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rational-mathematisch fundierte Philosophie vorzog. Nützliche Realkenntnisse, vor allem empirisch-naturwissenschaftliche und geographische Orientierung, nüchterne Klarheit des realistischen Denkens und Fachwissen als Zweck der Erziehung sind planmäßig zuerst von puritanischen, speziell in Deutschland von pietistischen Kreisen gepflegt worden. Einerseits als der einzige Weg der Erkenntnis von Gottes Ruhm und Vorsehung in dessen Schöpfung, andererseits aber als Mittel, im Beruf die Welt rational bemeistern und zu Gottes Ehre seine Schuldigkeit tun zu können. Dem Hellenentum und auch dem Wesen der Hochrenaissance standen beide, Konfuzianismus wie Puritanismus, gleich fern, jeder von ihnen aber in anderem Sinne.

      Die radikale Konzentration auf gottgewollte Zwecke, der rücksichtslose praktische Rationalismus der asketischen Ethik, die methodische Konzeption sachlicher Betriebsführung, der Abscheu gegen den illegalen politischen, kolonialen, auf dem Buhlen um Fürsten- und Menschengunst ruhenden, Raub- und Monopolkapitalismus, im Gegensatz dazu die nüchterne strenge Legalität und die gebändigte rationale Energie des Alltagsbetriebs, die rationalistische Schätzung des technisch besten Weges und der praktischen Solidität und Zweckmäßigkeit statt der traditionalistischen Freude an der überkommenen Fertigkeit und der Schönheit des Produkts beim alten Handwerker, – alle diese unentbehrlichen »ethischen« Qualitäten des spezifisch modernen kapitalistischen Unternehmers und: die spezifische Arbeitswilligkeit des frommen Arbeiters: – dieser rücksichtslose, religiös systematisierte, in der jeder rationalisierten Askese eigentümlichen Art »in« der Welt und doch nicht »von« der Welt lebende Utilitarismus hat jene überlegenen rationalen Fähigkeiten und damit jenen »Geist« des Berufsmenschentums schaffen helfen, welche dem Konfuzianismus und seiner weltangepaßten, das bedeutet aber: zwar rational, aber von außen nach innen, nicht, wie beim Puritanismus, von innen nach außen determinierten Lebensführung letztlich verschlossen blieb. Der Gegensatz kann lehren, daß auch bloße Nüchternheit und Sparsamkeit in Verbindung mit »Erwerbstrieb« und Schätzung des Reichtums noch bei weitem nicht »kapitalistischer Geist« im Sinne des spezifisch modernen ökonomischen Berufsmenschentums waren oder ihn entbinden konnten. Der typische Konfuzianer verwendete seine und seiner Familie Ersparnisse, um sich literarisch zu bilden und für die Examina ausbilden zu lassen und dadurch die Grundlage einer ständisch vornehmen Existenz zu haben. Der typische Puritaner verdiente viel, verbrauchte wenig und legte seinen Erwerb, zufolge des asketischen Sparzwangs, wieder werbend als Kapital in rationalen kapitalistischen Betrieben an. »Rationalismus«, dies ist für uns die zweite Lehre, enthielt der Geist beider Ethiken. Aber nur die über weltlich orientierte puritanische rationale Ethik führte den inner weltlichen ökonomischen Rationalismus in seine Konsequenzen durch, gerade weil ihr an sich nichts ferner lag als eben dies, gerade weil ihr die innerweltliche Arbeit nur Ausdruck des Strebens nach einem transzendenten Ziel war. Die Welt fiel ihr, der Verheißung gemäß, zu, weil sie »allein nach ihrem Gott und dessen Gerechtigkeit getrachtet« hatte. Denn da liegt der Grundunterschied dieser beiden Arten von »Rationalismus«. Der konfuzianische Rationalismus bedeutete rationale Anpassung an die Welt. Der puritanische Rationalismus: rationale Beherrschung der Welt. Der Puritaner wie der Konfuzianer waren »nüchtern«. Aber die rationale »Nüchternheit« des Puritaners ruhte auf dem Untergrund eines mächtigen Pathos, welches dem Konfuzianer völlig fehlte, des gleichen Pathos, welches das Mönchtum des Okzidents beseelte. Denn die Weltablehnung der okzidentalen Askese war bei ihm mit dem Verlangen nach Weltbeherrschung als ihrer Kehrseite unauflöslich verbunden, weil ihre Forderungen im Namen eines überweltlichen Gottes an den Mönch und, in abgewandelter und gemilderter Form, an die Welt ergingen. Dem konfuzianischen Vor nehmheitsideal widerstritt nichts so sehr, als der Gedanke des »Berufs«. Der »fürstliche« Mann war ästhetischer Wert und daher auch nicht »Werkzeug« eines Gottes. Der echte Christ, der – außer- oder innerweltliche – Asket vollends, wollte gar nichts anderes sein als eben dies. Denn gerade nur darin suchte er seine Würde. Und weil er dies sein wollte, war er ein brauchbares Instrument, die Welt rational umzuwälzen und zu beherrschen.

