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      Kapitel 8

      Doris Demmer, Dr., 42 Jahre jung, frei und ungebunden, feuerte den Kaminofen an. Sie schichtete kunstfertig die Holzscheite auf. Zuerst den Anzünder, natürlich auf Biobasis, dann eine Schicht der mit der Axt klein gemachten flachen Stücke und obendrauf ein knorriger Kanten Eichenholz. Mit einem Zischen entflammte das Streichholz.

      Im Raum herrschte Eiseskälte. Sie hatte am Morgen durchgelüftet und dann vergessen die Fenster wieder zu schließen. Das Feuer brannte lichterloh und schon knisterten die trockenen Holzscheite.

      Wenige Minuten nach 15 Uhr klingelte es. Als Doris Demmer durch das Küchenfenster linste

      erblickte sie Joseph Wolf, mit einer Visitenkarte in der Hand. Sie hatte ihn nicht gleich erkannt, irgendwie sah der Mann heute verändert aus. Die Kleidung salopp, nicht zu lässig. Eine modische Winterjacke aber keine Kopfbedeckung. Brauchte er ja auch nicht. Bei diesem Gedanken hätte sie lauthals auflachen mögen, beherrschte sich aber zum Glück noch rechtzeitig.

      Klar, wegen dem konfiszierten Hut hatte er sich bei ihr eingefunden. Gespannt war sie schon, wie sich der Ersatzkaiser aus der Affaire ziehen würde. Entschuldigen musste er sich auf jeden Fall. Das sei schließlich das Mindeste. Ohne Kniefall ginge das beileibe nicht ab. Gnädig, aber im Grundton eher kühl, wollte sie dann die ihr zugefügte Schmach verzeihen.

      „Sind Sie Frau Demmer?“

      Blöde Frage, wer sollte sie denn sonst sein. Doris verfolgte das Geschehen von einem Nebenraum aus.

      „Bitte kommen Sie herein. Ich habe Sie schon erwartet.“

      Sie trat einen Schritt zur Seite, zeigte einladend in Richtung des Wohnbereichs. Joseph Wolf wurde verlegen, die Person vor ihm verwirrte ihn. Er ging davon aus, dass dies die Tochter des Hauses sei, denn die Dame im Clownskostüm war ihm älter vorgekommen. Er setzte sich und wartete darauf zu hören: meine Mutter kommt gleich. Aber nichts dergleichen geschah.

      Langsam kamen ihm erste Zweifel. Er musste etwas sagen um die peinliche Stille zwischen ihnen nicht unüberbrückbar werden zu lassen. Mutter oder Tochter, diesen Gedanken ließ er augenblicklich fallen. Es lag an ihm zu sprechen.

      „Ja, da bin ich, Kaiser Napoleon ohne Hut.“

      Joseph wollte witzig sein, merkte aber sofort, dass sein Scherz nicht zündete. Themenwechsel. Er versuchte es mit einer Bemerkung über das Wetter. Das war unverfänglich und ging immer beim Smalltalk. Er fühlte sich zunehmend unwohl.

      „Ich habe erst vor einer Stunde eingeheizt, ich war zum Mittagessen nicht zu Hause. Gleich wird es warm. Der Kachelofen zieht gut.“

      „Ja, ich weiß“

      Knapp die Entgegnung: „Klar, sonst wären Sie ja nicht gekommen!“

      Darauf wusste Joseph nichts zu erwidern. Also schwieg er und wartete ab. Ein neues Thema fiel ihm ein. So konnte er geschickt auf den eigentlichen Grund seines Besuches überleiten.

      „Napoleon, also ich meine der echte, soll einmal hier in Kesten gewesen sein. Haben sie davon gehört? In dem Haus neben der Gastwirtschaft habe er genächtigt, aber historisch belegt ist das nicht zweifelsfrei.“

      „Nein, davon habe ich noch nichts gehört.“ Die junge Frau blockte ab.

      „Das Napoleonskostüm habe ich mir ausgeliehen, weil mir die Uniform gut gefallen hat. Der markante Hut des Kaisers macht einiges her.“ Joseph Wolf fühlte sich besser als er das Gespräch zu diesem Thema überleitete.

      Dann fiel ein folgenschwerer Satz, der zwar nicht so gemeint war, aber dem Gespräch eine neue Wendung gab.

      „Napoleon war ja eher klein von seiner Statur her, aber er soll Damen gegenüber galant gewesen sein. Grob ging er mit seinen Mätressen nicht um.“ Zumindest der nachgeschobene zweite Satz hatte voll ins Schwarze getroffen. Diese Worte waren bewusst gewählt, sollten sie ihren Besucher doch aus der Reserve locken. Sie wartete auf eine Entschuldigung.

