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bei einem Konflikt zwischen der Bestimmung des Vaters und der des Kaisers über die Person des Erben gab, nach Bericht der Annalen, der Kaiser nach. Die Größe der Ritterlehen hat wohl geschwankt. Es findet sich in der Annalistik[102] die Notiz, daß Lehen 10000 bis 50000 Mou (à 5,26 Ar, also 526-2630 Hektar) mit 100-500 Menschen umfassen sollen. An andren Stellen wird die Stellung eines Kriegswagens auf 1000 Menschen[103] als normal gerechnet, nach andren (594 vor Chr.) rechneten 4 Siedlungseinheiten (wohl nicht bestimmter Größe[104] – 144 Kriegern, wieder andre (später) rechnen bestimmte Deputate von Kriegswagen, Gepanzerten, Pferden und Proviant (Vieh) auf bestimmte – später meist sehr große – Einheiten[105]. Die ganze Art der späteren Steuer-, Fron-und Rekrutierungsumlegung knüpfte offensichtlich an diese Ueberlieferungen der Feudalzeit an: auch sie gingen in der älteren Zeit von Wagen- und Ritter-Gestellungen, erst später von der Gestellung der Rekruten für die Armee, Fronarbeitern und Natural-, dann Geldlieferungen aus, wie wir sehen werden.

      Gesamtlehen, also Ganerbschaften unter Leitung des Aeltesten[106], fanden sich. Die Primogenitur und die Designation des Nachfolgers aus den Söhnen und Anverwandten durch den Herrscher oder durch die höchsten Beamten standen auch im Kaiserhaus nebeneinander. Gelegentlich nahmen die Vasallen die Uebergehung des ältesten Sohnes oder des Sohnes der Hauptfrau zugunsten eines jüngeren oder eines Konkubinensohns zum Anlaß der Auflehnung gegen den Kaiser. Später und bis in die letzte Zeit der Monarchie galt, aus rituellen Gründen, die mit den Ahnenopfern zusammenhingen, die Regel: daß der Nachfolger aus einer dem toten Herrscher gegenüber jüngeren Generationsstaffel gewählt werden solle[107]. Politisch waren die oberlehensherrlichen Rechte fast auf ein Nichts zusammengeschrumpft. Das war die Folge davon, daß nur die Grenzvasallen: die Markgrafen, Kriege führten, und also: Militärmächte waren, der Kaiser – wohl eben deshalb – zunehmend nur pazifistischer Hierarch.

      Der Kaiser war Oberpontifex mit rituellen Vorrechten: die höchsten Opfer zu bringen blieb ihm vorbehalten. Ein Krieg gegen ihn seitens eines Vasallen galt in der Theorie als rituell verwerflich und konnte magische Nachteile bringen, – was nicht hinderte, daß er gegebenenfalls dennoch unternommen wurde. Er beanspruchte, wie im römischen Reich der Bischof von Rom den Vorsitz der Konzilien, so seinerseits für sich oder seinen Legaten den Vorsitz in den von der Annalistik als mehrfach vorgekommen erwähnten Fürstenversammlungen; indessen in der Zeit der Hausmeier-(Protektor-)Macht einzelner großer Vasallen wurde dieser Anspruch mißachtet, (was freilich in den Augen der literarischen Theorie ein ritueller Verstoß war). Solche Fürstenkonzile kamen öfter vor: ein solches von 650 vor Chr. wendete sich z.B. gegen die Entrechtung des wahren Erben, gegen Erbämter, gegen Ämterkumulation, gegen die Todesstrafe bei hohen Beamten, gegen »krumme« Politik, gegen Verkaufsschranken für Getreide und trat für Pietät, Ehrung des Alters und der Talente ein.

