Скачать книгу

Aber auf der anderen Seite fehlten die lebendigen feudalen Instinkte, denen aller Handel mit dem Stichwort »Qui trompe-t-on?« gebrandmarkt ist, und es konnte sich daher aus der Pragmatik der Interessenlage des monopolistisch gesicherten und vornehmen, gebildeten Außen handelsstandes der Ko Hang Gilde jene geschäftliche Zuverlässigkeit entwickeln, welche an ihm gerühmt zu werden pflegt. Sie wäre, wenn dies zutrifft, mehr von außen ankultiviert als von innen heraus entwickelt, wie in der puritanischen Ethik.

      Dies gilt aber für die ethischen Qualitäten überhaupt.

      Eine echte Prophetie schafft eine systematische Orientierung der Lebensführung an einem Wertmaßstab von innen heraus, der gegenüber die »Welt« als das nach der Norm ethisch zu formende Material gilt. Der Konfuzianismus war umgekehrt Anpassung nach außen hin, an die Bedingungen der »Welt«. Ein optimal angepaßter, nur im Maße der Anpassungsbedürftigkeit in seiner Lebensführung rationalisierter Mensch ist aber keine systematische Einheit, sondern eine Kombination nützlicher Einzelqualitäten. Das Fortbestehen der animistischen Vorstellungen von der Mehrheit der Seelen des Einzelnen in der chinesischen Volksreligiosität könnte fast als ein Symbol dieses Tatbestandes gelten. Wo alles hinausgreifen über die Welt fehlte, mußte auch das Eigengewicht ihr gegenüber mangeln. Domestikation der Massen und gute Haltung des Gentleman konnten dabei entstehen. Aber der Stil, welchen sie der Lebensführung verliehen, mußte durch wesentlich negative Elemente charakterisiert bleiben und konnte jenes Streben zur Einheit von innen heraus, das wir mit dem Begriff »Persönlichkeit« verbinden, nicht entstehen lassen. Das Leben blieb eine Serie von Vorgängen, kein methodisch unter ein transzendentes Ziel gestelltes Ganzes.

      Der Gegensatz dieser sozialethischen Stellungnahme gegen alle okzidentale religiöse Ethik war unüberbrückbar. Von außen könnten manche patriarchalen Seiten der thomistischen und auch der lutherischen Ethik Aehnlichkeiten mit dem Konfuzianismus aufzuweisen scheinen. Aber dieser Schein ist äußerlich Denn keine, auch nicht eine mit den Ordnungen der Erde in ein noch so enges Kompromiß verflochtene christliche Ethik konnte die pessimistische Spannung zwischen Welt und überweltlicher Bestimmung des einzelnen mit ihren unvermeidlichen Konsequenzen so von Grund aus beseitigen, wie das konfuzianische System des radikalen Weltoptimismus.

      Irgendwelche Spannung zwischen Natur und Gottheit, ethischen Anforderungen und menschlicher Unzulänglichkeit, Sündenbewußtsein und Erlösungsbedürfnis, diesseitigen Taten und jenseitiger Vergeltung, religiöser Pflicht und politisch-sozialen Realitäten fehlte eben dieser Ethik vollständig und daher auch jede Handhabe zur Beeinflussung der Lebensführung durch innere Gewalten, die nicht rein traditionell und konventionell gebunden waren. Die weitaus stärkste, die Lebensführung beeinflussende Macht war die auf dem Geisterglauben ruhende Familienpietät. Sie war es letztlich, welche den immer noch, wie wir sahen, starken Zusammenhalt der Sippenverbände und die früher erwähnte Art der Vergesellschaftung in Genossenschaften, welche als erweiterte Familienbetriebe mit Arbeitsteilung gelten können, ermöglichte und beherrschte. Dieser feste Zusammenhalt war in seiner Art ganz und gar religiös motiviert, und die Stärke der genuin chinesischen Wirtschaftsorganisationen reichte etwa ebensoweit, wie diese durch Pietät regulierten persönlichen Verbände reichten. Im größten Gegensatz gegen die auf Versachlichung der kreatürlichen Aufgaben hinauslaufende puritanische Ethik entfaltete die chinesische Ethik ihre stärksten Motive innerhalb der Kreise der naturgewachsenen (oder diesen angegliederten oder nachgebildeten) Personen verbände. Während die religiöse Pflicht gegen den überweltlichen, jenseitigen Gott im Puritanismus alle Beziehungen zum Mitmenschen: auch und gerade zu dem in den natürlichen Lebensordnungen ihm nahestehenden, nur als Mittel und Ausdruck einer über die organischen Lebensbeziehungen hinausgreifenden Gesinnung schätzte, war umgekehrt die religiöse Pflicht des frommen Chinesen gerade nur auf das Sichauswirken innerhalb der organisch gegebenen persönlichen Beziehungen hingewiesen. Die allgemeine »Menschenliebe« lehnte Mencius mit der Bemerkung ab, daß dadurch Pietät und Gerechtigkeit ausgelöscht werden: weder Vater noch Bruder zu haben sei die Art der Tiere. Inhalt der Pflichten eines konfuzianischen Chinesen war immer und überall Pietät gegen konkrete, lebende oder tote Menschen, die ihm durch die gegebenen Ordnungen nahestanden, niemals gegen einen überweltlichen Gott und also niemals gegen eine heilige »Sache« oder »Idee«. Denn das »Tao« war keines von beiden, sondern einfach die Verkörperung des bindenden traditionalistischen Rituals, und nicht »Handeln«, sondern »Leere« war sein Gebot. Die personalistische Schranke der Versachlichung hat auch für die Wirtschaftsgesinnung ohne allen Zweifel, als eine Schranke der objektivierenden Rationalisierung, erhebliche Bedeutung gehabt, indem sie den Einzelnen immer erneut innerlich an seine Sippen- und sippenartig mit ihm verbundenen Genossen, jedenfalls an »Personen«, statt an sachliche Aufgaben (»Betriebe«) zu binden die Tendenz hatte. Gerade sie war, wie die ganze Darstellung ergab, auf das Intimste verknüpft mit der Art der chinesischen Religiosität, mit jener Schranke der Rationalisierung der religiösen Ethik, welche die maßgebende Bildungsschicht im Interesse der Erhaltung der eigenen Stellung festhielt. Es ist von sehr erheblicher ökonomischer Bedeutung, wenn alles Vertrauen, die Grundlage aller Geschäftsbeziehungen, immer auf Verwandtschaft oder verwandtschaftsartige rein persönliche Beziehungen gegründet blieb, wie dies in China sehr stark geschah. Die große Leistung der ethischen Religionen, vor allem der ethischen und asketischen Sekten des Protestantismus, war die Durchbrechung des Sippenbandes, die Konstituierung der Ueberlegenheit der Glaubens- und ethischen Lebensführungsgemeinschaft gegenüber der Bluts gemeinschaft, in starkem Maße selbst gegenüber der Familie. Oekonomisch angesehen: die Begründung des geschäftlichenvertrauens auf ethische Qualitäten der Einzelindividuen, welche in sachlicher Berufs arbeit bewährt waren. Die Folgen des universellen Mißtrauens Aller gegen Alle, eine Konsequenz der offiziellen Alleinherrschaft der konventionellen Unaufrichtigkeit und der alleinigen Bedeutung der Wahrung des Gesichtes im Konfuzianismus, müssen ökonomisch vermutlich – denn hier gibt es keine Maßmethoden – ziemlich hoch veranschlagt werden.

