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Ziemlich oft hörte man ein leichtes Summen und Pfeifen.

      »Was ist das?« dachte Fürst Andree, indem er auf die Gruppe Soldaten zuritt. »Das kann nicht die Plänklerkette sein, weil sie in einem Haufen stehen, aber es kann auch kein Angriff sein, weil sie sich nicht vorwärts bewegen, und ebensowenig ein Karree.«

      Der hagere, schmächtige, greisenhaft aussehende Oberst ritt mit freundlichem Lächeln dem Fürsten Bagration entgegen und empfing ihn wie ein Wirt einen teuren Gast. Er meldete dem Fürsten Bagration, daß die französische Kavallerie sein Regiment angegriffen habe, und daß das Regiment mehr als die Hälfte seiner Mannschaft verloren habe, obgleich dieser Angriff abgeschlagen worden sei.

      Obgleich uns der Oberst dies meldete, wußte er doch in Wirklichkeit selbst nicht, was während dieser halben Stunde vorgegangen war und ob wirklich der Angriff abgeschlagen oder ob sein Regiment durch denselben zersprengt worden sei. Er wußte nur, daß im Anfang des Gefechts von allen Seiten Granaten auf sein Regiment zuflogen und Leute fielen, daß dann jemand rief: »Kavallerie!« und die Unsrigen zu schießen begannen. Sie schossen aber jetzt nicht mehr auf Reiterei, sondern auf Infanterie, welche sich im Hohlweg zeigte und nach den Unsrigen schoß.

      Fürst Bagration nickte mit dem Kopfe, zum Zeichen, daß alles so gekommen sei, wie er gewünscht und vermutet habe. Dann gab er dem Adjutanten Befehl, zwei Bataillone des sechsten Regiments vom Berge herabzuführen, an dem sie vorübergeritten seien. Fürst Andree war erstaunt über die Veränderung, welche im Gesicht des Fürsten Bagration vorgegangen war. Sein Gesicht zeigte jene Sammlung und fröhliche Entschlossenheit eines Menschen, welcher an einem heißen Tag sich ins Wasser stürzen will. Seine Adleraugen blickten triumphierend und etwas verächtlich nach dem Feinde hinüber.

      Der Oberst bat den Fürsten Bagration zurückzugehen, da es hier zu gefährlich sei, und der Generalstabsoffizier vereinigte seine Bitten mit denen des Obersten. Aber Bagration gab keine Antwort und befahl nur, das Feuer einzustellen und eine solche Stellung einzunehmen, daß die beiden heranrückenden Bataillone Raum zum Durchgang finden konnten. Während er noch sprach, wurde, wie von einer unsichtbaren Hand, zur Rechten der Nebelschleier gelüftet, welcher den Hohlweg verbarg, und die gegenüberliegende Anhöhe mit den heranrückenden Franzosen wurde sichtbar. Man sah schon die Mützen der Soldaten, man konnte schon die Offiziere unterscheiden. Schon trat die Spitze der Kolonne in den Hohlweg ein, ein Zusammenstoß mußte auf dieser Seite des Abhangs stattfinden.

      Die Reste unseres Regiments zogen sich rasch nach rechts zusammen, hinter ihnen kamen lebhaft die beiden Bataillone des sechsten Jägerregiments hervor. Ehe sie an Bagration vorüberkamen, hörte man den schweren Schritt einer großen Masse. Voraus ging ein Hauptmann mit rundem Gesicht und naivem, vergnügtem Gesichtsausdruck, derselbe, welcher aus der Marketenderhütte davongelaufen war. Augenscheinlich dachte er eben nur daran, wie er in imponierender Haltung bei dem Oberbefehlshaber vorübergehen werde. Eine Kanonenkugel flog pfeifend über Bagrations Kopf weg und schlug in die Kolonne ein.

      »Schließt die Glieder!« rief der Hauptmann. Die Soldaten umgingen die Stelle, wo die Kugel gefallen war, und ein alter Unteroffizier, welcher bei den Gefallenen zurückgeblieben war, holte sein Glied wieder ein, wechselte hustend den Schritt und blickte sich grimmig um.

      Bagration grüßte die Truppen mit einem ermunternden Zuruf, welcher von den Truppen beantwortet wurde. Dann wurde befohlen, Halt zu machen und die Tornister abzunehmen.

      Bagration stieg vom Pferde, gab die Zügel einem Kosaken, nahm den Mantel ab, streckte die Beine und zog die Mütze fester auf den Kopf. Jetzt wurde die französische Kolonne mit Offizieren an der Spitze sichtbar.

      »Mit Gott!« sagte Bagration mit fester, weithin hörbarer Stimme, wandte sich einen Augenblick der Front zu, winkte leicht mit der Hand und ging mit den ungeschickten Schritten eines Kavalleristen auf dem unebenen Felde mühsam vorwärts. Fürst Andree fühlte sich glücklich und durch eine unwiderstehliche Gewalt fortgezogen.

