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Mann seinem neuen Tischnachbarn ins Ohr „von Nichts kommt halt Nichts.“

      Mit einem Tusch setzte die Musik ein. Die Tischgespräche verstummten. An der Hammondorgel agierte die Ein-Mann-Unterhaltungskapelle. Mit einem Potpourri bemühte sich der Alleinunterhalter die Stimmung im Saal anzuheizen. Es folgte das offizielles Programm. Im Raum wurde es still, als das Licht ausgeschaltet wurde. Gespannte Erwartung. Ganz im Stile der Shows in Las Vegas dröhnte eine Stimme aus dem Hintergrund.

      „Spot an“

      Im aufflackernden Punktstrahler präsentierte sich der Ortsbürgermeister in einer bunten Maskerade. Frack und Zylinderhut schillerten in allen Farben. Ein kurzes Räuspern und die obligatorische närrische Begrüßung hob an. Höflicher Applaus. Angekündigt wurde nun einer der Höhepunkte des närrischen Abends. Das Männerballett der Freiwilligen Feuerwehr mühte sich ungelenk. Die Lacher auf ihrer Seite strebten die Herren im gesetzten Alter wahren turnerischen Höchstleistungen entgegen. Tosender Applaus verabschiedete unter den Klängen des Narhallamarsches die gelungene Darbietung.

      Als der offizielle Teil der Veranstaltung nach einer Stunde endete, trat der Alleinunterhalter wieder in Aktion. Mit dem Schneewalzer und den Tulpen aus Amsterdam brach er das Eis. Seine Aufforderung vor dem dritten Musikstück

      „Damenwahl“

      fand frenetisch beklatschten Beifall. Die Herren der Schöpfung wurden von ihren Ehefrauen ausnahmslos auf die Tanzfläche geschleppt. Da halfen keine Ausreden. Joseph Wolf blieb allein an seinem Tisch sitzen, schenkte sich nach und beobachtete die Szenerie vor der Bühne. Vorn auf der linken Seite des Saals gab es einige Tanzmuffel, die sich erfolgreich der Aufforderung des Tanzmeisters entzogen. Singles, Witwer oder sonstige Originale, wie es sie überall gab.

      Ein Schunkellied erklang vor dem nächsten Tanzdurchgang. Luftschlangen schwirrten durch die Tischreihen. An der Stirnseite des Tisches hakte sich Joseph bei seinen beiden Nachbarn ein. Lieber hätte er auf der anderen Seite der Wirtshausgarnitur gesessen, denn dann wäre er bei den fröhlichen Frauen untergekommen.

      Mit seiner prächtigen Kopfbedeckung überragte Joseph die meisten der Anwesenden. Der goldglänzende Saum und die bunte in den französischen Farben brillierende Kokarde machten viel her. Dazu die schicke Uniform. Sehnsuchtsvolle Blicke verfolgten ihn, als er sich aufmachte eine Tanzpartnerin aufzufordern. Er steuerte gezielt auf den vorderen Tisch zu. Dort saß die Auserwählte. Ein hübsches Kostüm. Schwarz weiß im Wechsel. Das war ein Bajazz, nein, ein Pierrot, ordnete Joseph das Outfit des Possenreißers ein. Eine melancholische tragische Figur, nicht ohne Reiz. Ein toller Kontrast zu den meisten grellbunten Kostümen.

      Langsam, wie auf der Pirsch, schlängelte sich Joseph seinem Ziel entgegen. Er brauchte etwas Zeit um bei dem Gewimmel, der auf die Tanzfläche strömenden Paare, voranzukommen. Die Tische standen eng und die zurückgeschobenen Stühle erschwerten zusätzlich den Durchgang.

      Die Dame seines Herzens beobachtete gelassen die Tanzpaare, saß bequem auf ihrem Stuhl, den Rücken angelehnt. Joseph wollte schon die in seinem Geiste vorgeformten Worte

      „Darf ich bitten“

      artikulieren, als er zwei, drei Schritte vor dem weiß geschminkten Clown plötzlich inne hielt. Dieses maskenhaft geschminkte Gesicht, wirkte wie aus einer anderen Zeit. Aus dem Augenwinkel heraus, mehr so ein Reflex, kam eine Unsicherheit auf. Sein rechter Fuß zögerte einen Moment. Lag da auf dem Boden etwas hell Glitzerndes, eine Tasche oder etwas Ähnliches? Mitten in der Bewegung stoppte er abrupt, suchte instinktiv nach einem Halt.

      Irritiert griff Joseph nach dem vor ihm stehenden Stuhl und versuchte die Lehne zu fassen. Unglücklicherweise veränderte die dort sitzende Frau genau in diesem Augenblick ihre Haltung. Sie legte ihren rechten Arm lässig auf die Stuhllehne. In seiner Panik, einen Sturz zu vermeiden, griff Joseph nach dem sich bietenden Halt. Er achtete nicht darauf, dass sich seine Hand kräftig um den Oberarm der sich vor ihm befindlichen Person krallte.