      Nicht in diesen gelegentlichen Fürstenversammlungen, sondern in der »Kultureinheit« kam die Einheit des Reichs praktisch zum Ausdruck. Und wie im Okzident im Mittelalter, so auch hier war jene Kultureinheit durch drei Elemente repräsentiert: 1. die Einheit der ständischen Rittersitte, 2. die religiöse, das hieß: rituelle Einheit und 3. die Einheit der Literatenklasse. Die rituelle Einheit und die Einheit des Standes der ritterlichen wagenkämpfenden Vasallen, der Burglehensinhaber, äußerte sich in ähnlichen Formen wie im Okzident. Wie dort »Barbar« und »Heide« identisch waren, so galt in China als Merkmal des Barbaren oder Halbbarbaren vor allem die rituelle Unkorrektheit: daß er die Opfer fehlerhaft darbrachte, ließ den Fürsten von Tsin noch weit später als einen Halbbarbaren erscheinen. Ein Krieg gegen einen rituell unkorrekten Fürsten galt als verdienstliches Werk. Auch später ist jede der zahlreichen tatarischen Erobererdynastien Chinas von den Trägern der rituellen Tradition alsbald als »legitim« behandelt worden, wenn sie sich den rituellen Regeln (und damit der Macht der Literatenkaste) korrekt angepaßt hatte. Teils rituellen, teils ritterlich-ständischen Ursprungs waren nun auch diejenigen »völkerrechtlichen« Ansprüche, welche wenigstens die Theorie als Ausdruck der Kultureinheit an das Verhalten der Fürsten stellte. Es findet sich der Versuch, durch eine Fürstenversammlung einen Landfrieden zu vereinbaren. Rituell unkorrekt war nach der Theorie ein Krieg gegen einen in Trauer oder gegen einen in Not befindlichen, namentlich einen durch Hungersnot bedrängten Nachbarfürsten; gegenüber diesem statuierte die Theorie die brüderliche Nothilfepflicht als ein den Geistern wohlgefälliges Werk. Wer seinen Lehensoberen Böses zufügte oder für eine ungerechte Sache focht, gewann keinen Platz im Himmel und Ahnentempel[108]. Die Ansage von Ort und Zeit der Schlacht galt als Rittersitte. Der Kampf mußte irgendwie zur Entscheidung gebracht werden: »man muß wissen, wer Sieger und Besiegter ist[109]«, denn der Kampf war Gottesurteil.

      Die Praxis der Fürstenpolitik sah freilich in der Regel wesentlich anders aus. Sie zeigte einen rücksichtslosen Kampf der großen und kleinen Vasallen gegeneinander; die Untervasallen benutzten jede Gelegenheit sich selbständig zu machen, die großen Fürsten warteten ausschließlich auf jede Chance, die Nachbarn zu überfallen, und die ganze Epoche war ein Zeitalter von – nach den Annalen zu schließen – unerhört blutigen Kriegen. Die Theorie war gleichwohl nicht bedeutungslos, sondern wichtig als Ausdruck der Kultureinheit. Deren Träger wurden: die Literaten, d.h. die Schriftkundigen, deren sich die Fürsten im Interesse der Rationalisierung ihrer Verwaltung im Machtinteresse in ähnlicher Art bedienten, wie die indischen Fürsten der Brahmanen und die okzidentalen Fürsten der christlichen Kleriker. Noch die Oden aus dem 7. Jahrhundert besingen nicht: Weise und Literaten, sondern: Krieger. Der stolze altchinesische Stoizismus und die völlige Ablehnung der »Jenseits«-Interessen war eine Erbschaft dieser militaristischen Epoche. Aber für 753 wird die Ernennung eines offiziellen Hofannalisten (und das hieß auch: Hofastronomen) im Tsin-Staat erwähnt. Die »Bücher« – Ritualbücher und Annalen (Sammlungen von Präzedenzfällen) – der Fürsten begannen, auch als Beuteobjekte, eine Rolle zu spielen[110] und die Bedeutung der Literaten stieg sichtlich. Sie führten die Rechnungen und die diplomatische Korrespondenz der Fürsten, von welcher die Annalistik zahlreiche (vielleicht als Paradigmata redigierte) Beispiele erhalten hat; sie gaben die meist recht »machiavellistischen« Mittel an, auf kriegerischem und diplomatischem Wege die Nachbarfürsten zu überwinden, schmiedeten die Allianzen und sorgten für die Kriegsbereitschaft. Vor allem durch rationale Heeresorganisation, Magazin-und Steuerpolitik: es ist offenbar, daß sie als Rechnungsführer der Fürsten dazu befähigt waren[111]. Die Fürsten suchten sich gegenseitig in der Wahl der Literaten zu beeinflussen, sie sich abspenstig zu machen, die Literaten ihrerseits korrespondierten miteinander, wechselten den Dienst, führten oft eine Art von Wanderleben[112] von Hof zu Hof wie etwa okzidentale Kleriker und Laienintellektuelle des ausgehenden Mittelalters. Sie fühlten sich als eine ebenso einheitliche Schicht wie diese.

