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an der Tür vorüber und blickte in den kleinen Salon. Peter und Helene saßen noch dort im Gespräch.

      »Immer noch wie bisher«, erwiderte sie ihrem Mann.

      Fürst Wassil zog die Augenbrauen zusammen, stand auf, warf den Kopf zurück und ging mit entschlossenen Schritten an den Damen vorüber in den kleinen Salon. Rasch und mit freudiger Bewegung ging er auf Peter zu, sein Gesicht war so ungewöhnlich feierlich, daß Peter halb erschrocken aufstand.

      »Gott sei Dank«, rief Fürst Wassil, »meine Frau hat mir alles gesagt.« Er umarmte mit dem einen Arm Peter, mit dem andern seine Tochter. »Mein Freund! Helene! Ich bin sehr, sehr glücklich!« Seine Stimme zitterte. »Wie habe ich deinen Vater geliebt! … Und sie wird dir eine gute Frau sein! … Gott segne euch!« Er umarmte die Tochter und dann wieder Peter und küßte sie. Wirkliche Tränen flossen über seine Wangen. »Fürstin, komm doch hierher!« rief er. Die Fürstin trat ein und begann auch bald zu weinen, auch die alte Dame zog das Taschentuch heraus. Man küßte Peter, und er küßte mehrmals die Hand der schönen Helene.

      Nach einiger Zeit wurden sie wieder allein gelassen.

      »Das alles mußte so kommen und konnte nicht anders sein«, dachte Peter, »deshalb ist es überflüssig zu fragen, ob es gut sei oder nicht. Es ist ein Glück, daß die bisherigen quälenden Zweifel ein Ende haben.«

      Schweigend hielt Peter die Hand seiner Braut und blickte auf ihren wogenden schönen Busen.

      »Helene«, rief er, sich erhebend. Er wußte, daß man bei solchen Gelegenheiten etwas Besonderes sagte, konnte sich aber durchaus nicht erinnern, was das war. Er blickte ihr ins Gesicht, sie trat ihm noch näher und errötete.

      Er wollte sich auf ihre Hand bücken und sie küssen, aber mit einer schnellen Bewegung des Kopfes drückte sie ihre Lippen auf die seinen, Ihr Gesicht strahlte.

      »Nun ist es zu spät, alles ist entschieden, und ich liebe sie ja auch«, dachte Peter.

      »Ich liebe Sie!« rief er. Endlich war ihm eingefallen, was man bei solchen Gelegenheiten zu sagen habe, aber diese Worte klangen so armselig, daß er sich selbst darüber schämte.

      Nach sechs Wochen war er verheiratet und zog in das neu renovierte Haus des Grafen Besuchow ein, als glücklicher Besitzer einer schönen Frau und zahlreicher Millionen, wie die Leute sagten.

      45

      Der alte Fürst Nikolai Andrejewitsch Bolkonsky erhielt im Dezember 1805 einen Brief vom Fürsten Wassil, der ihm dessen baldige Ankunft mit seinem Sohne ankündigte, und zwei Wochen später trafen die Gäste ein. Der alte Bolkonsky hatte immer eine geringe Meinung von dem Charakter des Fürsten Wassil gehabt. An dem Tage, an welchem Fürst Wassil ankommen sollte, war der alte Fürst Nikolai besonders schlechter Laune.

      »Hören Sie, wie er umhergeht«, sagte der alte Tichon zum Architekten, »mit dem ganzen Absatz stampft er auf! – Nun, wir wissen schon …«

      Aber um neun Uhr machte der Fürst seinen gewohnten Spaziergang in seinem Samtpelz mit Zobelkragen und ebensolcher Mütze. Am Abend vorher war Schnee gefallen. Der Fürst ging finster und schweigend durch die Orangerie und besichtigte verschiedene Gebäude.

      »Kann man mit dem Schlitten durchkommen?« fragte er den Verwalter.

      »Der Schnee ist tief, Erlaucht, ich habe schon die Hauptallee fegen lassen.«

      Der Fürst ging weiter bis zur Hauptpforte.

      »Gott sei Dank«, dachte der Verwalter, »die Wolke ist vorübergezogen.« – »Es war schwierig, Erlaucht, mit dem Schlitten zu fahren«, fügte er hinzu. »Wie ich hörte, wird ein Minister zu Euer Erlaucht auf Besuch kommen.«

      Der Fürst wandte sich mit finsterem Gesicht um. »Was? Ein Minister?« rief der Alte mit seiner durchdringenden Stimme. »Für die Fürstin, meine Tochter, hat man nicht gefegt, aber für den Minister! Ich brauche keine Minister!«

      »Erlaucht, ich dachte …«

      »Du dachtest?« schrie der Fürst immer heftiger. »Du dachtest, du Räuber? Ich werde dich denken lehren!«

      Er hob den Stock auf und schwang ihn über Alpatitsch und hätte zugeschlagen, wenn der Verwalter nicht unwillkürlich zurückgewichen wäre.