      Joseph Wolf fing den Ball auch sofort auf. Er erwiderte mit fester Stimme:

      „Nicht das Sie meinen, ich sei gestern Abend betrunken gewesen, als ich Sie zum Tanz auffordern wollte. Absolut nicht!“ Das war nicht ganz korrekt, tat im Augenblick aber nichts zur Sache. „Ich war unsicher auf den Beinen und befürchtete zu stürzen. Auf dem Fußboden vor ihrem Stuhl lag eine Tasche oder etwas ähnliches. Da wollte ich nicht drauf treten. Es tut mir leid, wenn ich sie da etwas hart angefasst haben sollte.“

      Diese Arroganz kam ihr gerade recht. Leicht hob sie eine Augenbraue und erwiderte lässig

      „ja, so wird es gewesen sein. Genau so.“

      Die Schärfe der Entgegnung führte zu einem tiefen Graben zwischen ihnen beiden. Ein Wort gab das andere. Aus heiterem Himmel entwickelte sich ein Streit. Es ergab sich einfach so. Joseph Wolf steigerte sich in seine Verteidigung regelrecht hinein. Dann glaubte er seinen besten Joker ausspielen zu müssen. Eine Dummheit, was hatte er sich nur dabei gedacht?

      Langsam erhob er sich, vom Tisch schaute auf die Visitenkarte, hielt einen Augenblick inne bevor er mit ruhiger Stimme das weitere Geschehen in die Hand nahm.

      „Frau Demmer, als Allgemeinmedizinerin werden sie leicht erkennen können, dass ich keinen Blödsinn von mir gebe. Selbst wenn sie nur Tierärztin sein sollten, soviel Verständnis darf ich voraussetzen.“

      Was jetzt geschah, erstaunte die junge Frau, die mit offenem Mund auf den vor ihr stehenden Mann starrte. Sie war so verblüfft, dass sie nur still und ohne Worte dem Geschehen zu folgen vermochte. Mit einem schnellen Griff öffnete Joseph Wolf die Gürtelschnalle und nestelte den Hosenknopf auf. Dann fielen die Hüllen. Joseph stand in gelb-blau gestreiften Boxer-Shorts mitten im Raum. Wie erstarrt, unfähig zu einer Reaktion, stierte diese auf das lädierte Bein vor ihren Augen. Ihre Wut steigerte sich in ungeahnte Ausmaße.

      „Das sind keine Kriegsverletzungen aber so etwas ähnliches“ knurrte Joseph Wolf giftig. Auch ihm wurde die ganze Sache nun mehr als peinlich. Er raffte seine Hose in die Höhe und versuchte hastig den Gürtel zu schließen. Schnell tastete er nach seiner Winterjacke um sich eilig davon zu machen.

      „Entschuldigung, Frau Demmer, ich bin zu weit gegangen. Reichen Sie mir doch bitte meinen Hut damit ich gehen kann.“

      Der Napoleonshut lag neben ihr auf dem Sofa. Automatisch reichte sie die Kopfbedeckung über den Tisch.

      Joseph griff hastig danach, drehte sich um und wollte nur noch fort. Er hatte sich gehen lassen, das durfte nicht passieren. Was war nur los mit ihm?

      „Was war das denn für ein skurriler Auftritt, echt krass der Typ.“ Doris drehte sich um und sah ihre Mitbewohnerin Gabriela im Durchgang vom Wohnzimmer zur Küche stehen.

      „Echt geile Nummer, ganz großes Kino. Ich habe zwar nicht alles mitbekommen aber als er die Hosen runter gelassen hat, konnte ich vor Aufregung kaum noch Luft holen. Kommt selten vor, das ein Kerl so forsch ist.“Ihre Worte untermalte sie mit einem süffisanten Lächeln.

      „Mein Oberarm hat blaue Flecken von der Herzlichkeit dieses Herrn Sonderbar abbekommen. Aber das ist ja nicht alles. Beleidigt hat er mich auch noch. Nur gut, das niemand davon etwas mitbekommen hat. Vor allen Leuten eine solche Szene, das hätte mir zu meinem Glück noch gefehlt.“ Doris Demmer zitterte bei dem Gedanken, was dieser Unhold hätte anrichten können.

      Doris schniefte. „Ich kann den Kerl einfach nicht verputzen. So arrogant wie dieser Mensch gestern an meinen Tisch stolzierte. Ich habe ihn erst gar nicht gesehen. Und dann grapscht er nach mir. Richtig fest hat er sich in meinen Oberarm gekrallt.“

      Es wurde schon dunkel. Rotwein stand auf dem Tisch. Die Stimmung konnte nicht prächtiger sein. Der arme Joseph wurde durch den Kakao gezogen. Gabriela verstand es meisterhaft die pikante Situation theatralisch nachzustellen. Als sie dann aufreizend langsam den Gürtel ihrer Hose löste und lässig noch einen Schritt weiterging,

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