      Schon waren die Franzosen ganz nahe, schon erkannte Fürst Andree, welcher neben Bagration ging, deutlich die roten Epauletten und sogar die Gesichter der Franzosen. Er sah einen alten, französischen Offizier, welcher mit krummen Beinen, an den Gebüschen sich festhaltend, mühsam den Berg heraufkam. Fürst Bagration gab keine neuen Befehle, ging aber immer schweigend vor den Reihen weiter. Plötzlich fiel ein Schuß bei den Franzosen, dann ein zweiter, ein dritter, und längs der sich auflösenden feindlichen Glieder erhob sich Rauch und knatterte ein heftiges Gewehrfeuer. Einige der Unsrigen fielen, aber in demselben Augenblick, als der erste Schuß fiel, blickte sich Bagration um und schrie: »Hurra!«

      »Hurra!« ertönte es mit lang gezogenem Ruf unsere Linie entlang, welche den Fürsten Bagration überholte und den Berg hinablief, um sich auf die erschütterten Franzosen zu stürzen.

      40

      Der Angriff des sechsten Jägerregiments sicherte den Rückzug des rechten Flügels. Im Zentrum war es der vergessenen Batterie Tuschin gelungen. Schöngraben in Brand zu stecken und dadurch die Franzosen aufzuhalten. Die Franzosen suchten das Feuer zu löschen, das der Wind anfachte, und dadurch erhielten die Russen Zeit zum Rückzug. Das Zentrum ging durch die Schlucht rasch und geräuschvoll zurück, jedoch ohne Verwirrung. Aber der linke Flügel, aus dem Podolschen Infanterieregiment und den Pawlogradschen Husaren bestehend, wurde von überlegenen Streitkräften unter General Lannes angegriffen und stark erschüttert. Bagration sandte Scherkow an den General des linken Flügels mit dem Befehl, sich sogleich zurückzuziehen.

      Ohne die Hand von der Mütze zu nehmen, galoppierte Scherkow davon. Aber nach kurzer Zeit verließen und verrieten ihn seine Kräfte, ein unüberwindlicher Schrecken überfiel ihn, so daß er nicht dahin zu reiten vermochte, wo es gefährlich war.

      Als er die Truppen des linken Flügels erreicht hatte, ritt er nicht weiter vorwärts, wo geschossen wurde, sondern suchte den hier kommandierenden General dort auf, wo er nicht sein konnte, und deshalb überbrachte er ihm den Befehl nicht.

      Der Befehl des linken Flügels kam nach dem Dienstalter dem Obersten des Infanterieregiments zu, in welchem Dolochow als Soldat diente. Auf dem äußersten linken Flügel befehligte der Oberst des Pawlogradschen Husarenregiments, in welchem Rostow diente, und infolgedessen entstand ein Missverständnis. Beide Befehlshaber waren heftig gegeneinander aufgebracht, und während die Franzosen schon zum Angriff schritten, waren sie in hitzigem Wortwechsel begriffen. Die beiden Regimenter waren sehr wenig vorbereitet zum Gefecht. Ruhig fütterten sie die Pferde oder sammelten Holz zum Kochen.

      »Wenn er auch im Rang älter ist als ich«, sagte der Deutsche, der Husarenoberst, rot vor Zorn zu dem Adjutanten, »so mag er machen, was er will, aber meine Husaren kann ich nicht opfern. Hornist blase zum Rückzug!«

      Die Franzosen hatten die Soldaten überfallen, welche in den Wald nach Holz gegangen waren. Die Husaren konnten sich nicht so schnell zurückziehen wie die Infanterie, sie wurden von ihrer Rückzugslinie abgeschnitten und nach links abgedrängt. So ungünstig die Örtlichkeit war, so waren sie jetzt zum Angriff gezwungen, um sich einen Weg zu bahnen.

      Die Schwadron, in welcher Rostow diente, ordnete sich schnell. »Vorwärts, Kinder!« rief Denissow. »Trab! Marsch!« Anfangs sah Rostow die ersten Glieder der Schwadron vor sich und weiterhin dunkle Streifen, die er für den Feind hielt. »Hurra!« riefen die Soldaten. In wilder Aufregung erhob Rostow den Säbel zum Einhauen, aber in diesem Augenblick sah er, wie der vor ihm reitende Husar Nikitenko sich entfernte, und Rostow hatte ein traumhaftes Gefühl, als ob er mit unglaublicher Geschwindigkeit sich weiterbewegte und dennoch zugleich auf der Stelle blieb. Ein anderer Husar, der hinter ihm ritt, überholte ihn und ritt vorüber.

      »Was ist das? Ich komme nicht mehr vom Fleck! Bin ich gefallen? … Getötet? …« fragte sich Rostow. Bald darauf war er allein auf dem Feld und warmes Blut floß unter ihm.

      »Nein, ich bin nur verwundet, aber das Pferd ist tot.« Gratschick erhob sich auf die Vorderfüße, fiel aber sogleich wieder zurück und vermochte nicht mehr aufzustehen. Rostow wollte sich erheben, fiel aber auch wieder nieder. Die Säbeltasche hatte sich am Sattel angehakt, und sein Bein konnte er nicht mehr rühren. Er wußte nicht, wo das Regiment

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