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Beamtenstab gehörigen Gehilfen. Diese wählte er naturgemäß aus der Zahl der aus der Provinz gebürtigen, zum Staatsdienst qualifizierten, aber noch nicht mit einem Amt beliehenen Amtsanwärter, auf deren örtliche Personen- und Sachkunde er sich verlassen konnte, aber auch, in Ermangelung aller eigener Orientiertheit, mußte. Und endlich war er, wenn er einen Gouverneurposten in einer neuen Provinz übernahm, abhängig von der geschulten Sach- und Ortskunde der Chefs der üblichen Ressorts[139] jeder Provinz, welche immerhin einige Jahre Kenntnis der örtlichen Verhältnisse vor ihm voraus hatten. Es ist völlig klar, was die Folge sein mußte: die wirkliche Macht lag in der Hand jener unoffiziellen, ortsgebürtigen Unterbeamten, welche in ihrer Geschäftsführung zu kontrollieren und zu korrigieren ganz außerhalb der Macht der offiziellen Beamten lag, und ihnen um so weniger möglich war, je höher ihr eigener Rang war. Die Orientiertheit sowohl der von der Zentralverwaltung angestellten Lokal- wie der Zentralbeamten über die lokalen Verhältnisse war daher viel zu labil, um konsequent und rational durchgreifen zu können.

      Das weltberühmte und höchst wirksame Mittel des chinesischen Patrimonialismus, eine feudal-ständische Emanzipation der Amtsträger von ihrer Macht zu unterbinden: die Einführung der Examina und die Verleihung der Aemter nach Bildungsqualifikationen, statt nach Geburt und ererbtem Rang, war zwar für den Charakter der chinesischen Verwaltung und Kultur von einschneidendster Bedeutung, wie später zu besprechen sein wird. Aber einen präzis funktionierenden Mechanismus in den Händen der Zentralin stanz vermochte man angesichts jener Verhältnisse dadurch nicht herzustellen. Wir werden aber, wenn wir auf die Beamtenbildung näher zu sprechen kommen, sehen, daß dem auch Hindernisse, die aus der innersten Eigenart der (zum Teil religiös bedingten) Standesethik des Beamtentums folgten, sich in den Weg stellten. Die Patrimonialbureaukratie war zwar in China wie im Okzident der feste Kern, an dessen Entfaltung die Bildung des Großstaats anknüpfte. Das Auftreten von Kollegialbehörden und die Entwicklung von »Ressorts« waren dabei hier wie dort die typischen Erscheinungen. Aber der »Geist« der bureaukratischen Arbeit war hier und dort – wie wir sehen werden – ein überaus verschiedener.

      Soweit dieser abweichende »Geist« auf rein soziologischen Momenten beruhte, hing er mit dem System der öffentlichen Lasten zusammen, wie es sich in China in Verbindung mit dem Schwanken der Geldwirtschaft entwickelt hatte.

      Der ursprüngliche Zustand war hier wie anderwärts der: daß dem Häuptling bzw. Fürsten ein Ackerlos (Kong tien, dem homerischen τέμενος entsprechend) ausgewiesen und von den Volksgenossen gemeinsam bestellt wurde[140]. Hier liegt der Ursprung der allgemeinen Fronpflicht, die dann in der zwingenden Notwendigkeit der Wasserbauten ihre weitere Stütze fand. Diese »Schaffung« des Landes durch die Strom bauverwaltung legte auch den immer wieder auftauchenden und noch jetzt (wie in England) terminologisch erhaltenen Gedanken des Bodenregals des Kaisers nahe, – der aber die Scheidung verpachteter Domänen und besteuerten Privatlandes hier so wenig wie in Aegypten hinderte. Die Steuern andrerseits scheinen sich teils – nach einzelnen Resten in der Terminologie – aus den üblichen Geschenken, teils aus Tributpflichten Unterworfener, teils aus dem Bodenregalanspruch entwickelt zu haben. Staatsland, Steuerpflicht, Fronpflicht standen in wechselnden Relationen dauernd nebeneinander. Was von ihnen vorwog, richtete sich teils nach dem jeweiligen Grade der – wie wir sahen, aus Valutagründen höchst labilen – Geldwirtschaft des Staats, teils nach dem Grade der Befriedung, teils schließlich nach dem Maß der Verläßlichkeit des Beamtenapparats.

