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bis zu dessen höfischen und Provinzialbeamten, beanspruchten und erreichten nur Sippen schon herrschender politischer Gewalthaber und ihrer Gefolgschaft. Vor allem die kaiserliche Sippe selbst. Ebenso aber die Sippen derjenigen Fürsten, welche sich ihm rechtzeitig unterworfen und im vollen oder teilweisen Besitz ihrer Herrschaft belassen waren[86]. Und endlich die Sippen aller derjenigen, die sich als Helden und Vertrauensleute ausgezeichnet hatten. Das Charisma haftete jedenfalls längst nicht mehr am einzelnen streng persönlich, sondern – wie wir dies als Typus später bei Erörterung der indischen Verhältnisse näher kennen lernen werden–an seiner Sippe. Nicht der durch freie Kommendation in die Vasallität und Investitur erlangte Lehensbesitz schuf den Stand, sondern – im Prinzip wenigstens – umgekehrt: die Zugehörigkeit zu jenen adligen Sippen qualifizierte, je nach dem herkömmlichen Rang der Familie, zu einem Amtslehen bestimmten Ranges. Minister- und selbst bestimmte Gesandtenposten finden wir im chinesischen feudalen Mittelalter fest in den Händen bestimmter Familien und auch Konfuzius war vornehm, weil er von einer Herrscherfamilie abstammte. Die auch in den Inschriften späterer Zeiten hervortretenden »großen Familien« waren diese charismatischen Sippen, die ihre Stellung ökonomisch vorwiegend aus politisch bedingten Einkünften, daneben aus erblich zusammengehaltenem Grundbesitz bestritten. Der Gegensatz gegen den Okzident war natürlich in mancher Hinsicht relativ, aber in seiner Bedeutsamkeit immerhin nicht gering. Im Okzident war die Erblichkeit der Lehen erst Entwicklungsprodukt. Und vollends die ständische Scheidung der Lehensinhaber, je nachdem sie Gerichtsbann erhalten hatten oder nicht, die Scheidung der beneficia nach der Art des Dienstes, endlich die ständische Scheidung des Ritterstandes von anderen, zuletzt auch vom städtischen Patriziat, vollzog sich innerhalb einer schon fest durch Appropriation des Bodens und (weitgehend) aller möglichen Verkehrserwerbschancen gegliederten Gesellschaft. Die erbcharismatische Stellung der (in vielem noch sehr hypothetischen) »Dynasten« im frühesten deutschen Mittelalter würde den chinesischen Verhältnissen am ehesten entsprechen. Aber in den Kerngebieten des westlichen Feudalismus war unter dem Umsturz der traditionalen Rangordnungen durch die Eroberung und Wanderung offenbar das feste Gefüge der Sippen stark gelockert, und die Kriegsnotwendigkeiten erzwangen gebieterisch die Aufnahme jedes tüchtigen, militärisch geschulten, Mannes in die Ritterschaft, also: die Zulassung jedes ritterlich Lebenden zur Ritterwürde. Erst die weitere Entwicklung führte dann zum Erbcharisma, schließlich zur »Ahnenprobe«. In China war dagegen das Erbcharisma der Sippe – in der für uns zugänglichen Zeit – stets das Primäre (mindestens der Theorie nach[87]; erfolgreiche Parvenus hat es immer gegeben). Nicht etwa (wie später im Okzident) die Erblichkeit des konkreten Lehens also: –die vielmehr als grober Mißbrauch galt –, sondern der durch den ererbten Sippenrang gegebene Anspruch auf ein Lehen bestimmten Ranges. Daß die Tschou-Dynastie die fünf Adelsgrade »eingerichtet« und dann das Prinzip der Vergebung von Lehen nach dem Adelsrang eingeführt haben soll, ist wohl Legende; daß aber damals die hohen Vasallen (Tschou-Lou, die »Fürsten«) nur aus Nachkommen alter Herrscher ausgelesen wurden, ist glaubhaft[88]. Das entsprach japanischen Frühzuständen und war: »Geschlechterstaat«. Als die Wei (nach dem Sturze der Han-Dynastie) ihre Hauptstadt nach Lo yang verlegten, führten sie nach der Annalistik die »Aristokratie« mit sich. Diese bestand aus ihrer eignen Sippe und aus alten erbcharismatischen Sippen. Ursprünglich also natürlich: Stammeshäuptlingsfamilien. Damals aber schon: Nachkommen von Amtslehen- und Amtspfründeninhabern. Und nun verteilten