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und der methodistischen. Das Eigentümliche dieses Typus gegenüber dem konfuzianischen war nun: daß hier das Gegenteil von Weltflucht: Weltrationalisierung, trotz oder vielmehr gerade in der Form asketischer Weltablehnung, galt. Die Menschen sind, da es in der kreatürlichen Verderbtheit gegenüber Gott keine Unterschiede geben kann, an sich alle gleich verworfen und ethisch absolut unzulänglich, die Welt ein Gefäß der Sünde. Anpassung an ihre eitlen Gepflogenheiten wäre ein Zeichen der Verwerfung, Selbstvervollkommnung im konfuzianischen Sinne ein blasphemisch kreaturvergötterndes Ideal. Der Reichtum und die Hingabe an seinen Genuß wäre die spezifische Versuchung, das Pochen auf menschliche Philosophie und literarische Bildung sündlicher kreatürlicher Hochmut, alles Vertrauen auf magischen Geister- und Gotteszwang nicht nur verächtlicher Aberglaube, sondern dreiste Gotteslästerung. Alles, was an Magie erinnerte, jeder Rest von Ritualismus und Priestergewalt, wurde ausgerottet. Das Quäkertum kannte, der Theorie nach, selbst den bestellten Prediger nicht, die Mehrzahl der asketischen Sekten wenigstens keinen bezahlten Berufsprediger. In den hellen kleinen Vereinigungsräumen der Quäker fehlte jede letzte Spur von religiösen Emblemen.

      Die Menschen waren von Natur alle gleich sündhaft, aber ihre religiösen Chancen waren dennoch nicht gleich, sondern höchst ungleich, und zwar nicht nur zeitweilig, sondern definitiv. Entweder direkt kraft grundloser Prädestination (wie bei den Calvinisten, den Partikularbaptisten, den Whitefieldschen Methodisten und den reformierten Pietisten). Oder doch kraft ihrer verschiedenen Qualifikation zu den pneumatischen Geistesgaben. Oder endlich kraft der verschiedenen Intensität und also auch des verschiedenen Erfolgs ihres Strebens, den bei den alten Pietisten entscheidenden Akt der Bekehrung, den »Bußkampf« und »Durchbruch«, oder wie die Wiedergeburt sonst geartet sein mochte, zu erringen. Immer waltete aber in diesen Unterschieden Vorsehung und grundlose, unverdiente, »freie« Gnade eines überweltlichen Gottes. Deshalb war der Prädestinationsglaube zwar nur eine, aber doch die weitaus konsequenteste dogmatische Formung dieser Virtuosenreligiosität. Nur wenige aus der massa perditionis waren berufen, das Heil zu erreichen, einerlei, ob es kraft Prädestination von Ewigkeit her nur ihnen bestimmt war oder zwar allen (nach den Quäkern z.B. auch Nichtchristen) angeboten, aber nur von dem kleinen Haufen, der es zu ergreifen vermag, erreicht wurde. Nach manchen pietistischen Lehren wurde das Heil nur einmal im Leben, nach anderen (den sog. Terministen) einmal zum letztenmal angeboten: – immer mußte jedenfalls der Mensch sich imstande zeigen, es sich anzueignen. Auf Gottes freie Gnade und auf das Jenseits schicksal war also alles ausgerichtet, das diesseitige Leben entweder ein Jammertal oder doch nur ein Durchgang. Eben deshalb aber fiel auf diese winzige Zeitspanne und das, was in ihr vorging, ein ungeheurer Akzent, im Sinne etwa von Carlyles Wort: »Jahrtausende mußten vergehen, ehe du zum Leben kamst, und andere Jahrtausende warten schweigend, was du mit diesem deinem Leben beginnen wirst.« Nicht etwa weil es möglich wäre, durch rein eigene Leistung ewiges Heil zu erringen. Das war unmöglich. Sondern weil die eigene Berufung zur Erlösung dem einzelnen nur zuteil und vor allem auch nur erkennbar werden konnte durch das Bewußtsein von einer zentralen einheitlichen Beziehung dieses seines kurzen Lebens auf den überweltlichen Gott und seinen Willen: in der »Heiligung«. Diese wieder konnte, wie bei aller aktiven Askese, nur in gottgewolltem Tun, einem ethischen Handeln also, auf dem Gottes Segen ruhte, sich bewähren und so dem einzelnen die Heilsgewißheit in der Sicherheit geben, daß er Gottes Werkzeug sei. Die denkbar stärkste innere Prämie wurde dadurch auf eine rationale sittliche Lebensmethodik gesetzt. Nur das Leben nach festen, von einem einheitlichen Zentrum aus geregelten Grundsätzen konnte als gottgewollt gelten. Wenn die unbefangene Hingabe an die Welt unbedingt vom Heil abführte, so war diese kreatürliche Welt und waren die kreatürlichen Menschen doch eben Gottes Schöpfung, an die er bestimmte Anforderungen stellte, die er (calvinistische Vorstellung:) »zu seinem Ruhm« geschaffen und in denen er daher, wie kreatürlich verderbt sie auch seien, seine Ehre verwirklicht sehen wollte, indem die Sünde und nach Möglichkeit auch das Leiden gebändigt und unter ethische Zucht genommen wurden durch rationale Ordnung. Das »Wirken der Werke dessen, der mich gesandt hat, solange es Tag ist« wurde hier zur Pflicht, und diese aufgegebenen Werke waren nicht rituellen, sondern rational-ethischen Charakters.

