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rel="nofollow" href="#n_116" type="note">[116], fürstlich equipierten und verpflegten Heeren mit Offizieren statt der Vasallenaufgebote brachten in Verbindung mit der Steuer- und Magazinpolitik die entsprechende Umwälzung auf militärischem Gebiet. Der ständische Gegensatz der großen charismatisch qualifizierten Sippen: derjenigen, welche dem Fürsten auf ihren Kriegswagen mit ihrem Gefolge in das Feld folgten, gegenüber dem gemeinen Volk, wird in der Annalistik überall als selbstverständlich vorausgesetzt. Es bestanden feste Kleiderordnungen[117]; die »großen Familien« suchten durch Ehepolitik[118] ihre Stellung zu sichern und auch die rationalen Ordnungen der Teilstaaten, z.B. diejenigen Yongs im Tsin-Staate, hielten die Ständescheidung fest. »Edle« und Volk werden stets geschieden, – wobei jedoch deutlich hervortritt: daß unter »Volk« freie, nur von der Lehenshierarchie, dem Ritterkampf und der Ritterbildung ausgeschlossene Plebejersippen, nicht etwa: Hörige, zu verstehen sind. Es findet sich[119] eine von den Edlen abweichende politische Stellungnahme des »Volks«. Immerhin wird sich uns später zeigen, daß die Lage der Masse der Bauern prekär war und erst die Entwicklung der Patrimonialstaaten hier wie überall die Fürsten mit den nicht privilegierten Schichten gegen den Adel zusammenführte.

      Der Kampf der Teilstaaten verringerte deren Zahl zunehmend auf einen immer kleineren Kreis rational verwalteter Einheitsstaaten. Schließlich gelang es im Jahre 221 dem Fürsten von Tsin, nach Verdrängung der nominellen Dynastie und aller andern Vasallen als »erster Kaiser« ganz China dem »Reich der Mitte«, dem Patrimonium des Herrschers, einzuverleiben, d.h. der eigenen Beamtenverwaltung zu unterstellen. Eine echte »Selbstherrschaft«, unter Beseitigung des alten feudalen Kronrats, mit zwei Großwesiren (nach Art der praefecti praetorio), Scheidung der Militär- von den Zivilgouverneuren (nach Art der spätrömischen Institutionen), beide überwacht von fürstlichen Aufsichtsbeamten (nach persischer Art), aus denen später die reisenden »Zensoren« (missi dominici) entwickelt wurden, und streng bureaukratische Ordnung mit Avancement nach Verdienst und Gnade bei allgemeiner Zulassung zum Amt traten an die Stelle der alten theokratisch-feudalen Ordnung. Für diese »Demokratisierung« des Beamtentums wirkte dabei nicht nur das überall wirksam gewesene natürliche Bündnis des Selbstherrschers mit den Plebejerschichten gegen die ständisch Vornehmen, sondern auch ein finanzielles Moment: Es ist, wie schon bemerkt, kein Zufall, daß die Annalistik diesem »ersten Kaiser« (Schi Hoang Ti) die erstmalige Praktizierung des Aemter verkaufs zuschreibt. Dieser mußte ja die Folge haben: bemittelte Plebejer in die Staatspfründen zu bringen. Indes der Kampf gegen den Feudalismus war prinzipiell. Alle Verlehnung politischer Macht, auch innerhalb der Sippe des Kaisers, wurde verboten. Die ständische Gliederung blieb zwar unangetastet[120]. Aber mit der Etablie rung einer festen Aemterhierarchie, für welche die Vorstufen schon in einigen der Teilstaaten geschaffen worden waren, steigerte sich die Chance des Aufstiegs von Beamten niederer Herkunft. Tatsächlich setzte sich das neue Kaisertum gegen die feudalen Gewalten mit Hilfe plebejischer Mächte durch. Bis dahin war Leuten plebejischer Abkunft der Aufstieg zu politischem Einfluß nur innerhalb der Schicht der Literaten unter besonderen Umständen möglich gewesen. Es finden sich in den Annalen der Teilstaaten seit dem Beginn der Rationalisierung der Verwaltung Beispiele von fürstlichen Vertrauensmännern armer und unedler Abkunft, welche ihre Stellung nur ihrem Wissen verdankten[121], und die Literaten beanspruchten kraft dieser ihrer Fähigkeiten und der Beherrschung der Riten für die höchsten Aemter den Vorzug selbst vor den nächsten Angehörigen der Fürsten[122]. Aber nicht nur war diese Stellung von den großen Vasallen nicht unbestritten, sondern in aller Regel fand sich der Literat in einer unoffiziellen Stellung, als eine Art von Minister ohne Portefeuille oder, wenn man will, von »Beichtvater« des Fürsten, und im Kampf mit dem Lehensadel, der hier, wie auch im Okzident, die Heranziehung von Fremden bei der Besetzung der Aemter, welche er selbst zu monopolisieren trachtete, bekämpfte. In den ersten Jahren Schi Hoang Ti's – im Jahre 237, noch vor Einigung des Reichs – findet sich denn auch eine Austreibung der fremdbürtigen Literaten (und Händler) berichtet. Aber die Machtinteressen des Fürsten führten ihn zunächst zum Widerruf dieser Maßregel[123] und sein erster Minister blieb seitdem ein Literat, der sich selbst als Parvenu niederer Abkunft bezeichnet. Nach der Einigung des Reichs aber wendete sich der rationale traditionsfeindliche Absolutismus des Selbstherrschers – wie er auch in seinen Inschriften deutlich zutage tritt[124] – mit Wucht auch gegen die soziale Macht der Bildungsaristokratie der Literaten. Das Altertum sollte nicht über die Gegenwart und seine Interpreten nicht über den Monarchen herrschen: »der Kaiser ist mehr als das Altertum«[125]. In einer gewaltigen Katastrophe suchte er – wenn wir der Ueberlieferung glauben können – die gesamte klassische Literatur und den Literatenstand selbst zu vernichten. Die heiligen Bücher wurden verbrannt und angeblich 460 Literaten lebendig begraben. Das damit inaugurierte Hereinbrechen des reinen, auf persönliche Günstlinge ohne Rücksicht auf Herkunft oder Bildung sich stützenden, Absolutismus kennzeichnete die Ernennung eines Eunuchen zum Großmeister des Haushalts[126] und zum Lehrer des zweiten Sohnes, den nach dem Tode des Kaisers der Eunuch in Gemeinschaft mit dem Parvenuliteraten gegen den ältesten Sohn und den Kommandierenden des Heeres auf den Thron hob. Die von der Bildungsaristokratie der Literaten fortan durch alle Jahrhunderte des Mittelalters mit wechselndem Erfolg stets bekämpfte Günstlingswirtschaft des reinen orientalischen Sultanismus mit ihrer Verbindung von ständischer Nivellierung und absoluter Autokratie schien nun über China hereinzubrechen. Der Kaiser hatte, als Ausdruck der Stellung, die er beanspruchte, den alten Namen »Volk« (Min) für die Gemeinfreien beseitigt und den Namen Kien tscheu, »Schwarzköpfe«, sicherlich gleichbedeutend mit: »Untertanen«, an die Stelle gesetzt. Die kolossale Anspannung der Fronlasten[127] für die kaiserlichen Bauten erforderte die rücksichtslose ungefesselte Disposition über die Arbeitskräfte und Steuerkräfte[128] des Landes, nach Art des pharaonischen Reichs. Andererseits wird von dem unter Schi Hoang Ti's Nachfolger allmächtigen Palasteunuchen ausdrücklich berichtet[129], daß er empfohlen habe, die Herrscher sollten sich mit dem »Volk« verbinden und die Aemter ohne Rücksicht auf Stand oder Bildung vergeben; es sei jetzt die Zeit, wo der Säbel herrschen müsse, nicht aber feine Manieren: ganz dem typischen orientalischen Patrimonialismus entsprechend. Der Kaiser wehrte andrerseits den Versuch der Magier[130] ab, ihn – unter dem Vorwand der Erhöhung seines Prestiges – »unsichtbar« zu machen, d.h. wie den Dalai Lama zu internieren und die Verwaltung ganz in die Hände der Beamten zu legen, behielt sich vielmehr die »Selbstherrschaft« im eigentlichsten Sinn vor.