sie – noch damals! – den »Rang« (und dementsprechend den Anspruch auf Pfründen) je nach dem Amt, das einer der Vorfahren der Familie gehabt hatte (ganz das Prinzip der römischen Nobilität und des russischen Mjestnitschestwe)[89]. Ganz ebenso wie in der Teilstaatenzeit die höchsten Aemter fest in den Händen bestimmter Sippen (hohen erbcharismatischen Ranges) sich befanden[90]. Die Entstehung eines eigentlichen »Hofadels« tritt erst in der Zeit Schi hoang Ti's (von 221 vor Chr. an) gleichzeitig mit dem Sturz des Feudalismus auf: damals zuerst wird eine Rang verleihung in der Annalistik erwähnt[91]. Und da gleichzeitig die finanziellen Notwendigkeiten erstmalig den Aemterkauf – also: die Auslese der Beamten nach dem Geldbesitz – erzwangen, verfiel der Erbcharismatismus trotz prinzipieller Aufrechterhaltung der Rangunterschiede. Noch 1399 findet sich die Degradation zum »Plebejer« (ming) erwähnt[92], allerdings damals unter ganz anderen Verhältnissen und in anderem Sinne[93]. In der Feudalzeit entsprach der erbcharismatischen Rangabstufung eine Ordnung der Lehen, nach Beseitigung der Subinfeudation und Uebergang zur Beamtenverwaltung: der Pfründen, die bald fest klassifiziert wurden: unter den Tsin und, nach ihrem Muster, den Han, in 16 Klassen von Geld- und Reisrenten fest abgestuft[94]. Das bedeutete schon die volle Beseitigung des Feudalismus. Den Uebergang stellte der Zustand dar[95]: daß die Aemter in zwei dem Range nach verschiedene Kategorien geschieden waren: koan nei heu: Land pfründen, und lie heu: Renten pfründen, die auf die Abgaben bestimmter Ortschaften angewiesen waren. Die ersteren waren die Nachfolger der alten Lehen der reinen Feudalzeit. Diese bedeuteten natürlich praktisch sehr weitgehende herrschaftliche Rechte über die Bauern. Sie bestanden so lange, als nicht das Ritterheer durch das fürstliche, später kaiserliche, aus Bauern ausgehobene und disziplinierte stehende Heer ersetzt war. Aeußerliche Aehnlichkeit des alten Feudalismus mit dem okzidentalen bestand also, trotz der innerlichen Unterschiede, in weitgehendem Maße. Insbesondere waren die nicht (ökonomisch und durch Waffenübung) Wehrfähigen natürlich von jeher in China ebenso von allen politischen Rechten entblößt wie überall sonst. Und zwar dies sicher schon vor dem Feudalismus. Daß angeblich der Fürst in der Tschou-Zeit das »Volk« vor Kriegen und bei Kapitalstrafen befragt, das heißt: die wehrhaften Sippen, entsprach den bei Bestand eines Heerbanns allgemein herrschenden Zuständen. Vermutlich ist durch das Aufkommen der Kriegswagen die alte Heeresverfassung gesprengt oder obsolet geworden und der erbcharismatische »Feudalismus« zuerst entstanden, der dann auf die politischen Aemter übergriff. Das älteste schon zitierte Dokument über die Verwaltungsorganisation: das Tschou-Li[96], zeigt bereits ein stark schematisch konstruiertes[97], aber immerhin auf bureaukratisch geleiteter Bewässerung, ebenso geleiteten Spezialkulturen (Seide), Rekrutierungslisten, Statistik, Magazinen ruhendes, sehr rational durch Beamte geleitetes Staatswesen, dessen Realität freilich recht problematisch erscheinen muß, da diese Rationalisierung der Verwaltung auf der anderen Seite, nach der Annalistik, erst als Produkt der Konkurrenz der feudalen Teilstaaten auftrat[98]. Immerhin mag man glauben, daß der Feudalzeit eine patriarchale Epoche nach Art des »Alten Reichs« in Aegypten vorausging[99]. Denn hier wie dort ist an dem sehr hohen Alter der – aus der Königsklientel erwachsenen – Wasser-und Baubureaukratie kein Zweifel möglich. Ihre Existenz temperierte von Anfang an den feudalen Charakter der Teilstaatenepoche und lenkte das Denken der Literatenschicht – wie wir sehen werden – immer wieder in die Bahn des verwaltungstechnischen und utilitarischen Bureaukratismus. – Aber für mehr als ein halbes Jahrtausend hat jedenfalls der politische Feudalismus geherrscht.

