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      Gantenbein

      und die Tote in der Dusche

      Dirk-Laker-Verlag

      Dirk-Laker-Verlag

      www.dilav.de

      eBook-Ausgabe

      Veröffentlicht im Dirk-Laker-Verlag

      © Sanela Egli

      Für alle. Und für niemanden.

      Was auch immer Sie möchten.

      1. Teil

      1

      Der Aufzug stoppt, und mit gesenktem Blick tritt Tina in das Foyer. Sie eilt hinaus, schnellen Schrittes lässt sie den beleuchteten Pool hinter sich, steigt die Stufen hinab und passiert die Unterführung, die direkt zum Meer führt. Sie legt das Badetuch auf den Boden und begibt sich in das Wasser.

      Die Erfrischung in der Nacht tut gut. Sie legt den Kopf in den Nacken und blickt zum Firmament. Eine Sternschnuppe fliegt über ihr in die dunkle Weite des Himmels, und sie wünscht sich, endlich die Kraft zu haben, sich von Ben zu trennen.

      Sie beginnt zu schwimmen. Rudert ihre Sorgen für einen Augenblick weg, während ihr Mann im Hotelzimmer seinen Rausch ausschläft. Wieder einmal. Mittlerweile ist es schon so was wie Tradition geworden.

      Grazil bewegt sie sich im salzigen Nass. Jeden Muskel ihres Körpers angespannt, die Haare straff zu einem Dutt gebunden.

      Nach wenigen Minuten stützt sie sich am Rand ab und hievt sich aus dem Wasser. Sie greift nach dem Badetuch, wickelt es um ihre Taille und schlüpft in die bereitgelegten Badelatschen. Dann schlurft sie in eine der Duschkabinen, die vor der Unterführung stehen; Duschcontainer trifft es wohl eher.

      Sie sperrt die Tür zu und schält sich aus ihrem roten Bikini

      Schritte.

      Ist sie nicht die Einzige, die spätabends noch das Meer aufsuchte?

      Ein Schlappen. Räuspern. Eine Dusche wird aufgedreht. Abgestellt.

      Erneutes Schlappen.

      Schaben an der Tür.

      Maja will das Wasser laufen lassen, wartet aber ab.

      Stille.

      Ihre Hand fährt an den kalkverkrusteten Duschkopf, als sie wieder ein Schlappen vernimmt. Sie hält die Luft an.

      „Hallo? Ist hier … je…“, Beklemmung erstickt ihre Stimme.

      Klopfen an der Kabinentür.

      Lautes Schnaufen.

      „Hallo …? Wer ist denn da?“

      Stille.

      Stillschweigend zählt Maja auf zwanzig. Nichts tut sich mehr. Hat sie sich das nur eingebildet?

      Entblößt macht sie vorsichtig die Tür einen Spalt auf. Ihre Hände zittern. Blick nach links, Blick nach rechts. Niemand zu sehen. Sie will die Tür wieder schließen, um endlich zu duschen, als eine Gestalt sich in ihr Sichtfeld schiebt. Noch bevor sie schreien kann, hat sie eine Hand auf dem Mund, die sich verdammt fest auf ihre Lippen presst. Dann zückt die Gestalt ein Messer.

      Die ersten Stiche tun noch weh, doch die weiteren spürt Maja nicht mehr. Sie spürt nichts und sieht nichts mehr. Das Blut, das aus ihr sickert, bekommt sie nicht mehr mit. Der letzte Stich hat ihre Haut durchbohrt und steckt nun tief in ihrem Herzen.

      Die Gestalt lässt das Messer in ihrer Brust stecken und bewegt sich entspannt vom Tatort weg.

      2

      Die braunhaarige Schönheit bewegte sich im Dreivierteltakt. Ihr weißes, prachtvolles Kleid mit Steinchen entlang des Dekolletés schimmerte im Sonnenlicht. Sie war wahrlich eine Schönheit. Das frisch vermählte Brautpaar tanzte verliebt, die Gäste lachten und klatschten. Die Musik verklang, und das Paar kam sich näher. Ein intimer Augenblick. Knisternde Stille durchflutete den Saal. Ihre Augenlider sanken, ihre Lippen näherten sich an.

      Krächzend schreckte Frank Gantenbein jäh auf. Er räusperte sich, trank das Wasserglas, das vor ihm auf dem Tisch stand, leer und kippte anschließend das restliche Bier die Kehle herunter. Verdammt! Abgestanden. Aus dem Kühlschrank nahm er eine neue Dose, öffnete sie und stellte sie auf den Tisch.