      Die gewaltsame Reaktion gegen diesen schroffen Sultanismus kam gleichzeitig teils von seiten der alten Familien, teils von seiten des Literatenstandes, teils von seiten des durch die Schanzarbeit erbitterten Heeres und der durch Rekrutierung, Fronden und Abgaben überlasteten Bauernsippen unter der Führung von Männern niederer Herkunft[131]. Nicht die vornehmen Schichten aber, sondern ein Parvenu errang den Sieg, stürzte die Dynastie und begründete, während das Reich zunächst wieder in Teilstaaten zerfiel, die Macht der neuen Dynastie, welche das Reich wieder einte. Aber der Erfolg fiel schließlich doch wiederum den Literaten zu, deren rationale Wirtschafts- und Verwaltungspolitik auch diesmal für die Herstellung der Kaisermacht ausschlaggebend und der von ihnen stets bekämpften Günstlings- und Eunuchenverwaltung damals technisch überlegen war. Vor allem wirkte aber das gewaltige Prestige ihrer Ritual- und Präzedenzienkenntnis und ihrer – damals noch eine Art von Geheimkunst bildenden – Schriftkunde entscheidend in dieser Richtung.

      Schi Hoang Ti hatte Einheit der Schrift, des Maßes und Gewichtes, der Gesetze und Verwaltungsreglements geschaffen oder doch erstrebt. Er rühmte sich, den Krieg abgeschafft[132] und Frieden und innere Ordnung gestiftet, dies alles durch »Arbeit Tag

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<p>117</p>

Tschepe a.a.O. p. 59.

