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auf den Anhänger eines abgestellten Holzlasters. Unwirklich, diese Lichtreflexe, es schien, als sei die Szenerie fachmännisch ausgeleuchtet worden. Der Fotograf verstand sein Handwerk, hatte offensichtlich einen Sinn für das Wesentliche.

      Moment, Joseph Wolf blätterte zurück zum Unfallbericht. Der Notruf erreichte die Zentrale am Samstag exakt um 6 Uhr 10. Von einem Bäcker auf Verkaufstour stammte die Meldung. Soweit alles klar. Nur warum wurde über den Unfall bereits in der Samstagausgabe der Lokalzeitung berichtet? Irgendetwas stimmte da nicht, passte nicht zusammen.

      Nach einem Telefonat mit der Rheinpfalz Druckerei in Ludwigshafen stand für ihn fest, dass der Unfallzeitpunkt früher als 6 Uhr 10 gewesen sein musste. Wenn das stimmte, dann wäre ein unbekannter Zeuge oder gar Beteiligter vorher am Unfallort gewesen. Da käme unterlassene Hilfeleistung in Betracht.Irre, wenn das zusammen passt. Wahnsinn.

      Kapitel 3

      Ausgerechnet heute wollte ihn sein Vorgesetzter sprechen. Ungünstiger konnte der Zeitpunkt nicht sein. Aber egal. Joseph hatte keine Wahl. Gestern war es spät geworden. Ein Schnaps zum Abschluss, und dann noch einer.

      Die Treppe hoch, gut für seinem angeschlagenen Kreislauf. Mit tiefen Atemzügen pumpte er frische Luft in seine Lungen. Einen kurzen Moment hielt er den Odem an und ließ die Atemluft langsam wieder ausströmen.

      Ohne sich umzusehen schlingerte Joseph Wolf nach der Treppe links den Gang entlang. Ein flüchtiger Blick auf das Türschild. Die Bürotür stand offen. Er wurde bereits erwartet. Zu seiner Überraschung erhob sich eine elegant gekleidete Frau von ihrem Stuhl am Besprechungstisch. Sie kam einen Schritt in seine Richtung und reichte ihm die Hand zur Begrüßung.

      „Herr Wolf?“

      Er bejahte knapp und fügte hinzu

      „Sie wollten mich sprechen?“

      Joseph setzte sich in einen der ihm mit einer leichten Handbewegung angewiesenen Stühle und lächelte verlegen. Komisch, seine Chefin war eine Frau. Damit hatte er nicht gerechnet. Allerdings schalt er sich einen Trottel, hätte er auf dem Namensschild an der Bürotür leicht erkennen können, wenn er nur einen Augenblick aufmerksam hingeschaut hätte. Nicht Hildebrand stand dort angeschrieben, sondern Hilde Brand.

      Auf dem Tisch lag ein Aktenordner, offensichtlich seine Personalunterlagen. Das Gespräch begann mit der Aufforderung, er möge kurz berichten, womit er sich auf der Dienststelle gerade beschäftige. Kein Problem. Joseph erzählte von seiner Aufgabe eine Dokumentation über den schweren Verkehrsunfall kurz vor Weihnachten zusammenzustellen.

      Vielleicht unterlief ihm ein Fehler? In seinem Eifer fügte er gegen Ende seines knappen Berichts noch an, er sei da auf einige Ungereimtheiten gestoßen. Noch sei er sich nicht ganz sicher, aber er glaube, einem Verbrechen auf die Spur gekommen zu sein. Die übers Eck sitzende Frau wurde hellhörig bei den Worten, die sie da hörte. Entspannt setzte sie sich bequem in ihrem Stuhl zurecht und schlug die Beine übereinander.

      Exakt in diesem Moment kam sich Joseph Wolf vor wie ein Boxer, der einem harten Körpertreffen einfängt. In der Tür sah er eine zweite Person stehen. Irritiert starrte er in Richtung der dort wartenden Frau. Seine Rede stockte. Der begonnene Satz blieb auf halbem Wege in seinem geöffneten Mund stecken. Eine Fata Morgana?

      Spielte ihm sein Gehirn einen Streich. Das konnte es doch nicht geben. Sein Blick schwirrte von der bei ihm am Tisch sitzenden Frau zu der in der Tür am Eingang des Büros verharrenden zweiten Person. Immer hin und her.

      Die unerklärliche Gedankenspiegelung in seinem Kopf brachte ihn völlig aus dem Tritt. Die Ursache seiner Verwirrung dürfte im gestrigen Abend begründet sein. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel und schwor nie wieder ein Glas Alkohol anzurühren. Ein Meineid wie sich schon kurze Zeit später herausstellte. Eine oder zwei Frauen? Konnte er seinen Augen noch trauen?