      Die ursprüngliche Herkunft des Patrimonialbeamtentums aus der Vorflut- und Kanalisierungsarbeit, also aus dem Bauwesen, die Herkunft der Machtstellung des Monarchen aus den, zunächst im Wasserregulierungsinteresse, unumgänglichen Fronden der Untertanen (wie in Aegypten und Vorderasien), die Herkunft des Einheitsreichs aus dem immer weiter um sich greifenden Interesse an Einheitlichkeit dieser Wasserregulierung für immer größere Gebiete im Zusammenhang mit dem Bedürfnis nach politischer Sicherung des Kulturlandes gegen die Nomadeneinbrüche drücken sich anschaulich darin aus, daß nach der Legende der »heilige« (legendäre) Kaiser Yü die Vorflut und den Kanalbau reguliert, und der erste rein bureaukratische Herrscher, der »Schi Hoang Ti«, zugleich als größter Bauherr für Kanäle, Straßen und Festungen und, vor allem, als Erbauer der großen Mauer galt (die in Wahrheit von ihm nur zu einem gewissen Abschluß gebracht wurde). Diese Bauten dienten sämtlich, neben der Bewässerung, fiskalischen, militärischen und Verproviantierungsinteressen, der berühmte Kaiserkanal vom Yangtse zum Hoangho z.B. dem Transport des Reistributs aus dem Süden nach der neuen Hauptstadt (Peking) des Mongolenkhans[141]. 50000 Fronarbeiter waren in einem bestimmten Zeitpunkt nach einem amtlichen Bericht an der Eindeichung eines Flusses beschäftigt und die Bauzeiten erstreckten sich über viele Jahrhunderte stückweiser Fertigstellung. Als die eigentlich ideale Form der Deckung des öffentlichen Bedarfes galt noch dem Mencius die Fron und nicht die Steuer. Wie in Vorderasien siedelte der König seine Untertanen trotz ihres Widerstandes um, nachdem die Divination den geeigneten Ort für eine neue Hauptstadt bezeichnet hatte. Teils strafweise Deportierte, teils im Wege der Zwangsrekrutierung beschaffte Soldaten bewachten die Deiche und Schleusen und stellten einen Teil der Arbeitskräfte für die Bauten und Rodungen. Schritt für Schritt wurde in den Grenzprovinzen des Westens durch die Arbeitskräfte des Heeres der Wüste Boden abgewonnen[142]. Schwermütige Klagen über die furchtbare Last dieses eintönigen Schicksals, vor allem bei den Fronden an der großen Mauer, finden sich in erhaltenen Gedichten[143]. Die klassische Lehre mußte sehr nachdrücklich gegen die Vergeudung der Untertanenfronden zu privaten fürstlichen Bauzwecken nach ägyptischer Art Front machen, welche auch hier die Begleiterscheinung der Entwicklung einer bureaukratischen Organisation der öffentlichen Arbeiten war. Anderseits: sobald das Fronsystem in Verfall geriet, begann nicht nur in den zentralasiatischen Gebieten das Vordringen der Wüste auf Kosten des ihr abgerungenen, heute völlig versandeten Kulturbodens[144], sondern wankte die politische Leistungsfähigkeit des Reichs überhaupt. Ueber die mangelhafte Bestellung der Krongüter durch die Bauern wird in den Annalen geklagt. Nur Ausnahmepersönlichkeiten vermochten den Fronstaat einheitlich zu organisieren und zu leiten.

      Die Fron blieb aber die klassische Form der Staatsbedarfsdeckung. Wie naturalwirtschaftliche (durch Fronden bewirkte) und geldwirtschaftliche (durch Submission bewirkte) Deckung der Staatsbedürfnisse sich praktisch zueinander verhielten, zeigt (für das 17. Jahrhundert) eine Erörterung vor dem Kaiser über die Frage, nach welchem von beiden Systemen gewisse Reparaturen am Kaiserkanal zu bewerkstelligen seien. Man beschloß, die Bauten gegen Geld zu vergeben, da sonst die Reparaturen zehn Jahre in Anspruch genommen hätten[145]. Eine Entlastung der Zivilbevölkerung wurde immer wieder – in Friedenszeiten – durch Heranziehung des Heeres zum Frondienst versucht[146].