<p>118</p>

Tschepe a.a.O. p. 14.

<p>119</p>

Tschepe p. 38.

<p>120</p>

»Edle und Volk halten sich in den Schranken ihres Ranges« sagt der Kaiser in einer in den Annalen überlieferten Inschrift (Tschepe a.a.O. p. 261). In einer andern werden »Edle, Beamte und Volk« unterschieden.

<p>121</p>

S. die später zu erörternde Stelle bei Tschepe, Hist. du R. de Han, Var. Sinol. 31 p. 43 (für das Wei-Fürstentum im Jahre 407 v. Chr.).

<p>122</p>

a.a.O. (vorige Anmerkung).

<p>123</p>

Die Tradition läßt den Literaten Li-se, den seither allmächtigen Minister, die Bedeutung der Literaten (und der Fremdbürtigen, auch der Kaufleute, überhaupt) für die Fürstenmacht in einer Denkschrift darlegen (Tschepe a.a.O. p. 231).

<p>124</p>

Z.B. in der von Se Ma Tsien in seiner Biographie (ed. Chavannes T. V, p. 166) aufbewahrten: alles Handeln gegen die Vernunft sei verwerflich. Zahlreiche andere Inschriften (ebendort wiedergegeben) rühmen die rationale Ordnung, die der Kaiser im Reiche hergestellt habe. – Dieser »Rationalismus« hinderte ihn nicht, nach dem Unsterblichkeitselixir suchen zu lassen.

<p>125</p>

Ausspruch Schi Hoang Ti's, überliefert in seiner Biographie von Se Ma Tsien (ed. Chavannes T. II, p. 162). Uebrigens war, – wie später zu besprechen sein wird, – die Meinung der Literatenminister in den Teilstaaten und selbst noch die Meinung Wang An Schi's (11. Jahrhundert nach Chr.) grundsätzlich nicht immer einer ähnlichen Auffassung abgeneigt.

<p>126</p>

Die Eunuchenwirtschaft findet sich, scheint es, erstmalig im 8. Jahrhundert v. Chr.

<p>127</p>

Die Zahl der an der großen Mauer Frondenden wird auf 300000 (?) angegeben, noch höhere Zahlen finden sich für die Fronlast im ganzen. Zwar ist die große Mauer im Lauf von langen Zeiträumen entstanden (da sie nach der Rechnung von Elisée Reclus mindestens 160 Millionen Kubikmeter aufgemauertes Massiv umfaßt, ließe sich die erforderliche Arbeit wohl abschätzen).

<p>128</p>

Für diese kam namentlich die Heranschaffung des erforderlichen Proviants für die fronenden Soldaten und Sträflinge in Betracht. Die Annalistik berechnete (Tschepe a.a.O. p. 275), daß auf dem Transport bis zur Konsumstätte 18200% Kosten entstanden seien (von je 182 Ladungen sei, infolge des Verzehrs unterwegs, immer nur eine an den Bestimmungsort gelangt, eine natürlich nur für einen Einzelfall vielleicht einmal zutreffende Angabe).

<p>129</p>

Tschepe p. 363 f. Der Eunuch selbst war aus vornehmer, aber vorbestrafter Familie.

<p>130</p>

Von diesem Versuch berichtet die Annalistik, insbesondere Se Ma Tsien in seiner Biographie Schi Hoang Ti's (ed. Chavannes, II, p. 178) einiges. »Meister Lu«, ein Taoist, den er mit dem Aufsuchen des Unsterblichkeitskrauts betraut hatte, scheint der Urheber des Plans gewesen zu sein. Der »echte Mensch«, hieß es, »verberge sich und zeige sich nicht« (eine besondre Art von Anwendung gewisser später zu besprechender Grundsätze Lao tse's). Aber Schi Hoang Ti regierte tatsächlich selbst und es war die Klage der »Weisen« aller Richtungen, daß sie von ihm nicht gebührend vorher befragt würden (p. 179 1. c.). Erst der Nachfolger, Eul schi hoang ti, lebte als »tschen«, »Verborgener«, unter der Obhut seines Günstlings, erteilte aber infolgedessen auch seinerseits den Beamten keine Audienz (p. 266 1. c.): die typische Klage der Konfuzianer, wenn die Taoisten und Eunuchen (beide meist verbündet, worüber später) herrschten. Sein Sturz brachte schon unter dem Gründer der Han-Dynastie die »Gefolgschaft«, d.h. die Feudalherren, wieder ans Ruder, obwohl die gesamte Bureaukratie Schi Hoang Ti's bestehen blieb und, vor allem, der Literateneinfluß wieder hergestellt wurde.

<p>131</p>

Tschen-tschu, der Führer der Heeresrevolte, war Arbeiter, Liu kang, der Führer der Bauern und Gründer der Han-Dynastie, Feldwächter eines Dorfs. Ein Bund seiner Sippe mit andern Bauernsippen bildete den Kern seiner Macht.

<p>132</p>

Tschepe p. 259 f. (angebliche Inschrift).