hierher?«

      Er nickte.

      »Du meine Güte! Gut, dass du es sagst.« Marianne zog an einer Strähne ihres widerspenstigen Ponys, während sie nachdachte. »Okay, dann fahre ich Alice jetzt nach Hause und rede dort mit ihr weiter. Ich hoffe, ich kann sie dazu bringen, sich Flemming anzuvertrauen. Aber leicht wird das nicht.«

      »Hat Benjamin irgendetwas angestellt?«

      »Etwas Kriminelles meinst du? Überhaupt nicht.« Marianne legte die Arme um den Nacken ihres Mannes und gab ihm einen Kuss auf den Mund – ein bisschen länger als gewöhnlich. »Du bringst mich nicht dazu, meine Schweigepflicht zu verletzen, egal, wie sehr du auch bohrst. Aber ich muss zugeben, dass es verlockend ist, wenn der attraktive Detektiv so nett fragt.« Ihre Lippen streiften seine Wange. »Ich glaube, es ist eine gute Therapie für dich, ein bisschen Sherlock Holmes zu spielen.« Bevor er etwas erwidern konnte, küsste sie ihn noch einmal, verschwand im Wohnzimmer und schloss die Tür hinter sich.

      Dan saß am Esstisch in der Küche und trank eine Tasse Tee, bis er hörte, dass die beiden Frauen das Haus verließen. Dann ging er ins Wohnzimmer und riss sämtliche Fenster auf. Meine Güte, wie Benjamins Mutter qualmte. Er zählte acht Kippen im Aschenbecher. Sie lagen in einer Reihe, absolut parallel, Seite an Seite. Und auf allen befand sich die Spur eines dunkelroten Lippenstifts; am deutlichsten auf den Stummeln ganz links, dann nahm die Intensität langsam ab, der Lippenstift war nicht mehr ganz so frisch. An den letzten Kippen, die rechts in dem grünen Aschenbecher lagen, war kaum noch etwas zu sehen. Benjamins Mutter musste Rechtshänderin sein, um die Zigaretten in diesem sorgfältigen Muster nebeneinanderlegen zu können. Dan bemerkte, dass er gut eine Minute fasziniert auf diese Sammlung alter, unappetitlicher Zigarettenstummel gestarrt hatte. Er schüttelte den Kopf über sich selbst, als er den Aschenbecher in den Mülleimer unter der Spüle leerte und dann in die Spülmaschine stellte. Vielleicht hatte seine Frau recht. Wenn es so weiterging, würde er noch als besessener Privatdetektiv enden, der überall nach aufschlussreichen Spuren suchte. Innerhalb weniger Tage hätte er die Taschen voller wiederverschließbarer Beutel für Haare, Bonbonpapier und Tabakreste. Und wenn er nicht aufpasste, würde ihm eine Meerschaumpfeife aus dem Mundwinkel wachsen.

      Zwei Stunden später saßen Dan, Marianne und Flemming bei einem thailändischen Gericht, das ein Restaurant aus der Karetmagergade geliefert hatte. Marianne hatte mit zunehmender Gereiztheit dem Versuch der beiden Männer widerstanden, ihr Alice Winthers Geheimnis zu entlocken. Schließlich hatten sie aufgegeben. Stattdessen erzählte Dan nun ausführlich von seiner Unterhaltung mit der Kellnerin des Café Clint. »… und ihre Beschreibung stimmt haargenau«, sagte er. »Ich hatte überhaupt keinen Zweifel, dass sie von Lilliana sprach. Ist es nicht eigenartig, dass beide Mädchen verschwunden sind?«

      »Was willst du damit andeuten?« Flemming griff nach einer Teigtasche. »Glaubst du etwa, Sally wurde auch ermordet?«

      »Jedenfalls ist sie ohne Erklärung seit Wochen nicht mehr zur Arbeit gekommen, und das passt überhaupt nicht zu ihr, sagt ihre Kollegin.«

      »Das kann viele Gründe haben«, entgegnete Flemming. »Aber wir überprüfen natürlich, ob jemand nach ihr sucht.« Er fischte sein Handy aus der Tasche und ging ins Wohnzimmer, um zu telefonieren, während Marianne den Tisch abräumte und Kaffee aufsetzte.

