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      Brad

      Brad tauchte zügig im Gewimmel der Straße unter. Hatte er sich gerade wirklich freiwillig prostituiert? Für ein Stück Pizza? Oder für seine Freiheit? Oder für was...? Er ging eilig und ohne nach rechts oder links zu sehen. War das ein Zukunftsmodell? Reiche, gelangweite Säcke ein wenig mit seinem Körper spielen lassen? Er schüttelte sich. Nein, entschied er, das würde nicht immer so glimpflich enden wie heute. Er hatte nicht mal dämliche Sachen machen müssen wie irgendwelchen Mist reden. Wenn die Huren, die er kannte von ihrer Freiern erzählten, lachten sie immer über ihre Antörnsätze. Und wer wusste überhaupt, wo so was endete, wenn man es erst anfing! Brad schüttelte sich. Wenn sein Boss Bereitschaft zu so etwas mitbekam, würde er bald für den schmierigsten Abschaum die Beine breit machen – Hauptsache, sein Boss bekam die Scheine. Das war kein Weg, Geld zu verdienen, schloss Brad.

      Er warf einen Blick auf die gestohlene fremde Uhr und fühlte einen geringen Stich des Bedauerns. Der Typ war doch eigentlich ganz korrekt gewesen. Aber das hatte er ja nicht wissen können, als er die Uhr nahm. Nun, er würde nie wieder dort auftauchen und damit konnte er es vergessen, dachte er. Schon seltsam, dieser Brin. Er ertappte sich dabei, wie er es eben doch nicht ruhen lassen konnte. Woher konnte ein reicher Sack nach den Regeln seines Viertels spielen? Wieso war er nicht ausgetickt, wieso hatte er ihn davonkommen lassen, wieso war er fairer gewesen als einer, der sich im Viertel auskannte? Brad bog zur U-Bahn ab und fluchte, als seine Linie abfuhr. Nun kam er zu spät zu seinen Freunden. Er ließ sich auf eine Wartebank fallen. Zweimal in der Woche Normalität heucheln. Zweimal die Woche hoffen, dass Lizzard Boy sich doch noch eines Besseren besann und ihn endlich auch mal wahrnahm. Zweimal die Woche Gus vergessen... Er schmunzelte, als er einstieg. Die Uhr zu verticken musste warten. Wenn seine Freunde wüssten, was er trieb! Aber sie wussten es nicht.

      „He, Brad. Ich habe auf dich gewartet.“ Brad betrat die alte Fabrikhalle mit beschwingten Schritten, die Sporttasche über der Schulter.

      „Jeanie, hi. Ich habe fast damit gerechnet.“ Jeanie lächelte.

      „Du lässt uns nie hängen.“

      „Nein“, erwiderte Brad lächelnd. Die anderen waren offensichtlich schon draußen. „Was läuft heute Abend?“

      „Slackline im Park, hat Lizzard Boy durchgesetzt. Da du nicht da warst.“ Brad verzog den Mund.

      „Wird der faul? Slackline ist doch kein Parcours...!“ Jeanie lachte, während er sich hastig auszog. Um die Slackline saßen die Yamakasi und sahen immer dem einen zu, der versuchte, sich oben zu halten.

      „Und das sagt der Junge mit der Eidechse auf der Schulter...“, stichelte Jeanie. Brad wurde ein bisschen rot.

      „Ist trotzdem kein Parcours“, grummelte er und zog aus der Sporttasche ein frisches Shirt und frische Wäsche. Jeannie schnüffelte.

      „Der Waschsalon in der hundertsten“, riet sie.

      „Ja.“ Brad lachte. Ordentliche Trainingskleidung war eine der selbst auferlegten Regeln der Gruppe. Keine Diebstähle eine der anderen. Schon gar keine Einbrüche. Brad seufzte, während er sich nackt auszog und nur ein bisschen abwandte. Jeanie kannte seinen Körper, er ihren. Sie waren zusammen im Mondlicht geschwommen, sie erzählten einander von ihrem Liebeskummer.

      „Und du? Neues Aftershave...?“ Brad zuckte zusammen.

      „Ja“, log er.

      „Sexy!“ Nun hatte er ein echt schlechtes Gewissen. Immerhin, er hatte es gemanagt, nicht schon wieder stinkend zum Training zu kommen, indem er bei seinem...bei diesem Brin geduscht hatte und indem er in einem Schließfach immer frische Sportklamotten bereit hielt, auch wenn das Zeit und Organisationsaufwand und sogar Geld kostete. Waschsalons waren schließlich nicht umsonst! Aber wenn das hieß, er passte dann besser zu den Yamakasi, war es das wert.

      „Willst du in den Park?“, fragte er, während er seine ausgetretenen Turnschuh schnürte. Jeanie zwinkerte.