      Der Chinese würde, aller Voraussicht nach, ebenso fähig, vermutlich noch fähiger sein als der Japaner, sich den technisch und ökonomisch im neuzeitlichen Kulturgebiet zur Vollentwicklung gelangten Kapitalismus anzueignen. Es ist offenbar gar nicht daran zu denken, daß er für dessen Anforderungen etwa von Natur aus »nicht begabt« wäre. Aber trotz der mannigfachsten im Verhältnis zum Okzident das Entstehen des Kapitalismus äußerlich begünstigenden Umstände ist dieser hier ebensowenig geschaffen worden wie in der okzidentalen und orientalischen Antike oder in Indien und im Bereich des Islam, obwohl in jedem von diesen Gebieten andere, aber ebenfalls: begünstigende, Umstände seiner Entstehung entgegenzukommen schienen. Von den Umständen, welche ihr in China hinderlich sein konnten oder mußten, bestanden viele auch im Okzident, – und zwar gerade in der Zeit der endgültigen Formung des modernen Kapitalismus. So die patrimonialen Züge des Herrschertums und der Bureaukratie oder etwa die Zerfahrenheit und Unentwickeltheit der Geldwirtschaft, welche im ptolemäischen Aegypten weit gründlicher durchgeführt war als im 15. und 16. Jahrhundert in Europa. Von den Umständen, welche wir als Hemmnis der kapitalistischen Entwicklung im Okzident anzusehen pflegen, fehlte in China seit Jahrtausenden die feudale und grundherrliche (teilweise auch die zünftige) Gebundenheit und anscheinend auch ein erheblicher Teil der im Okzident typischen güterverkehrshemmenden Monopole aller Art. Diejenigen politischen Zustände, welche seit der altbabylonischen Zeit und der Antike überall den politisch bedingten, der Neuzeit mit der ganzen Vergangenheit gemeinsamen Kapitalismus haben entstehen lassen: Krieg und Kriegsvorbereitung konkurrierender Staaten, hat China in der Vergangenheit ebenfalls reichlich gekannt. Man hätte glauben können: der spätere Fortfall dieser wesentlich politischen Orientierung der Vermögensakkumulation und Kapitalverwertung würde dem an freiem Tausch orientierten, spezifisch modernen Kapitalismus günstigere Chancen geben, – etwa so, wie in der neuesten Zeit das fast völlige Fehlen der Kriegsorganisation in Nordamerika dort der hochkapitalistischen Entwicklung den freiesten Raum bot. Zum mindesten erklärt die Befriedung des Weltreiches unmittelbar zwar das Fehlen des der okzidentalen Antike (bis zur Kaiserzeit), dem Orient und dem Mittelalter gemeinsamen politischen, nicht aber: des rein ökonomisch orientierten Kapitalismus in China. Es wird kaum abzuweisen sein, daß die grundlegenden Eigentümlichkeiten der »Gesinnung«, in diesem Falle: der praktischen Stellungnahme zur Welt, so gewiß sie ihrerseits in ihrer Entfaltung durch politische und ökonomische Schicksale mitbedingt wurden, doch auch kraft der ihren Eigengesetzlichkeiten zuzurechnenden Wirkungen an jenen Hemmungen stark mitbeteiligt gewesen sind.

      Zwischenbetrachtung: Theorie der Stufen und Richtungen religiöser Weltablehnung.

      Das Gebiet der indischen Religiosität, in welches wir eintreten wollen, ist im stärksten Kontrast gegen China die Wiege der theoretisch und praktisch weltverneinendsten Formen von religiöser Ethik, welche die Erde hervorgebracht hat. Ebenso ist hier die entsprechende »Technik« am höchsten entwickelt. Das Mönchtum und die typischen Manipulationen der Askese und Kontemplation sind hier nicht nur am frühesten, sondern auch sehr konsequent durchgebildet worden und diese Rationalisierung hat vielleicht auch historisch von da aus ihren Weg durch die Welt gemacht. Ehe wir uns nun dieser Religiosität zuwenden, ist es wohl zweckmäßig, kurz in einer schematischen und theoretischen Konstruktion uns zu verdeutlichen, aus welchen Motiven heraus und in welchen Richtungen religiöse Ethiken der Weltverneinung überhaupt entstanden und verliefen: welches also ihr möglicher »Sinn« sein konnte.

      Das konstruierte Schema hat natürlich nur den Zweck, ein idealtypisches Orientierungsmittel zu sein, nicht aber eine eigene Philosophie zu lehren. Seine gedanklich konstruierten Typen von Konflikten der »Lebensordnungen« besagen lediglich: an diesen Stellen sind diese innerlichen Konflikte möglich und »adäquat«, – nicht aber etwa: es gibt keinerlei Standpunkt, von dem aus sie als »aufgehoben« gelten könnten. Die einzelnen Wertsphären sind dabei wie man leicht sieht, in einer rationalen Geschlossenheit herauspräpariert, wie sie in der Realität selten auftreten, aber allerdings: auftreten können und in historisch wichtiger Art aufgetreten sind. Die Konstruktion ermöglicht es, da, wo sich eine historische Erscheinung einem von diesen Sachverhalten in Einzelzügen oder Gesamtcharakter annähert, deren – sozusagen – typologischen Ort durch Ermittlung der Nähe oder des Abstandes vom theoretisch konstruierten Typus festzustellen. Insoweit ist

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