      Neben den Militärgestellungen, Fronden und Leiturgien finden sich schon in früher Zeit Steuern. Die Fron auf dem Königsland scheint besonders früh (im 6. Jahrhundert v. Chr.) im Teilstaat Tsin abgeschafft zu sein, dessen Herrscher später (im 3. Jahrhundert v. Chr.) der »erste Kaiser« des Gesamtreiches wurde.

      Abgaben haben natürlich schon in weit älterer Zeit existiert. Die Bedürfnisse des kaiserlichen Hofhalts waren, wie fast überall, als spezifische Naturalabgaben auf die einzelnen Gebiete verteilt[147], und dies System ist in Resten bis in die Gegenwart erhalten geblieben. Das Naturalabgabensystem stand mit der Schaffung des patrimonialen Heeres und Beamtentums im engsten Zusammenhang. Denn beide wurden hier wie sonst aus den fürstlichen Magazinen verpflegt und es entwickelten sich feste Naturalpräbenden. Dennoch war zuweilen auch die Geldwirtschaft des Staats daneben, zum mindesten unter der Han-Dy nastie, um den Beginn unserer Zeitrechnung, schon weit vorgeschritten, wie die Urkunden zeigen[148]. Und dies Nebeneinander von gelegentlichen Fronden (für Bauzwecke vor allem, daneben für Kurierdienste und Verkehr), Natural- und Geldabgaben und Gebühren, mit fürstlicher Oikenwirtschaft für gewisse Luxusbedürfnisse[149]

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<p>139</p>

Oft bis zu 6. Aber die offiziellen, wirklich wichtigen Persönlichkeiten waren unter dem »Vizekönig« nur die Gouverneure, Provinzialrichter und Provinzialschatzmeister. Der Schatzmeister war davon der ursprünglich alleinige und höchste Verwaltungsbeamte, der Gouverneur ein schließlich seßhaft gewordener Missus dominicus (früher oft Eunuch). Diese beiden Beamten: für Finanz und Justiz, waren allein vorgesehen, alle andern »Ressorts« unoffiziell. Auch der unterste (hsien –) Beamte, dessen offizieller Name »Hirt« bedeutet, hatte zwei Sekretäre: für Justiz und für Finanzen. Der über ihm stehende Präfekt (des »fu«) hatte immerhin noch übersichtliche oder doch konkret angebbare Funktionen (Wasserwege, Landwirtschaft, Stuterei, Korntransport, Unterbringung der Soldaten, allgemeine Verwaltung im polizeilichen Sinn), galt jedoch wesentlich als Ueberwachungs- und Durchgangsbehörde für die Korrespondenz nach oben. Die Funktionen des untersten Beamten dagegen waren schlechterdings enzyklopädisch: er war schlechthin für alles da und verantwortlich. Besondere »Taotai's« waren bei den großen Provinzialbehörden für die Salzgabelle, den Wegebau usw. angestellt. Sonderbeamte mit Aufträgen und Kompetenzen ad hoc kamen hier wie in allen Patrimonialstaaten vor. Ueber den Begriff eines »Juristen« in China (Kenner der Präzedenzien) und die Advokatur s. Alabaster Notes and Commentaries on Chinese Criminal Law (mir jetzt nicht zugänglich gewesen).

<p>140</p>

Daraus ist auch das »Brunnensystem« mit seinem von 8 Quadraten umgebenen Mittelfeld des Staats erwachsen.

<p>141</p>

Er hieß amtlich: »Kanal der Tribut-Transporte«. S. darüber P. Dom. Gandar S. J., Le canal impérial. Var. Sinol. Heft 4, Schanghai 1894.