      Der Gegensatz zum Konfuzianismus ist klar. Beide Ethiken hatten ihre irrationale Verankerung: dort die Magie, hier die letztlich unerforschlichen Ratschlüsse eines überweltlichen Gottes. Aber aus der Magie folgte, da die erprobten magischen Mittel und letztlich alle überkommenen Formen der Lebensführung bei Vermeidung des Zorns der Geister unabänderlich waren: die Unverbrüchlichkeit der Tradition. Aus der Beziehung zum überweltlichen Gott und zur kreatürlich verderbten ethisch irrationalen Welt folgte dagegen die absolute Unheiligkeit der Tradition und die absolut unendliche Aufgabe immer erneuter Arbeit an der ethisch rationalen Bewältigung und Beherrschung der gegebenen Welt: die rationale Sachlichkeit des »Fortschritts«. Der Anpassung an die Welt dort stand also hier die Aufgabe ihrer rationalen Umgestaltung gegenüber. Der Konfuzianismus erforderte stetige wache Selbstbeherrschung im Interesse der Erhaltung der Würde des allseitig vervollkommneten perfekten Weltmannes, die puritanische Ethik im Interesse der methodischen Einheit der Eingestelltheit auf den Willen Gottes. Die konfuzianische Ethik beließ die Menschen höchst absichtsvoll in ihren naturgewachsenen oder durch die sozialen Ueber- und Unterordnungsverhältnisse gegebenen persönlichen Beziehungen. Sie verklärte diese, und nur diese, ethisch und kannte letztlich keine anderen sozialen Pflichten als die durch solche persönlichen Relationen von Mensch zu Mensch, von Fürst zu Diener, vom höheren zum niederen Beamten, von Vater und Bruder zum Sohn und Bruder, vom Lehrer zum Schüler, von Freund zu Freund geschaffenen menschlichen Pietätspflichten. Der puritanischen Ethik dagegen waren eben diese rein persönlichen Beziehungen, – obwohl sie sie natürlich, soweit sie nicht gottwidrig waren, bestehen ließ und ethisch regelte, – dennoch leicht verdächtig, weil sie Kreaturen galten. Die Beziehung zu Gott ging ihnen unter allen Umständen vor. Allzu intensive, kreaturvergötternde, Beziehungen zu Menschen rein als solchen waren unbedingt zu meiden. Denn das Vertrauen auf Menschen, gerade auf die natürlich nächststehenden, würde der Seele gefährlich sein. Ihre eigenen nächsten Verwandten würde – sahen wir – die calvinistische Herzogin Renata von Este verfluchen, wenn sie sie von Gott (kraft grundloser Prädestination) verworfen wüßte. Daraus folgten praktisch sehr wichtige Unterschiede beider ethischer Konzeptionen, obwohl wir doch beide in ihrer praktischen Wendung als »rationalistisch« bezeichnen werden und obwohl sie beide »utilitarische« Konsequenzen zogen. Zwar nicht nur aus jener sozialethischen Stellungnahme, – sondern auch aus Eigengesetzlichkeiten der politischen Herrschaftsstruktur –, aber doch sehr wesentlich auch aus jener folgte die Erhaltung der Sippengebundenheit in China, der durchaus an persönliche Beziehungen geknüpfte Charakter der politischen und ökonomischen Organisationsformen, die alle (relativ) in sehr auffallender Art der rationalen Versachlichung und des abstrakten transpersonalen Zweckverbandscharakters entbehrten, von dem Fehlen eigentlicher »Gemeinden«, speziell in den Städten, angefangen bis zum Fehlen ökonomischer Vergesellschaftungs- und Betriebsformen rein sachlich zweckgebundener Art. Aus rein chinesischen Wurzeln sind solche so gut wie gar nicht entstanden[404]. Alles Gemeinschaftshandeln blieb dort durch rein persönliche, vor allem verwandtschaftliche Beziehungen, und daneben durch Berufsverbrüderungen umspannt und bedingt. Während dagegen der Puritanismus alles versachlichte, in rationale »Betriebe« und rein sachlich »geschäftliche« Beziehungen auflöste, rationales Recht und rationale Vereinbarung an die Stelle der in China prinzipiell allmächtigen Tradition, lokalen Gepflogenheit und konkreten persönlichen Beamtengnade setzte.

      Noch wichtiger scheint ein anderes. Der weltbejahende Utilitarismus und die Ueberzeugung von dem ethischen Wert des Reichtums als universellen Mittels allseitiger sittlicher Vollendung in Verbindung mit der ungeheuren Volksdichte haben in China zwar die »Rechenhaftigkeit« und Genügsamkeit zu sonst unerhörter Intensität gesteigert. Um jeden Pfennig wurde gefeilscht und gerechnet und täglich machte der Krämer seinen Kassensturz. Zuverlässige Reisende berichten, daß Geld und Geldinteressen in einem sonst seltenen Maße das Gesprächsthema der Einheimischen unter sich zu bilden schienen. Aber höchst auffallenderweise waren große methodische geschäftliche Konzeptionen rationaler Art, wie sie der moderne Kapitalismus voraussetzte, auf ökonomischem Gebiet wenigstens, aus diesem unendlich intensiven Wirtschaftsgetriebe und dem oft beklagten krassen »Materialismus« heraus nicht entstanden und sind China überall da fremd geblieben, wo nicht (wie z.B. bei den Kantonesen) fremder

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<p>404</p>

Ueber die »Kreditvereinigung« als leisen Ansatz siehe oben.