      Die Konkurrenz der Teilstaaten um die politische Macht entband die Rationalisierung der Wirtschaftspolitik der Fürsten[113]. Sie war das Werk jener Literatenschicht. Ein Literat: Yong, gilt als Schöpfer der rationalen inneren Verwaltung, ein anderer, Wei Jan, als Schöpfer der rationalen Heeresverfassung in demjenigen Teilstaat, der später alle anderen überflügelte. Große Volkszahl und vor allem: Reichtum – des Fürsten wie seiner Untertanen – wurde hier wie im Okzident als Machtmittel politisches Ziel[114]. Wie im Okzident, so hatten auch hier die Fürsten und ihre literarisch-rituellen Berater den Kampf vor allem gegen ihre eigenen Untervasallen zu führen, von deren Renitenz ihnen das gleiche Schicksal drohte, welches sie ihren eigenen Lehensherren bereitet hatten. Fürstenkartelle gegen die Subinfeudation, die Festlegung des Grundsatzes durch die Literaten: daß die Erblichkeit einer Beamtenstelle rituell anstößig und daß Nachlässigkeit in der Ausführung der Amtspflicht magische Nachteile (frühen Tod) nach sich ziehe[115], kennzeichnen die Verdrängung der alten Verwaltung

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<p>102</p>

Zitiert bei P. Alb. Tschepe (S. J.), Hist. du Royaume de Tsin, 777-207.

<p>103</p>

Nämlich auf 1000 Salzkonsumenten im Staat Tsin, der zuerst rationalisiert wurde, nach Hirths Interpretation (in dessen Ancient History of China, New York 1908) einer Stelle bei Kuan Tse.

<p>104</p>

Denn die Angaben bei E. H. Parker, Ancient China simplified (Lond. 1908) p. 83 scheinen nicht annehmbar.

<p>105</p>

Davon wird bei Besprechung der Bodenbesteuerung noch die Rede sein.

<p>106</p>

Es war die rituelle Stellung der jüngeren Söhne zugunsten des Aeltesten eine geminderte. Sie galten nicht mehr als »Vasallen«, sondern als Beamte (Ministerialen) und opferten nicht an dem großen alten Ahnenaltar der Familie, sondern an Seitenaltären (s. Se Ma Tsiens Traktat »Riten« Vol. III der Ausgabe von Chavannes).

<p>107</p>

Dies hatte die Folge, daß in den letzten Jahrzehnten der Monarchie ein Minderjähriger auf den andern als Kaiser folgte und teils ein Verwandter (Prinz Kung), teils Kaiserinnen-Witwen die Regierung führten.

<p>108</p>

Tschepe a.a.O. p. 54.

<p>109</p>

Tschepe a.a.O. p. 66.

<p>110</p>

Die technische Beschaffenheit dieser alten »Bücher« muß hier ganz dahingestellt bleiben. Papier ist erst ein weit späteres (Import-)Produkt. Aber geschrieben und gerechnet wurde längst vorher und zweifellos lange vor Konfuzius. Die später zu erwähnende Annahme v. Rosthorns, daß die Ritual-»Literatur« mündlich überliefert worden und der »Bücher brand« daher eine Legende sei, scheint von de Groot, der diesen noch in seinem letzten Werk als Tatsache annimmt, nicht anerkannt zu werden.

<p>111</p>

Die Annalistik (Tschepe a.a.O. p. 133) bewahrt Berechnungen der Militärkraft der einzelnen Teilstaaten anläßlich eines Allianzplans auf. Darnach sollte z.B. ein Areal von 1000 Quadrat-Li (1 Li = 537 Meter) 600 Kriegswagen, 5000 Pferde, 50000 Mann (davon 10000 Train, der Rest Kämpfer) haben stellen können. Ein (angeblicher) Lastenreformplan aus dem 12. Jahrh. vor Chr. (vermutlich – nach vorderasiatischen Analogien – einige Jahrhunderte nach der Zeit der Einführung des Kriegswagens) verlangte von der gleichen Fläche 10000 Kriegswagen.

<p>112</p>

Vgl. Tschepe a.a.O. p. 67.

<p>113</p>

Die Teilstaatenepoche war eine Zeit sehr starken Patriotismus, besonders in den Grenzstaaten gegen die Barbaren (vor allem: Tsin). Als der Tsin-König in Gefangenschaft geraten war, brachten »2500« Familien durch Subskription die Mittel zur Fortführung des Krieges auf. Der Versuch eines Han-Kaisers im Jahre 112 n. Chr., bei schwerer Finanzlage auf eine solche »Kavaliersanleihe« zu greifen – wie sie bekanntlich noch im leopoldinischen Oesterreich des 17. Jahrhunderts vorkamen – scheint dagegen einen schwachen Erfolg gehabt zu haben.

<p>114</p>

Tschepe a.a.O. p. 142.

<p>115</p>

Beides in dem Vortrag eines Literaten, wiedergegeben bei Tschepe a.a.O. p. 77.