      Eine Periode faktisch so gut wie ganz unabhängiger Lehenstaaten füllte die Zeit vom 9.-3. Jahrhundert vor Chr. aus. Von den in Kürze schon oben berührten Zuständen dieses Feudalzeitalters gibt die Annalistik[100] ein immerhin leidlich klares Bild. Der Kaiser war Oberlehensherr; vor ihm stiegen die Vasallen vom Wagen; auf Verleihung durch ihn allein konnten letztlich »rechtmäßige« politische Besitztitel zurück geführt werden. Er erhielt von den Vasallenfürsten Geschenke, deren Freiwilligkeit ihn mit wachsender Ohnmacht in peinliche Abhängigkeit brachte. Er verlieh fürstlichen Rang in Abstufungen. Die Untervasallen hatten keinen direkten Verkehr mit ihm[101]. Die Entstehung der Lehen aus der Uebergabe einer Burg zur Bewachung, die dann zur Verleihung wurde, ist mehrfach (so für die Entstehung

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<p>86</p>

Wegen der Macht der Ahnengeister charismatischer Sippen scheint man sich oft geradezu gescheut zu haben, unterworfene Häuptlingsfamilien ganz des Landes zu berauben (E. H. Parker, Ancient China simplified, London 1908, p. 57). Im übrigen erklärt aber auch umgekehrt diese sippencharismatische Bedingtheit der Lehen- und Pfründenchancen die starke Stellung der Ahnengeister, wennschon sie nicht etwa ihre einzige Quelle war.

<p>87</p>

»Eine Familie schätzt man nach dem Alter, einen Gebrauchsgegenstand nach der Neuheit«, sagt ein Spruch im Schu-king.

<p>88</p>

Vgl. für die Daten: Fr. Hirth, The ancient Hist. of China, New York 1908. Uebersetzung der »Bambus«-Annalen von Biot im Journ. Asiat. 3e Série vol. XII p. 537 ff., XIII p. 381 ff. Ueber die Inschriften der Bronzevasen und die Oden des Schu-king als Quellen der Periode vom 18.-12. Jahrhundert v. Chr. Frank H. Chalfant, Early Chinese Writing, Mem. of the Carnegie Mus. (Pittsburgh) IV Sept. 1906.

<p>89</p>

S. dazu Chavannes Journ. As. X, Ser. 14, 1909, p. 33, Note 2.

<p>90</p>

S. Kun-Yu (Discours des Royaumes) ed. de Harlez Louvain 1895, p. II, V. 110.

<p>91</p>

S. Se Ma Tsien's Biographie Schi-Hoang-Ti's ed. Chavannes (1897) p. 139.

<p>92</p>

Yu tsiuan tung kian kong mu (Ming-Annalen) redigiert von Kaiser Kian Lung, übers. v. Delamarre h. a.

<p>93</p>

Nämlich damals: vom Graduierten, deshalb vor Fronden und Stockhieben Geschützten, zum Fronpflichtigen.

<p>94</p>

S. Chavannes' Ausgabe von Se Ma Tsien d. II App. I, p. 526, Note 1.

<p>95</p>

Se Ma Tsien's Biographie Schi Hoang Ti's, ed. Chavannes p. 149, Anm.

<p>96</p>

Uebersetzt von Biot: Le Tscheou-li, ou rites des Tscheou, 2 Bde. Paris 1851. Angeblich stammt es aus der Regierung Tschong Wangs, 1115 bis 1079 v. Chr. Es wird nur in seinem Kern für »echt« gehalten.

