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Auf allen Gesichtern erschien derselbe zynische Gedanke.

      »Wohin fahrt ihr?« fragte ein Offizier, der einen Apfel aß und lächelnd nach dem hübschen Mädchen blickte.

      Der Fuhrmann deutete an, daß er nichts verstehe.

      »Willst du? Da nimm!« sagte der Offizier, indem er dem Mädchen den Apfel reichte, den es lachend nahm. Neswizki wandte ebenso wie alle anderen die Augen nicht von den Frauen ab, bis sie vorübergefahren waren. Nach ihnen kamen wieder Soldaten und endlich blieben alle stehen. Die Pferde an einem Regimentswagen waren in Unordnung gekommen, und die ganze Menge mußte warten.

      »Warum warten sie? Was ist das für eine Ordnung?« riefen die Soldaten. »Zum Teufel, jetzt ist nicht Zeit, zu warten. Es kann schlimm werden, wenn er die Brücke anzündet!«

      Mit »er« meinten die Soldaten immer den Feind.

      Neswizki blickte auf die Wellen der Enns hinab, als er plötzlich ein ihm neues Geräusch vernahm, das rasch näher kam. Etwas Großes fiel klatschend ins Wasser, die Menge setzte sich wieder in Bewegung. Neswizki merkte, daß es eine Kanonenkugel gewesen war.

      »Heda, Kosak, gib das Pferd her!« sagte er. »Nun zur Seite mit euch, gebt den Weg frei!«

      Mit großer Anstrengung erreichte er das Pferd und setzte sich mit unaufhörlichem Schreien in Bewegung. Die Soldaten drückten sich aneinander, um ihm Raum zu geben, aber das Gedränge wurde immer stärker.

      »Neswizki! Neswizki! Du Fratze!« hörte er eine heisere Stimme hinter sich. Neswizki sah sich um und erblickte fünfzehn Schritte entfernt, durch die Massen der Infanterie gedrängt, den hübschen schwarzen Denissow, die Mütze im Genick und den Dolman umgehängt.

      »Befiehl doch diesem Satansvolk, mir den Weg freizugeben«, rief Denissow. Er war in heftigen Zorn geraten und schwang den Säbel in der Scheide.

      »Eh, Wassja«, rief Neswizki freudig aus, »wie geht's dir?«

      »Die Schwadron kann nicht hinüber«, rief Denissow zornig. »Wie eine Hammelherde! Gebt den Weg frei! Höre du da auf der Fuhre, ich steche dich nieder!« schrie er und zog wirklich den Säbel. Die Soldaten drängten sich erschrocken zusammen, und Denissow erreichte Neswizki.

      »Warum bist du heute nicht betrunken?« sagte Neswizki zu Denissow.

      »Sie lassen einem nicht Zeit dazu«, erwiderte Denissow. »Den ganzen Tag wird das Regiment bald hierhin, bald dorthin gejagt. Wenn man sich schlägt, so schlägt man sich, aber der Teufel weiß, was das heißen soll.«

      »Wie du heute fein bist!« sagte Neswizki, seinen neuen Dolman betrachtend.

      Denissow lächelte, zog sein parfümiertes Taschentuch heraus und hielt es Neswizki unter die Nase. »Es geht nicht anders, heute geht's ins Gefecht, darum habe ich mich rasiert und die Zähne geputzt und mich parfümiert.«

      Der Anblick der mächtigen Gestalt Neswizkis, begleitet von dem Kosaken, und die Entschiedenheit Denissows, der den Säbel schwang und fortwährend schrie und tobte, brachte es so weit, daß sie endlich das jenseitige Ufer erreichten. Neswizki fand den Obersten, dem er den Befehl zu überbringen hatte, und nachdem er seinen Auftrag ausgerichtet hatte, ritt er zurück. Als er den Weg freigemacht hatte, blieb Denissow am Ende der Brücke stehen. Er hielt sein ungeduldiges Pferd zurück und blickte der herankommenden Schwadron entgegen. Auf den Brettern der Brücke ertönten die Hufschläge, als ob einige Pferde galoppierten, und die Schwadron, mit den Offizieren an der Spitze, ritt in Gliedern von vier Mann über die Brücke. Die Infanteristen, die dadurch aufgehalten worden waren, standen vor der Brücke im Schmutz und betrachteten mit jenem besonderen mißgünstigen Gefühl und jener Spottsucht, womit Soldaten verschiedener Art gewöhnlich einander musterten, die reinlichen, zierlichen Husaren, die an ihnen vorüberritten.

      »Niedliche Kinderchen! Wie vom Jahrmarkt!«

      »Taugen nicht viel, sind nur zum Ansehen«, bemerkte ein anderer.