      Er rieb sich die Augen, blickte sich um und musste enttäuscht feststellen, dass es einmal mehr nur ein Traum gewesen war. Nichts weiter. Nur ein verdammter Traum. Er grämte sich und brauchte einen Moment, um sich zu fangen. Dann schaltete er den Fernseher aus, der die ganze Nacht gelaufen war, schälte sich aus der unbequemen Couch und reckte die Wirbelsäule durch. Ein Stöhnen entfloh seinem Mund. Schon wieder war er im Wohnzimmer eingeschlafen. Als er vor sechs Monaten der Schweiz den Rücken zugekehrt hatte, um in der Kvarner Bucht einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, hatte er nicht geahnt, wie schwer es würde, abzuschalten. Zu vergessen. Sein Sohn Daniel hatte ihn dazu ermutigt. Und nun war er hier. Im Land der tausend Inseln, im Land seiner Mutter. Als zweites Kind eines schweizerischen Vaters und einer kroatischen Mutter hatte er sein ganzes Leben in der Schweiz verbracht. Er war in die Fußstapfen seines Großvaters väterlicherseits getreten und hatte eine beachtliche Karriere bei der Kriminalpolizei Thurgau hingelegt. Über Monate hinweg hatte ihm Daniel geraten, einfach mal nichts zu tun. „Genieß doch endlich mal dein Leben“, hatte er gesagt. Aber nichts tun war so gar nicht Gantenbeins Ding. Er war kaum in Kroatien angekommen, hatte er sich bei verschiedenen Reiseführerunternehmen beworben. Ein deutsches hatte ihn sofort unter Vertrag genommen. So kam es, dass der achtundsechzigjährige Frank Gantenbein, Kriminalpolizist außer Dienst, graumeliertes, voluminöses Haar, für die Plattform Erlebnisreisen Restaurants, Hotels und Kulturelles testete und darüber Artikel verfasste. Er besuchte die entlegensten Flecken Kroatiens, wo die Natur noch unberührt war, fernab vom Touristenstrom, und verfasste darüber ein paar Zeilen. Er liebte diese Arbeit. Wenn ihn die Trauer wieder wie eine Welle erfasste, flüchtete er an unberührte Orte und tauchte so in eine andere Welt ein. In eine Welt, in der alles schön war. Sein Leben hatte wieder einen Sinn bekommen. Endlich. Er fuhr herum und tapste in die Küche. Setzte Wasser für den morgendlichen Kaffee auf und blickte zum Fenster hinaus. Es war offenbar noch sehr früh, draußen fing gerade erst der Morgen an, zu dämmern. Er blickte hinaus auf das Meer. Einzelne Lichter waren zu sehen, Fischer tuckerten auf ihren Booten langsam wieder zurück zum Festland. Er griff nach der Tasse, die noch von gestern im Waschtrog lag, spülte sie kurz aus, gab drei kleine Löffel Pulverkaffee hinein, goss heißes Wasser darüber und begab sich mit Kaffee und Bier auf die Terrasse. Er setzte sich auf seinen Platz, von dem aus er auf die Adria schauen konnte. Mittlerweile gab es keinen Morgen mehr, an dem er seinen Kaffee (und sein morgendliches Bier) nicht draußen zu sich nahm. Plötzlich fuhr ihm in den Sinn, dass er noch einen Artikel fertigstellen musste. Aus seinem Büro, eine Ecke im Wohnzimmer, das aus einem Tisch bestand, den man vor lauter Zettel und Staub kaum mehr sehen konnte, holte er den Laptop und fuhr ihn hoch, während er auf die Terrasse zurückkehrte. Er stellte ihn auf den Tisch und wartete. Heute brauchte das Ding ungewöhnlich lange. Von der Schnellstraße etwas weiter unten war die Sirene eines Krankenwagens zu hören. Er fuhr Richtung Rijeka, die nächstgelegene Stadt. Opatija selbst besaß nur ein kleines Dom zdravlja, ein Haus der Gesundheit. Eine Art Zwischenstation. In das Dom zdravlja kamen Patienten, die zu gesund für das überfüllte, städtische Krankenhaus waren und doch war die Institution mehr als nur das Sprechstundenzimmer beim Hausarzt. Ein Haus der Gesundheit gab es überall im Land, was einen noch größeren Ansturm auf die Hospitäler verhinderte.

      Gantenbein schlürfte den Kaffee und wartete ungeduldig darauf, dass der Laptop endlich hochfuhr. Ein Schluck Bier nach dem anderen rutschte seine Kehle entlang, gleich hinterher der Kaffee. Nachdem er die Tasse leergetrunken hatte und sich auf dem Bildschirm immer noch nichts tat, drückte er willkürlich auf den Tasten herum, wohl wissend, dass es nichts brächte. Gnatzig eierte er in das Haus und holte sein Handy, kehrte auf die Terrasse zurück und sank seufzend in den Stuhl. Er tippte auf dem Display herum.

      „Gantenbein“, meldete sich eine verschlafene Stimme.

      „Daniel, ich bin's.“

      „Papa? Was … ist etwas

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