      „Erst Parcours, dann slacken und labern“, grinste sie zwinkernd. „Wie wäre es mit einem Run gegen die U-Bahn?“

      „Ach deswegen hast du gewartet!“, lachte Brad. Das machte zu zweit einfach erst Spaß. „Gerne. Machen wir!“

      Ausspioniert

      „Ihre Uhr, Sir.“ Pengs Schülerin übergab Brin die Golduhr mit der Rechnung vom Pfandhaus.

      „Dieser Stümper“, seufzte Brin beim Anblick des Betrages. „Er weiß nicht mal, was die Dinge wert sind.“ Sie zückte ihr Notebook.

      „Das Ziel nahm seinen Heimweg über die U- Bahn und einen Sportverein für Jugendliche. Ich habe ein wenig recherchiert, das ist die Homepage“, sie reichte Brin den aufgeklappten Computer. „Und er ist ziemlich gut, dieser Brad“, fügte sie hinzu und spielte ihm ein paar verwackelte Videos vor, auf denen Brad und eine junge Frau in den Straßen der Stadt Parcours machten. Brin pfiff durch die Zähne. „Den Abend hat er im Park verbracht. Diese jungen Leute nennen sich Yamakasi...“ Sie zeigte ihm Fotos von einer Gruppe junger Leute im Park, einer gespannten doch verwaisten Slackline und dem herrlichen sternenklaren Nachthimmel über ihnen. „Weil das Ziel erst in der Nacht zur Pfandleihe ging, bin ich erst heute früh zu Ihnen gekommen, Sir“, fuhr Pengs Spionin fort. „Ich dachte, ich dehne meinen Auftrag mal ein wenig aus. Ich habe ein paar Fotos dort gemacht, wo er herkommt. Eine verdammt miese Gegend. Vor allem Mitten in der Nacht. Aber ich habe die Adresse!“ Brin ließ sich die Bilder zeigen.

      „Das haben Sie sehr gut gemacht, junge Dame“, lobte er, „das ist gewiss einen Bonus wert. Cash oder aufs Konto?“ Sie zögerte und Brin lächelte. Zögern hieß immer cash. „Einen Moment bitte“, sagte er und erhob sich, um das Geld zu holen. Als er zurückkam, grinste sie ihn an, als habe sie dieselbe Idee wie er, als er die Scheine in den Umschlag geschoben hatte.

      „Soll ich bei diesem Verein mal reinschnuppern, Sir? Parcours hat mich schon immer interessiert.“

      „Ja. Die Idee ist gut. Aber nehmen Sie sich Zeit. Vertrauen erschleicht man sich selten in einer Blitzattacke.“

      Brad saß mit Jeanie Rücken an Rücken während sie den anderen beim Slacklinen zu sahen.

      „Das gibt´s nicht, oder?“, seufzte Brad. Er spürte Jeanies Seufzen an seinem Rücken.

      „Ein neues Huhn im Korb und alle Hähne balzen.“ Ein warmer Wind wehte von den Bäumen her herüber, zwischen deren Stämme die Line gespannt war. „Aber selbst Lizzard Boy, ey...!“ Jeanie schnaufte voll Verachtung. Genau, selbst der schwule Lizzard Boy drängte sich um ihren blonden Neuzugang.

      „Ich glaube, da geht es um Bewunderung. All eyes on me, mehr nicht“, meinte Brad abgeklärt. „Hm. Manchmal glaube ich”, murmelte Jeanie und senkte dabei die Stimme zu einem Flüstern, das nicht weit trug, „Lizzard Boy ist ein ziemliches Arsch. Ein Narzisst.”

      „Du meinst”, gab Brad ebenso leise zurück, „wenn nicht mal mein Geschleime ihm reicht...“ Jeanie schwieg eine Weile und biss sich auf den Lippen herum. „Ich finde auch, dass er mich eigentlich gar nicht verdient“, flüsterte Brad schließlich. „Und übrigens ist die Eidechse nicht nur wegen ihm da auf meiner Schulter, klar? Ich bin auch eine Eidechse. Und eine verdammt gute.“

      „Weiß ich“, Jeanie lachte. „Wollen wir was anderes unternehmen, bis die zu sich kommen?“

      „Kino, Burger, Fritten?“, schlug Brad vor.

      „Ja, so lange es nicht so spät wird...“

      „Weil Lorenzo von der Schicht kommt.“

      „Ja.“ Bei der Erwähnung ihres Liebsten huschte ein Lächeln über Jeanies Gesicht. „Kommst du auch mit, wenn ich ein wenig Gebäudeklettern geh? Jetzt?“ Brad schätzte die Tageszeit ab.

      „Jetzt? Das ist riskant, alle Leute sind Zuhause!“ Jeanie lächelte. Genau das wusste sie wohl auch.

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