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Richtung Osten. Bevor wir in die Bucht von Atuona zurückgekehrt sind, haben wir noch Molopu umrundet. Diese Insel soll unbewohnt sein, was ich auch verstehe. Sie ist klein, es waren nur Felsen zu sehen, kaum ein Baum oder Strauch und es gibt wenige Möglichkeiten anzulanden.

      Atuona, 24. April 1899

      In der Bucht von Atuona gibt es einige kleinere Strände, immer unterbrochen von felsigen Erhöhungen. Wir haben uns auch schon einen Strand ausgesucht. Wir sind dort oft allein. Es gibt hier wie auf Tahiti nur diesen schwarzgrauen Sand. Es macht den Kindern aber nichts aus, solange sie nur baden können. Ich denke gerade, Victor sollte ihnen jetzt doch bald einmal das Schwimmen beibringen. Die Mädchen sind zwar eben erst vier geworden, aber wenn sie mit den Armen plantschen, dann können sie im Wasser ebenso gut auch Schwimmbewegungen machen.

      Atuona, 28. April 1899

      Ein Brief von den Amerikanern. Sie sind gar nicht so weit von uns entfernt. Pierre und Jacques leben jetzt in San Francisco und treiben Handel mit Champagner und Cognac. Sie haben eine Neuigkeit, Roger will sich ihnen anschließen, er will auch nach Amerika gehen. Sofort denke ich an Tante Danielle und Onkel Eugène, die bald keine Kinder mehr haben. Wie kann Roger so etwas machen, wo Bernhard doch eben erst gestorben ist. Ich werde Mutter schreiben, die ja eigentlich schon längst Bescheid wissen müsste. Vielleicht fahre ich auch nach San Francisco und rede mit Roger. Es wäre ein Spaß und eine schöne Abwechslung.

      Atuona, 10. Mai 1899

      Fanaa hätte uns beinahe verlassen, es gab ein großes Drama mit vielen Tränen. Es kündigte sich ja schon länger an. Ich denke Fanaa hat zu lange bei den Nonnen gelebt, ihre eigenen Landsleute sind ihr fremd geworden, wobei ich zugeben muss, dass die Menschen hier auf Hiva Oa doch auch ein wenig anders sind, als die Menschen auf Tahiti. Atuona ist wirklich nur ein Hüttendorf, während Papeete eine richtige Stadt ist. Fanaa hatte sich auch schon selbst nach dem Dampfer erkundigt, aber dann habe ich sie doch überzeugt. Wir werden zu ihr halten und ihr helfen, diese Insel auch lieben zu lernen.

      Atuona, 15. Mai 1899

      Ich kannte Pater Almin bisher nur vom Sehen, aus der Kirche, während der Gottesdienste. Heute hat er uns besucht und wir haben uns miteinander bekannt gemacht. Er ist sehr nett, wir haben über Frankreich gesprochen. Er stammt aus dem Süden, aus einem Dorf in der Nähe der spanischen Grenze. Pater Almin lebt bereits seit acht Jahren auf Hiva Oa und war schon seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr in Frankreich, immer für die Kirche unterwegs, auf Mission. Obwohl er schon solange der Heimat fern ist, wusste er erstaunlich viel über die Zustände in Frankreich. Es liegt an den Menschen, denen er auf den Inseln begegnet. Die meisten sind auf der Durchreise oder nur für kurze Zeit hier. Pater Almin hat sein Wissen von Leuten wie mir, denn auch ich habe ihm von Frankreich und von Paris erzählt.

      Atuona, 11. Juni 1899

      Das Postschiff hat frische Zeitungen gebracht, obwohl sie natürlich nicht mehr ganz aktuell sind. Unser Anspruch ist jedoch gesunken. So erfahren wir, dass Anfang Mai der Pariser Frieden unterzeichnet wurde, der den Spanisch-Amerikanischen-Krieg nun auch offiziell besiegelt. Monsieur Jules Cambon hat seine Vermittlerrolle weitergeführt und den Vertrag im Namen der spanischen Regierung unterzeichnet. Paris ist eben eine Weltstadt, in der sich die Mächtigen versammeln. Spanien ist der Verlierer, was schon vor ein paar Monaten feststand. So fielen Puerto Rico und die Pazifikinsel Guam an die Vereinigten Staaten, die genauso wie die Philippinen gegen eine finanzielle Entschädigung den Besitzer gewechselt haben. Den Filipinos muss dies inzwischen klar sein, denn sie kämpfen wohl gegen diese neue Herrschaft. Nach der Schlacht bei Manila soll es immer wieder kämpferische Auseinandersetzungen mit den Amerikanern gegeben haben. Im Gegensatz zu den Philippinen geht Kuba wohl als unabhängiges Land aus dem amerikanisch-spanischen Konflikt hervor. Victor hat jedoch zu bedenken gegeben, was für eine Unabhängigkeit dies sein könnte, angesichts des Dranges der Amerikaner.