      Ein unterdrücktes Aua und ein irritierter böser Blick folgten postwendend seinem ungeschickten Handeln. Joseph starrte in ein weit aufgerissenes Augenpaar. Wie gebannt stand er da, unfähig sich zu rühren. Seine napoleonische Kopfbedeckung, die er sich unter den Arm geklemmt hatte, entglitt ihm und fiel auf den Fußboden zwischen den Stuhlreihen. Das registrierte er in seiner aufkommenden Panik schon nicht mehr.

      Bevor er ein „Entschuldigung, wie ungeschickt“ murmeln konnte, keifte der geschminkte Pierrot schon heftig los.

      „Sie tun mir weh. Was fällt ihnen denn ein? Mann, sie sind ja betrunken. Machen sie das sie wegkommen oder ich schreie auf der Stelle alle Leute zusammen.“

      Zwei dunkle Augen starrten aus dem weiß geschminkten Gesicht in unerbittlicher Härte auf den unglücklichen Joseph. Alles lief in Sekundenschnelle ab, er kapierte erst gar nicht, was er da angerichtet hatte.

      Ohne weiter auf die zeternde Frau zu achten, drehte er ab. Fluchtartig versuchte er vom Ort seiner Schmach zu entfliehen. Erst nachdem er auf der Straße vor dem Gemeindehaus stand und sich in Richtung seiner Pension davonmachte, wurde ihm bewusst, wie dämlich er sich angestellt hatte. Wie vom Schlag gerührt merkte er, dass er seinen pompösen Hut bei der missglückten Aktion eingebüßt hatte. Es half nichts. Er konnte unmöglich zurück. Zu blöd aber auch.

      Kapitel 7

      Sonntagvormittag, ein trüber Wintertag. Die Kirchglocken bereits verklungen. Das rhythmische Klack, Klack, wenn Schuhe mit Absätzen an seinem Fenster vorbeikamen, hatte er noch im Bett liegend im Halbschlaf verfolgt. Frühstück fiel heute aus, die Zeit dafür längs vorbei. Essen gab es in der Dorfwirtschaft. Dort wollte er hin.

      Das Schild „Bürgerstammtisch“ prangte wie eine Standarte mitten auf der von Biergläsern eingefassten Buchenholzplatte. Eine hitzige Diskussion schien die Gemüter der Anwesenden zu beschäftigen. Joseph Wolf suchte nach der Garderobe.

      „Pfälzer Bub, setze dich doch zu uns“ hörte er vom Stammtisch her eine freundliche Stimme und war überrascht auf diese Weise eingeladen zu werden. Schnell orderte er sein Bier und rutschte auf die Bank. Höflich erkundigte er sich nach dem Zweck des Zusammentreffens der Honoratioren, ja genau dieses Wort wählte er, um einen guten Eindruck bemüht.

      „Also, wir vom Bürgerstammtisch treffen uns immer am Sonntagvormittag um die Geschicke des Dorfes zu besprechen. Politisiert wird aber nicht. Unsere Frauen gehen derweil in die Kirche. So ist allen gedient. Besser könnte es doch nicht sein, oder.“ Alle lachten.

      Das gefiel Joseph. Hier an diesem Stammtisch erhoffte er sich Neuigkeiten. Alles andere konnte er vergessen. Im kleinen Dorf und das zur kalten Winterzeit gab es keine Anlässe beiläufig die Leute ausfragen zu können. Aber hier an diesem Wirtshaustisch war es anders.

      Gegen Mittag wurden die Witze und Zoten unter den Biertrinkern zunehmend harmloser. Joseph registrierte diese Veränderung und führte den Stimmungsumschwung auf die Tatsache zurück, dass die Messe vorbei sei und nun die Ehefrauen eintrudelten. Der große Saal wie das Hinterzimmer mit ortsüblicher Übertreibung betitelt wurde, füllte sich zusehends. Die Bedienung hatte alle Hände voll zu tun.

      Joseph blieb am Stammtisch sitzen. Er bestellte sich das Tagesgericht, Gulasch mit Knödel, und noch ein Bier. Jetzt hatte er richtig Hunger. Er brauchte nicht lange zu warten. Lilli stellte das dampfende Essen vor ihn auf den Tisch und überreichte einen kleinen mehrfach gefalteten Zettel mit der knappen Bemerkung:

      „hier für Sie, soll ich ihnen geben!“

      Diskretion schien nicht ihre Stärke zu sein. Joseph fühlte alle Augen der Anwesenden auf sich gerichtet. Er las den handgeschriebenen Zettel und nahm die beigefügte Visitenkarte in die Hand. Suchend warf er einen Blick durch die Zwischentür zum Hinterzimmer. Kein Gesicht, das in seine Richtung schaute. Nur geschäftig auf ihre Teller blickende Gäste.

      Joseph überlegte einen Moment. Bis zum Zeitpunkt des vorgeschlagenen Treffens blieb noch genügend Zeit. Also konnte er in Ruhe sein Gulasch

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