      Aber diese frappierende Ähnlichkeit in der Erscheinung, das konnte doch nicht sein. Blonde lange Haare, schlank, die Gesichtszüge identisch. Ein Trugbild. Bei genauerem Hinsehen glaubte er doch einen feinen Unterschied erkennen zu können. Zwischen beiden Frauen, meinte er, dürfte ein Altersunterschied von vier maximal fünf Jahren liegen. Zwei Personen, gleiche Erscheinung auf den ersten Blick identisch wie ein Klon. Er traute seinen Augen nicht, zumindest nach den gestrigen Eskapaden hielt er alles für möglich.

      Die jüngere der beiden Frauen trat näher. Joseph Wolf stand verlegen auf, versuchte ein neutrales Gesicht auf sein verdutztes Antlitz zu zaubern. Dies gelang ihm offensichtlich nicht so wie beabsichtigt.

      „Bleiben Sie doch sitzen, Herr Wolf, ich sehe, sie haben sich schon bekannt gemacht.“

      Diese Worte verwirrten ihn vollends. Die Software in seinem Gehirn blockierte die logischen Gedanken. Das Denkvermögen schien unwiderruflich dahin.

      „Oh, verzeihen Sie Herr Wolf, darf ich vorstellen, das ist meine Schwester Judith. Sie ist Staatsanwältin in Trier. Ich bin Hilde Brand. Wir werden immer verwechselt, ihnen ist es ja genau so ergangen.

      Das Gespräch setzte sich entspannt fort. Jetzt fragte die Staatsanwältin gezielt nach. Joseph Wolf geriet mit seinem angeblichen Verbrechen in Erklärungsnotstand. Mehr als Vermutungen hatte er nicht vorzuweisen. Das Eis erwies sich als zu dünn um tragen zu können.

      Die Leiterin der Polizeiinspektion Wittlich ergriff das Wort. Es gäbe noch etwas anderes worüber wir mit Ihnen sprechen wollten. Joseph war froh, das er über seinen Fall nichts mehr zu sagen brauchte. Die Blamage eh schon groß genug. Mehr verkraftete er an diesem Vormittag nicht.

      Das war ja ein tolles Ding. Joseph Wolf staunte, ordnete die Worte, die aus dem Mund der Staatsanwältin sprudelten und versuchte ein erstes Bild von der Lage zu skizzieren. Auf die Frage warum sich ein verurteilter Verbrecher nach dreizehn Jahren Haft sechs Monate vor seiner Entlassung aufhängt, wusste auch er keine schlüssige Antwort. Um Aufschluss über mögliche Beweggründe in diesem Fall zu erlangen, wäre die Mithilfe von ihm nötig. Natürlich nur, wenn er das wolle und er es sich zutraue undercover zu ermitteln.

      Obwohl sich Joseph Wolf seinen Auftrag noch nicht so recht vorzustellen vermag, stand doch gleich fest, dass er eine solche verdeckte Ermittlung auf jeden Fall übernehmen würde. Von wegen ob er sich dies zutraue. Die beiden Frauen nickten sich unmerklich zu. Ein zufriedenes Lächeln zeigte sich auf ihren Gesichtern. Sie hatten ihr Ziel erreicht. Joseph Wolf an seiner Ehre gepackt, ging ihnen sofort und ohne zu überlegen sprichwörtlich auf den Leim. Noch ahnte er nicht, was bei diesem speziellen Einsatz auf ihn zukommen sollte.

      „Noch eine Frage Herr Wolf. Sind sie mit ihrem Namen im Bereich der sozialen Medien gelistet?“ seine Chefin Hilde Brand wollte dies wissen. Mit der Akte seines neuen Falles vor der Brust war er abrupt stehen geblieben. Er stutzte und überlegte einen Augenblick. Mit dem Begriff soziale Medien konnte Joseph im Zusammenhang mit seiner Person nichts verbinden. Was mit der Frage gemeint sein könnte entzog sich seinem Horizont. So wie er verloren schaute, präzisierte Frau Brand, die Jüngere, ihre Worte.

      „Finde ich, wenn ich bei Facebook, Whatsapp oder Google ihren Namen eintippe, irgendwelche Suchergebnisse zu einem Kommissar Joseph Wolf aus Ludwigshafen?“

      Die Antwort knapp und präzise, da brauchte er nicht nachzudenken.

      „Nein, als Person im Netz nicht bekannt.“

      Kapitel 4

      Morgen, Freitag am späten Nachmittag, sollte sein Undercover-Einsatz starten. Alles bereits vorbereitet. Sein Zimmer in der Pension vom Amt gebucht, darum brauchte er sich nicht zu kümmern.

      Die Informationen an Presse, Funk und Fernsehen, zeitgleich getaktet, stellten sicher, dass die Nachricht vom Suizid des verurteilten Straftäters Karl Kronenberg erst gegen 18 Uhr publik wurde. Mit dem Fall hatte sich Joseph Wolf beim Durchblättern der Handakte vertraut gemacht. Üble Sache damals, ging wochenlang durch die Medien.

      Entführung

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