      »Gleich den Weg zuwerfen, Halunke!«

      Vor Tisch erwarteten Marie und Fräulein Bourienne im Speisesaal den Fürsten, von dessen schlechter Laune sie schon gehört hatten, Fräulein Bourienne mit strahlendem Gesicht, Marie aber bleich und schüchtern. Als der Fürst eintrat und das erschrockene Gesicht seiner Tochter sah, pfiff er. »Dummheiten!« murmelte er. »Man hat ihr wohl schon etwas vorgeschwatzt? – Wo ist die Fürstin?« fragte er laut.

      »Sie ist nicht ganz gesund«, sagte Mademoiselle Bourienne mit heiterem Lächeln, »und geht nicht aus. Das ist so begreiflich in ihrer Lage.«

      »Hm, hm«, machte der Fürst und setzte sich an den Tisch. Einen Teller, der ihm nicht ganz rein schien, warf er beiseite.

      Die kleine Fürstin war nicht unwohl, fürchtete aber den Fürsten so sehr, daß sie es vorzog, nicht auszugehen, als sie von seiner schlechten Laune hörte. Sie lebte überhaupt auf dem Gute immer in Angst und im Gefühl der Antipathie gegen den alten Fürsten. Der Fürst erwiderte ihre Antipathie, die sich aber in Verachtung vertiefte. Die kleine Fürstin liebte Mademoiselle Bourienne sehr und verbrachte einen großen Teil des Tages mit ihr.

      »Es werden Gäste ankommen, Fürst?« fragte Mademoiselle Bourienne, indem sie die Serviette ausbreitete. »Seine Erlaucht der Fürst Kuragin mit seinem Sohne, wie ich gehört habe?« sagte sie fragend.

      »Nun ja, ein dummer Junge!« sagte der Fürst ärgerlich. »Und warum er seinen Sohn hierherbringt, kann ich nicht begreifen, vielleicht wissen das Fürstin Lisa und meine Tochter.«

      Er blickte nach seiner errötenden Tochter.

      »Bist du nicht gesund aus Angst vor dem Minister?«

      »Nein, Väterchen.«

      Nach Tische ging der Fürst zu seiner Schwiegertochter. Die kleine Fürstin saß an einem Tischchen und schwatzte mit Mascha, der Kammerzofe. Sie errötete beim Anblick des Alten.

      Die kleine Fürstin hatte sich sehr verändert, sie sah jetzt fast häßlich aus.

      Der Alte fragte sie, wie sie sich befinde, und ob sie etwas nötig habe.

      »Nein, ich danke, Väterchen«, sagte sie.

      »Nun gut, gut!« Er ging nach dem Dienerzimmer, wo er den Verwalter antraf.

      »Ist der Weg zugeworfen?«

      »Jawohl, Erlaucht, vergeben Sie die Dummheit!«

      Der Fürst unterbrach ihn mit seinem unnatürlichen Gelächter. »Nun gut, gut.« Er streckte die Hände aus, die der Verwalter küßte, und ging in sein Kabinett.

      Am Abend kamen Fürst Wassil und sein Sohn an. Sie wurden in der Hauptallee empfangen und über den absichtlich mit Schnee zugeworfenen Weg nach dem Schloss geführt, wo besondere Zimmer für sie bereitstanden. Anatol rasierte und parfümierte sich sorgfältig und begab sich in das Zimmer seines Vaters.

      »Nein, ohne Scherz, Väterchen, ist sie sehr häßlich, wie?« fragte er französisch, als ob er ein angefangenes Gespräch fortsetzte.

      »Unsinn! Die Hauptsache ist, gib dir Mühe, ehrerbietig und vernünftig gegen den alten Fürsten zu sein.«

      »Wenn er zu schimpfen anfängt, laufe ich davon«, sagte Anatol, »ich kann solche alte Menschen nicht ausstehen.«

      »Erinnere dich, daß für dich alles davon abhängt.«

      Inzwischen hatten die kleine Fürstin und Fräulein Bourienne von dem Kammermädchen Mascha alle Einzelheiten erfahren, was für ein rotwangiger, hübscher, junger Mann der Sohn sei, und wie der Alte kaum die Treppe hinaufkommen könne. Mit diesen Neuigkeiten eilten

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