      Dan stützte sein Kinn in die Hände und blickte ihr hinterher. »Und?«, fragte er. »Hast du Benjamins Mutter überreden können, etwas zu sagen?«

      »Sie will darüber nachdenken.«

      »Das muss wirklich etwas sehr Ernstes sein, wenn sie ihren Jungen lieber in Untersuchungshaft sitzen lässt, als ihr Geheimnis zu verraten«, erwiderte Dan und lehnte sich zurück. Er streckte seine langen Beine aus und faltete die Hände im Nacken.

      »Sie entlassen ihn morgen«, sagte Marianne und stellte drei Tassen auf den Tisch, ohne den Blick ihres Mannes zu erwidern. »Sie können ihn nicht länger als vierundzwanzig Stunden behalten, ohne ihn einem Richter vorzuführen. Und sie haben einfach nicht genug gegen ihn in der Hand, um eine Verlängerung der Untersuchungshaft durchzusetzen. Holst du den Zucker?«, fuhr sie fort. »Deine langen Stelzen versperren mir den Weg.«

      »Du willst mir also nicht den kleinsten Hinweis geben?«, sagte er und griff nach der blau gepunkteten Fayenceschale auf dem Regal hinter sich.

      »Es würde mir nicht im Traum einfallen. Und du müsstest mich gut genug kennen, um das zu wissen.«

      Dan zuckte mit den Achseln. »Ich hoffe nur, dass du sie überzeugen konntest.«

      »Warum eigentlich?« Marianne hielt mitten in der Bewegung inne. »Damit deine Neugierde gestillt wird?« Jetzt sah sie ihm direkt in die Augen. »Wenn ich der Ansicht wäre, dass Alice Winthers Vergangenheit irgendetwas mit dem Mord zu tun hätte, würde ich es sagen. Aber so ist es nicht.«

      »Entschuldigung, aber … kannst du das entscheiden?«, unterbrach sie Flemming. Er war in die Küche gekommen, ohne dass sie ihn gehört hatten. »Im Augenblick kommt es mir vor, als hätte alles etwas mit dem Mord zu tun. Ich bin einen Tag nach einem Mord noch nie so blank gewesen.«

      Marianne drehte sich um. »Verdammt noch mal, jetzt lasst mich endlich in Ruhe, ihr beiden!« Sie stemmte die Hände in die Hüften, die Wut in ihren Augen war nicht zu übersehen. »Ihr müsst mir einfach vertrauen. Bei Alice Winther handelt es sich um eine tragische Familiengeschichte, die nichts mit Christianssund, Lilliana oder Kurt & Ko zu tun hat. Meine Patientin will nicht darüber sprechen, weil sie ihr eigenes Leben und das Leben ihres Sohnes in Gefahr bringt, wenn sie sich der Polizei anvertraut. Das hat sie bereits einmal getan und teuer dafür bezahlt!« Sie goss sich Kaffee ein, marschierte aus dem Raum und knallte die Tür hinter sich zu, dass die Gläser in der Vitrine klirrten.

      »Das hat gesessen«, sagte Flemming und setzte sich.

      Dan grinste verlegen. Ein paar Sekunden schauten sie nur auf ihre Tassen, den Kaffee und auf den Zucker, den sie aus der Schale in die dunkelbraune Flüssigkeit schaufelten.

      »Was haben sie gesagt?«, erkundigte sich Dan. »Wird sie gesucht?«

      »Noch nicht. Ich habe eine Beamtin zu Christoffer Bidstrup geschickt, damit er ihr eine Beschreibung von Sally geben kann. Ich hoffe wirklich, dass wir dieses Mädchen irgendwo lebend finden.«

      »Was ist mit der Wohnung?«

      »Es war niemand zu Hause, also hat Janssen probiert, ob die Schlüssel passen, die wir in Lillianas Tasche fanden – sie passten. Ein paar Leute von der Kriminaltechnischen Abteilung untersuchen gerade die Wohnung.« Flemming rührte und rührte. »Frank Janssen hat mit einem Mädchen aus der Nachbarwohnung gesprochen. Sie bestätigt, dass Sally und Lilliana dort wohnen, aber sie hat Sally seit mehreren Wochen nicht mehr gesehen. Nur Lilliana.« Jetzt rührte er in seiner Kaffeetasse in die andere Richtung, während er weit weg in Gedanken war. »Mir gefällt das nicht. Ich werde hingehen, sobald die Techniker fertig sind.«

      »Kann ich mitkommen? Ohne meine Hilfe hättet ihr die Wohnung nie gefunden.«

      »Ach, meinst du?« Flemming zog die Brauen zusammen. »Es ist absolut gegen

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