      30

      Endlich hatten die Wagen alle die Brücke überschritten, das Gedränge verminderte sich, und das letzte Bataillon ging über die Brücke. Nur die Schwadron Denissow blieb auf dem jenseitigen Ufer. Der Feind war auf dieser Seite des Ufers weithin sichtbar, konnte jedoch von der tiefliegenden Brücke aus noch nicht gesehen werden. Plötzlich erschienen auf der Anhöhe vor der Brücke Soldaten in blauen Mänteln und Artillerie – das waren Franzosen. Die Soldaten der Nachhut kamen im Trab den Berg herab. Obgleich die Offiziere und Soldaten der Schwadron Denissow unter sich von gleichgültigen Dingen sprachen und sich bemühten, unbefangen zu erscheinen, dachten sie doch immer nur daran, was dort auf dem Berge vorging und blickten beständig nach den am Horizont erscheinenden Flecken, die sie für feindliche Vorposten erkannten. Das Wetter hatte sich nachmittags wieder aufgeklärt, die Sonne schien hell über dem Donautal. Zuweilen ertönte Hörnerklang. Zwischen der Schwadron und dem Feinde befand sich nichts mehr, außer kleinen Streifwachen. Ein leerer Raum von dreihundert Faden trennte sie noch. Der Feind hatte aufgehört zu schießen und verriet durch nichts seine drohende Nähe.

      Auf der Anhöhe beim Feinde erhob sich eine kleine Rauchwolke, und eine Kanonenkugel flog pfeifend über die Köpfe der Schwadron hin. Die Offiziere, welche beisammen standen, trennten sich und gingen an ihre Stellen. In der Schwadron war alles schweigsam, die Husaren blickten alle nach dem Feind und nach ihrem Rittmeister und erwarteten den Befehl. Eine zweite, eine dritte Kanonenkugel flog vorüber; augenscheinlich wurde nach den Husaren geschossen, aber die Kugeln gingen zu hoch. Sooft eine Kugel vorüberflog, hielt die ganze Schwadron wie auf Kommando den Atem an, auf jedem Gesicht erschien um Lippen und Kinn der Ausdruck einer besonderen Aufregung. Der Wachtmeister blickte mit finsterem Gesicht die Soldaten an, als ob er sie mit Strafe bedrohe. Der Junker Rostow, der auf der linken Flanke stand, hatte das glückselige Aussehen eines Schülers, der vor einem großen Publikum beim Examen aufgerufen wird und sicher ist, sich auszuzeichnen, doch auch auf seinem Gesicht zeigte sich unwillkürlich ein eigentümlich ernster Zug.

      Denissows Gesicht war ebenso wie es immer aussah, besonders abends, wenn er zwei Flaschen Wein getrunken hatte; es war nur stärker gerötet als gewöhnlich. Er hob den Kopf auf, wie ein Vogel, wenn er trinkt, stieß mit seinen kleinen Beinen dem Pferde unbarmherzig die Sporen in die Seiten und ritt auf die andere Flanke der Schwadron. Er rief den Leuten mit heiserer Stimme zu, sie sollten ihre Pistolen besichtigen, und ritt zu Kirsten. Der Stabsrittmeister ritt auf seinem hohen Pferd Denissow im Schritt entgegen. Er war ernst wie immer, nur seine Augen glänzten stärker als sonst.

      »Nun, wie geht's?« sagte er zu Denissow, »kommt's nicht zum Schlagen? Du wirst sehen, wir gehen wieder zurück.«

      »Der Teufel weiß, was da vorgeht«, knurrte Denissow. »Ah, Rostow?« rief er dem Junker zu, als er sein vergnügtes Gesicht bemerkte. In diesem Augenblick erschien der Oberst auf der Brücke; Denissow ritt ihm entgegen.

      »Exzellenz, erlauben Sie, anzugreifen? Ich werde sie zurückwerfen!«

      »Was ist da anzugreifen?« sagte der Oberst mit verdrießlicher Stimme. »Und warum stehen Sie überhaupt dort? Sehen Sie, die Plänkler gehen zurück. Lassen Sie die Schwadron auch zurückgehen!«

      Die Schwadron ging über die Brücke und kam außer Schussweite, ohne einen Mann zu verlieren. Nach ihnen ging auch die zweite Schwadron hinüber, welche die Vorposten gebildet hatte, und zugleich die letzten Kosaken.

      Ein Adjutant ritt auf den Obersten zu mit dem Befehl, die Brücke anzünden zu lassen, und bald darauf kam auch auf einem Kosakenpferd Neswizki, welcher denselben Befehl überbrachte.

      »Wie, Herr Oberst«, rief er schon von fern, »ich habe Ihnen gesagt, die Brücke müsse angezündet werden, und jetzt geht alles drunter und drüber?«

      Ärgerlich ließ der Oberst das Regiment halten und wandte sich an Neswizki.

      »Sie sagten mir von Brennstoff«, sagte er, »aber davon, daß die Brücke angezündet werden soll, haben Sie mir nichts gesagt.«

      »Wieso, Väterchen«,

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