<p>97</p>

In den Bezeichnungen des Hausmeiers, Ackerbauministers, Zeremonienmeisters, Kriegsministers, Justizministers, Arbeitsministers als: Minister des Himmels, der Erde, des Frühlings, Sommers, Herbstes, Winters wohl zweifellos Literatenprodukt. Auch die Voraussetzung eines »Budgets«, welches der Himmelsmandarin feststellt, ist sicher unhistorisch.

<p>98</p>

Se Ma Tsien hat uns die tatsächliche Verwaltungsorganisation der Tsin und Han aufbewahrt (s. dieselbe in T. II der von Chavannes besorgten Ausgabe von Se Ma Tsien App. II). Neben 2 Veziern stand darnach (bis auf Kaiser U) der Tai Wai als Militärchef der Generäle; der Tschong Tscheng als Kanzler und Vorgesetzter der Missi dominici und Provinzialbeamten; der fong tscheng für den Opferkult, zugleich Groß-Astrologe, Groß-Augur, Groß-Arzt und – charakteristischerweise – verantwortlich für Deiche und Kanäle; dann die posche (Literaten); der lang tschong ling: Palastintendant; der wei wei: Palastgardenchef; der tai pu: Rüstkämmerer; der ting wei: Chef der Justiz; dertien ko: Chef der Vasallen und Barbarenfürsten; der tsong tscheng: Aufseher der kaiserlichen Familie; der tsche su nei sche: Magazinaufseher (und daher Minister für Ackerbau und Handel); der schao fu: Chef des kaiserlichen Haushalts (unter ihm der schang schu, ein Eunuch); der tschong wei: Chef der hauptstädtischen Polizei; der tsiang tso schao fu: Bau-Intendant; der tschong sche: Vorsteher des Hauses der Kaiserin und des Thronfolgers; der nei sche: Präfekt der Hauptstadt; der später mit dem tien ko (s. o.) vereinigte tschu tsio tschong wei: Kontrolleur der Vasallen. Man sieht, diese Liste weist – sehr im Gegensatz zu den rationalen und deshalb historisch nicht sehr glaubhaften Konstruktionen des Tschou li – alle Irrationalitäten eines aus der häuslichen, rituellen und Militär-Verwaltung durch Hinzutritt von Justiz-, Wasserwirtschafts- und rein politischen Interessen herausgewachsenen Patrimonialbeamtentums auf.

<p>99</p>

»Patriarchal« aber natürlich nicht im sultanistischen Sinn, sondern im Sinn des erbcharismatischen Sippen patriarchalismus mit überragender Macht eines vielleicht zuerst durch Designation (welche auch die klassischen Bücher an den Anfang stellen), dann erbcharismatisch überlieferten Ritualpontifex.

<p>100</p>

Zugänglich durch (teilweise) Uebersetzung sind vor allem die Annalen Se Ma Tsien's (1. Jahrh. vor Chr., hrsg. von Chavannes). Zusammenstellungen der aus den Annalen zu entnehmenden politischen Entwicklung der Feudalstaaten von Tsin, Han, Wei, Tschao und U von P. Tschepe (S. 7) a.a.O. (trotz der unvermeidlichen, oft etwas naiv wirkenden, »christlichen« Betrachtungen brauchbar). Wenn Tschepe ohne Zusatz zitiert ist, sind die Tsin-Annalen gemeint. Dazu die schon mehrfach zitierten »Discours des royaumes«.

<p>101</p>

Dieser politisch höchst wichtige Grundsatz für die fu yung (Untervasallen) erklärt sich am ungezwungensten aus dem Hervorgehen vieler politischer Vasallen aus ursprünglich selbständigen, dann tributär gewordenen Fürsten. Die Gaben der Vasallen selbst an den Kaiser galten – außer der pflichtmäßigen Militärhilfe – als freiwillig und der Kaiser hatte die Pflicht, sie durch Gegengaben zu entgelten. (Vgl. über diese Verhältnisse E. H. Parker, Ancient China simplified, London 1908, p. 144 f.)