<p>142</p>

Die Aufzeichnungen und Quittungen darüber sind teilweise in den von Aurel Stein gesammelten Urkunden aus Turkestan (kurz vor und nach Chr.) erhalten. Täglich 3 Schritt schritt stellenweise die Nutzbarmachung des Trockenlandes vor. (Chavannes, Les documents chinois découverts par Aurel Stein dans le sable du Turkestan oriental, Oxford 1913.)

<p>143</p>

Bei Chavannes p. XI ff. a.a.O. Oft fast lebenslang dauert der Dienst: die Frauen entbehren der Gatten und es ist besser, die Söhne gar nicht erst aufzuziehen.

<p>144</p>

Es ist durchaus unsicher, ob dabei, wie meist angenommen wird, klimatische Veränderungen mitbeteiligt waren. Es genügte an sich der Verfall des Fronsystems. Denn in diesen Gebieten konnte der Boden nur dann bestellungsfähig erhalten werden, wenn die Frage der »Kosten« überhaupt nicht auftauchte. Seine eigene Vollexistenz konnte ein Arbeiter nie aus ihm herauswirtschaften, sondern nur die nackte Nahrung, vielleicht selbst diese nur bei bestimmten Kulturen. Der Boden wurde offenbar trotz sicher gewaltiger Zuschüsse urbar erhalten nur im Interesse der Verproviantierung von Garnisonen und Gesandtschaften mit schwer transportfähigen Gütern.

<p>145</p>

P. D. Gandar, S. J. Le canal impérial (Var. Sinol. 4, Schanghai 1894) p. 35.

<p>146</p>

So galt unter den Ming bis 1471 die Vorschrift: daß der Transport des Getreides zur Hauptstadt je zur Hälfte von dem Heere und von der Zivilbevölkerung zu beschaffen sei. In jenem Jahre wurde verfügt: daß das Heer allein diese Fronden zu beschaffen habe. (Yu tsiuan tung kian kang mu, Gesch. der Ming-Dynastie des Kaisers Kian Lung, übers. v. Delamarre, Paris 1865, p. 351.)

<p>147</p>

S. die oben S. 284, Anm. wiedergegebenen Abrechnungen der Zentralregierung aus dem 10., 11. und 14. Jahrhundert. Im ganzen sollen – nach der Annalistik – die Natural-Abgaben je nach der Entfernung von der Hauptstadt so abgestuft gewesen sein, daß z.B. die erste Zone Getreide mit Stroh, die zweite nur Getreide und so jede folgende spezifisch hochwertigere, also in höherem Grade arbeitsintensivere, Güter schickte. Das ist durchaus glaubhaft und stimmt mit anderen Nachrichten überein.

<p>148</p>

Vgl. die von Chavannes a.a.O. edierten Funde A. Steins aus der Zeit von 98-137 n. Chr. Der Sold der Offiziere, fraglich: ob auch der Soldaten, wird in Geld gezahlt (Nr. 62), Monturen für letztere wenigstens teilweise für Geld gekauft Nr. 42). Vollends das (freilich wesentlich spätere) Ausgabejournal eines Buddhatempels (ebenda Nr. 969) zeigt volle Geldwirtschaft: Miete der Handwerker, die im Lohnwerk beschäftigt werden, ebenso alle anderen Ausgaben in Geld. Gegenüber diesem Zustand trat später ein starker Rückschlag ein.

<p>149</p>

Seiden- und Porzellanlieferungen der kaiserlichen Manufakturen an den Hof allein im Jahre 1883 (Peking Gazette vom 23. 1., 24. 1., 27. 1., 30. 1., 13. 6., 14. 6.) für zusammen 405000 Taëls (Selbstkosten!). Dazu traten dann die Naturallieferungen der Provinzen, die mindestens teilweise (Seide, kostbares Papier usw.) für Hofzwecke, daneben (Eisen, Schwefel usw.) für politische Zwecke verwendet wurden. Die Provinz Schansi petitionierte 1883 (Peking Gazette vom 15. 12.) vergebens um Zu-Geld-Setzung, da sie die zu liefernden Naturalien (außer Eisen) selbst erst kaufen müsse.