      Atuona, 20. Juni 1899

      Ich muss noch erwähnen, dass alles wieder gut ist. Bei Fanaa ist nichts mehr von ihrer Traurigkeit zu sehen oder zu spüren. Es liegt vielleicht auch daran, dass sie hier jetzt viel in die Kirche geht und sich mit den Nonnen von der Gemeinde trifft. Es ist beinahe so wie in Papeete, dort hat die Kirche Fanaa auch Kraft gegeben. Pater Almin hat mir mit seiner Vermittlung sehr geholfen.

      Atuona, 1. Juli 1899

      Ich werde Thérèse und Julie für zehn Tage in Fanaas Obhut lassen. Victor muss zu einer der nördlichen Inseln reisen und ich habe beschlossen, ihn zu begleiten. Unser Ziel heißt Taiohae auf Nuku Hiva. Victor kennt es ja bereits. Ich habe wieder Monsieur Viauds Büchlein bemüht, denn er hat auch über Nuku Hiva geschrieben. Ich könnte natürlich ebenso gut noch einmal bei Melville nachsehen, aber den »Typee« habe ich leider in Papeete gelassen. Es erwartet mich eine Insel, auf der auch bereits die Armee, die Gendarmerie und die Kirche zu Hause sind. Zum Glück müssen wir nicht dieses schreckliche Dampfschiff nehmen. Victor ist schließlich in offizieller Mission unterwegs und so fahren wir natürlich wieder auf der Floréal, die auch weiterhin in diesen Gewässern stationiert ist.

      Atuona, 14. Juli 1899

      Rechtzeitig zum Nationalfeiertag bin ich wieder bei meinen Kindern. Die ersten beiden Tage sollen sie mich noch vermisst haben, doch dann ging für sie das Leben weiter. Die Freude ist dennoch groß, jetzt wo ihre Mama und natürlich auch ihr Papa wieder bei ihnen sind. Meine Reise war recht erfreulich, weil wir nur sehr kurz auf See waren. Die Insel Nuku Hiva liegt etwa hundert Seemeilen von Hiva Oa entfernt. Wir sind am Morgen aus der Bucht von Atuona gefahren und waren schon am Nachmittag im Hafen von Taiohae. An den folgenden Tagen hatte Victor zu tun und ich habe mich allein im Dorf umgesehen. Seitdem ich Atuona kenne, habe ich meine Scheu vor solchen Orten verloren. Taiohae ist aber bestimmt größer als Atuona und es sind viele Europäer dort. Die Bucht sieht so aus, wie Monsieur Viaud sie beschrieben hat. Im Hafen lagen zwei amerikanische, ein deutsches, ein holländisches und zwei französische Schiffe. Walfänger waren aber nicht darunter. Ich habe auch keinen Königinnenpalast gesehen und ich denke, es gibt auch keine Monarchie mehr auf Nuku Hiva, wie sie Monsieur Viaud noch vorgefunden haben mag, wenn es nicht seiner Fantasie entsprungen ist. Am Sonntag sind Victor und ich im Pferdewagen die Küste hinaufgefahren. Es gibt hier einige schöne Buchten. Ich habe es wieder bedauert, dass ich den »Typee« nicht zur Hand hatte, denn Melville hat ja auch das Innere von Nuku Hiva beschrieben. Ich werde es noch einmal nachlesen, wenn wir wieder auf Tahiti sind. Nach acht Tagen haben wir Nuku Hiva schließlich verlassen. Nicht weit von der Insel entfernt liegt Oa Pou. Wir sind schon auf der Hinfahrt daran vorbeigekommen. Auf der Rückfahrt haben wir dann in der Bucht geankert und uns im Beiboot zur Insel übersetzen lassen. All diese Inseln der Marquesas haben ihr Eigenes, keine lässt sich mit der anderen vergleichen. Oa Pou ist gegenüber Nuku Hiva ganz still. Es leben dort viel weniger Europäer und vor der Insel war unser Schiff das Einzige. Das Gleiche gilt für Ua Huka, unserer letzten Station. Wir sind erst am Abend von Oa Pou weggekommen und so haben wir in der Nacht vor Ua Huka geankert. Erst am nächsten Morgen konnte ich die Insel richtig sehen. Die Wälder von Oa Pou und von Nuku Hiva fehlen hier beinahe ganz. Ich habe mich nicht ausschiffen lassen, weil das Beiboot ohnehin nur die Post und einige Waren für den Militärstützpunkt an Land gebracht hat. Von Ua Huka aus sind wir noch am Vormittag wieder Richtung Atuona aufgebrochen. Ich bin jetzt aber auch glücklich, wieder zu Hause zu sein.

      Atuona, 5. August 1899

      Mutter ist ganz meiner Meinung. Roger ist schon unterwegs nach Amerika und es ist nicht richtig, die Eltern alleine zu lassen. Aber es gibt auch etwas Neues dazu. Roger ist nicht ganz so herzlos. Er plant seine Eltern nachkommen zu lassen, nach Amerika. Am Ende sind sie alle dort, denn Pierre und Jacques holen Tante Carla und Onkel Joseph ganz bestimmt auch noch nach und auch Anne mit ihrem Kind. Vielleicht ist es sogar das Beste für Anne, denn sie lebt doch noch in derselben Stadt wie der Kindsvater. Anne hat seinen Namen noch immer nicht preisgegeben.

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