      Der Konfuzianismus und die konfuzianische den »Reichtum« vergötternde Gesinnung haben wirtschafts politische Maßregeln entsprechender Art begünstigen können (wie das auch die weltoffene Renaissance im Okzident, sahen wir, tat). Aber gerade hier kann man die Grenze der Bedeutung der Wirtschafts politik gegenüber der Wirtschafts gesinnung sehen. Materielle Wohlfahrt ist nie und nirgends in Kulturländern mit solcher Emphase als letztes Ziel[402] hingestellt worden. Die wirtschaftspolitischen Anschauungen des Konfuzius entsprachen etwa denen der »Kameralisten« bei uns. Den Nutzen des Reichtums, auch des durch Handel erworbenen, betonte der Konfuzianer Se Ma Tsien, der selbst einen Traktat über die »Handelsbilanz« – das älteste Dokument chinesischer Nationalökonomie – geschrieben hat[403]. Die Wirtschafts politik war eine Abwechslung von fiskalischen und laissezfaire-Maßregeln, jedenfalls aber nicht der Absicht nach antichrematistisch. »Verachtet« waren die Kaufleute in unserem Mittelalter ebenso und sind es von den Literaten heute ebenso, wie in China. Aber mit Wirtschafts politik schafft man keine kapitalistische Wirtschafts gesinnung. Die Geldverdienste der Händler der Teilstaatenzeit waren politischer Gewinn von Staatslieferanten. Die großen Bergwerksfronden galten der Goldsuche. Kein Mittelglied führte aber vom Konfuzianismus und seiner ganz ebenso fest wie das Christentum verankerten Ethik zu einer bürgerlichen Lebens methodik hinüber. Auf diese allein kam es aber an. Sie hat der Puritanismus – durchaus gegen seinen Willen – geschaffen. Die Paradoxie der Wirkung gegenüber dem Wollen: – Mensch und Schicksal (Schicksal die Folge seines Handelns gegenüber seiner Absicht) in diesem Sinn: das kann uns diese nur auf den allerersten oberflächlichen Blick seltsame scheinbare Umkehr des »Natürlichen« lehren.

      Den radikal entgegengesetzten Typus einer rationalen Weltbehandlung stellt nun der Puritanisms dar. Das ist, sahen wir früher, kein ganz eindeutiger Begriff. Die »Ecclesia pura« bedeutete praktisch, im eigentlichsten Sinne, vor allem die zu Gottes Ehre von sittlich verworfenen Teilnehmern gereinigte christliche Abendmahlsgemeinschaft, ruhe sie nun auf calvinistischer oder baptistischer Grundlage, und sei sie demgemäß in der Kirchenverfassung mehr synodal oder mehr kongregationalistisch geartet. Im weiteren Sinne aber kann man darunter verstehen die sittlich rigoristischen, christlich-asketischen Laiengemeinschaften

Скачать книгу


<p>402</p>

Vgl. dazu neben allem Gesagten auch noch de Groot, The Rel. of the Chin., New York 1910, p. 130.

<p>403</p>

Abgedruckt in der Ausgabe von Chavannes, Vol. III, Kap. XXX. S. 0.